Basler Zeitung vom 28.11.2009
SVP-Vordenker nahm unabsichtlich Rechtsextreme bei Facebook aufTimm Eugster
Michael Herrmann, Kassier der Pnos Basel, und Parteigründer Sacha Kunz waren bis gestern auf Facebook als Freunde von SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli eingetragen. Die «Aktion Kinder des Holocaust» kritisiert Mörgelis mangelnde Vorsicht: So fördere er den Rechtsextremismus.
Christoph Mörgeli reagierte rasch, als ihn die BaZ gestern damit konfrontierte, dass sich unter seinen rund 800 Facebook-Freunden mehrere, teilweise prominente Köpfe aus der rechtsextremen Szene befinden: Eine Stunde später hatte er die vier Namen gelöscht. «Es hat aber sicher noch ein paar andere schräge Vögel darunter», räumt Mörgeli ein. Schon früher habe er Facebook-Freunde entfernen müssen – weil sie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen waren.
Nimmt der Zürcher SVP-Nationalrat und Historiker gedankenlos jeden auf in seine Netzgemeinschaft? – «Normalerweise schaue ich zuerst kurz, was jemand unter der Rubrik ‹politische Einstellung› eingetragen hat», sagt Mörgeli, «aber manchmal bin ich vielleicht etwas zu schnell.» Tatsächlich: Sein Ex-Facebook-Freund Michael Herrmann, Vorstandsmitglied der Pnos Basel, gibt als politische Einstellung offen «Pnos» an – also Partei national orientierter Schweizer. Ausserdem prangt der Parteischriftzug auf dem Facebook-Bild am Hemdkragen des Glatzkopfs. Gegen die Basler Pnos-Sektion läuft ein Strafverfahren, weil sie auf ihrer Website den Holocaust infrage stellt – Novartis hat unterdessen den Sektionsvorsitzenden Philippe Eglins entlassen (BaZ vom Mittwoch).
Antisemitisch
Auch bei Herrmann persönlich hätte Mörgeli eindeutiges Material entdecken können: Etwa Abzeichen der Waffen-SS, Plakate der Schweizer Frontenbewegung der 1930er-Jahre, und ein antisemitischer Videoclip der deutschen Neonazi-Band Volkszorn, die in Deutschland auf dem Index steht. Das Lied verherrlicht die Vernichtung der Juden, illustriert ist der Clip mit dem Bild eines brennenden Hakenkreuzes.
Sacha Kunz, der zweite prominente Rechtsextreme unter Mörgelis Ex-Facebook-Freunden, war als Gründer und erster Präsident der Pnos einer der führenden Schweizer Rechtsextremen. Später suchte er mithilfe der «Aktion Kinder des Holocaust» (AKdH) den Ausstieg – dieser ist jedoch laut Einschätzung der Organisation gescheitert.
Mörgeli bezeichnet Facebook als ein gutes Medium, um mit jungen Wählern in Kontakt zu treten – «aber es hat eben auch problematische Seiten». Für ihn sind Facebook-Freunde keine Freunde: «Ich kann mich also gar nicht von ihnen distanzieren, weil ich nie eine Nähe hatte.» Seine Anziehungskraft für Rechtsextreme erklärt sich Mörgeli damit, dass er Patriot sei – «aber mit Antisemitismus und mit Sozialismus jeglicher Art, also auch mit Nationalsozialismus, habe ich überhaupt nichts zu tun.»
Gütesiegel
Dies bestätigt Samuel Althof von der AKdH. Doch Christoph Mörgelis mangelnde Abgrenzung sei problematisch, auch wenn sie bloss in fehlender Sorgfalt begründet liege: «Wenn Nationalrat Mörgeli einen Rechtsextremen öffentlich in seinen Schoss aufnimmt, wertet dies seinen Status auf, es ist eine Art Gütesiegel auf seiner Visitenkarte.»
Mit dieser vermeintlichen Anerkennung fördere der SVP-Nationalrat den Rechtsextremismus, anstatt ihn auszugrenzen, und schade der Präventionsarbeit.