Das Obergericht verurteilt zwei junge Gewerkschafter, die am 1. Mai 2004 in Langenthal gegen Rechtsextreme demonstriert haben, zu je 400 Franken Busse
Nach einer Demonstration von Rechtsextremen kam es am 1. Mai 2004 in Langenthal zu Zusammenstössen zwischen rechten und linken Demonstranten. Zwei junge Linke wurden gestern wegen Landfriedensbruchs verurteilt.
stefan von below
Wüste Szenen spielten sich am 1. Mai 2004 in der Langenthaler Innenstadt ab. Gut 150 Anhänger der rechtsextremen Partei national orientierter Schweizer (Pnos) marschierten, rassistische Parolen skandierend, durch das Städtchen, wo die 1.-Mai-Feier der SP im Gang war. Unweit des Bahnhofs kam es zu einer handfesten Auseinandersetzung mit rund 60 Angehörigen der linksautonomen Szene, die mit dem Zug angereist waren. Es flogen Flaschen und Steine, mehrere Autonome feuerten Knallpetarden ab. Angesichts der zahlenmässigen Übermacht der Rechtsextremen zogen sich ihre Widersacher rasch in den Bahnhof zurück und bestiegen den Zug nach Bern. Bilanz der Zusammenstösse: Verletzte auf beiden Seiten und bei der Polizei sowie Sachschaden, hauptsächlich am Rollmaterial der SBB.
Erst zehn, dann fünf Tage
Am Bahnhof Bern nahm die Stadtpolizei 15 linke Demonstranten fest, darunter zwei 20-jährige Gewerkschaftsaktivisten. Diese hatten am 1.-Mai-Umzug in Bern via Flugblatt vom Pnos-Aufmarsch in Langenthal erfahren und waren dorthin gefahren, um an der Gegendemonstration teilzunehmen. Mittels Strafmandat wurden sie später vom Untersuchungsrichter wegen Angriffs, Sachbeschädigung und Landfriedensbruchs zu zehn Tagen Gefängnis bedingt und je 300 Franken Busse verurteilt – obwohl ihnen keine direkte Beteiligung an den Vorfällen nachgewiesen werden konnte. Die beiden fochten das Strafmandat gerichtlich an, worauf Strafeinzelrichter Roland Richner den Urteilsspruch in fünf Tage Gefängnis bedingt wegen Landfriedensbruchs abänderte. Diesen Entscheid zogen die Männer ans Obergericht weiter, das sich gestern damit befasste.
Seine Mandanten hätten nichts Verbotenes getan, sagte Verteidiger Willi Egloff in seinem Plädoyer. In Langenthal seien sie auf dem Bahnhofplatz geblieben und nicht an die Ringstrasse gegangen, wo sich die gewalttätigen Zusammenstösse abgespielt hätten. Als die anderen Demonstranten zurückgekommen seien, hätten auch seine Mandanten wieder den Zug nach Bern bestiegen. An einer «öffentlichen Zusammenrottung» im Sinne des Strafgesetzbuchs hätten sie nie teilgenommen und seien deshalb freizusprechen. «Die Gewalttätigkeiten haben sie weder gebilligt noch in Kauf genommen.»
Mit schwarzem Block im Zug
Das Obergericht war allerdings anderer Ansicht. Objektiv sei bereits beim Aussteigen aus dem Zug in Langenthal auf dem Perron eine Zusammenrottung entstanden, sagte der vorsitzende Oberrichter Marcel Cavin. Die «Grundhaltung der Gewaltbereitschaft» habe sich daran gezeigt, dass ein Polizist niedergeschlagen worden sei. Schon im Zug hätten die beiden jungen Männer merken müssen, in welcher Gesellschaft sie sich befänden. Immerhin seien noch rund 50 andere linke Demonstranten nach Langenthal gefahren, darunter teilweise vermummte Angehörige des schwarzen Blocks. Wenn sich die Angeschuldigten wirklich von ihnen hätten distanzieren wollen, so hätten sie sich auf dem Perron absondern und «passiv stehen bleiben» müssen, sagte Cavin.
Weil sie das nicht getan hätten, seien sie getreu dem Motto «Mitgegangen, mitgehangen» schuldig zu sprechen. Das Obergericht verurteilte die beiden jungen Männer zu je 400 Franken Busse. Zudem müssen sie sich mit je 1600 Franken an den erst- und oberinstanzlichen Verfahrenskosten beteiligen. Auf eine Freiheitsstrafe verzichte das Obergericht hingegen, weil den beiden die aktive Teilnahme an den Gewalttätigkeiten nicht habe nachgewiesen werden können. «Das Demonstrationsrecht gilt», hielt Cavin unter dem Strich fest – «aber nicht unbeschränkt».
landfriedensbruch
«Wer an einer öffentlichen Zusammenrottung teilnimmt, bei der mit vereinten Kräften gegen Menschen oder Sachen Gewalttätigkeiten begangen werden, wird mit Gefängnis oder Busse bestraft»: So ist der Tatbestand des Landfriedensbruchs in Artikel 260 des Schweizerischen Strafgesetzbuches umschrieben.