Die Wochenzeitung: In der Romandie und im Tessin formiert sich die rechtsextreme Szene neu – über die Subkultur hinaus.
von Hans Stutz
Zur «Bundesfeier» auf dem Rütli tauchten dieses Jahr keine Neonazis auf. Seit einigen Jahren können sie die OrganisatorInnen endlich fernhalten. Schweizer Rechtsextreme trafen sich abseits der Öffentlichkeit. Die Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) lud am Nationalfeiertag zum Brunch in eine Waldhütte bei Altbüron LU, anwesend auch Mitglieder der Westschweizer Sektion Parti Nationaliste Suisse (PNS). Am gleichen Abend vergnügten sich Naziskinheads bei zwei Konzerten, die Blood-and-Honour-Leute in Schönenberg ZH, die Hammerskins an einem unbekannten Ort in der Romandie. Bereits am Vortag hatte ein Grüppchen der Westschweizer Résistance Helvétique das Rütli besucht und auf dem «Schwurplatz» für ein Foto die Fahne gehisst.
Gesteigerte Kadenz
Zumindest in der Deutschschweiz serbelt die Szene. Bei der Pnos machen noch ein paar wenige Aktivisten die Politarbeit, in den letzten Monaten allerdings mit gesteigerter Kadenz. In den italienisch- und französischsprachigen Gebieten hingegen bildet sich eine vielfältige Szene. Im Tessin blüht seit bald einem Jahr die Subkultur der Naziskinheads, aktiv unter verschiedenen Gruppennamen (Skinhead Tre Valli, Skinhead Lugano) oder auf Social-Media-Plattformen («Ticino Anticomunista», «Ticino Non Conforme», «Ticino Crew 88»). In der Romandie betreiben junge Männer auch ausserhalb von Subkulturen politische Aufbauarbeit, organisiert in der Résistance Helvétique oder der Génération Identitaire Genève. Letztere hatte Anfang Juli in Genf als Reaktion auf eine Asylbewegung das Denkmal der Reformatoren mit der Aufforderung «Marre des bunkers? Prenez un charter!» (Genug von Zivilschutzkellern? Nehmt den Charterflug!) versehen.
Besonders aktiv ist die Résistance Helvétique (RH). Im Frühling 2014 als «Renaissance Helvétique» und «Vereinigung radikaler Walliser Nationalisten» gegründet, ist sie nun auch in den Kantonen Waadt, Neuenburg und Genf tätig. Ende Juli klebten RH-Aktivisten in Boudry bei Neuenburg Flugblätter gegen einen SP-Gemeinderat, der die Erstellung eines Asylaufnahmezentrums befürwortet hatte. Daneben organisiert die RH Vorträge mit Neofaschisten wie Daniel Conversano (Eigeneinschätzung: «junger faschistischer Schriftsteller») oder dem Franzosen Hervé Ryssen, Verfasser antisemitischer Bücher.
Ende Mai mischten sich RH-Leute in Morges mit dem Transparent «Monsanto mordet die Völker» in eine linke Kundgebung gegen den Saatgut- und Pflanzengiftkonzern. Die OrganisatorInnen intervenierten nicht. Auch beteiligt sich die RH an der institutionalisierten Politik: Jüngst unterstützte sie die Waadtländer Sektion der Schweizer Demokraten (SD), damit diese genügend Unterschriften für die Beteiligung an den Nationalratswahlen zusammenbringen.
Toni Brunners Stosstrupp
Nun erhält die SD rechtsextreme Konkurrenz im Kanton Waadt. Die PNS will fünf Leute für die Nationalratswahlen portieren, darunter ihren Präsidenten Philippe Brennenstuhl, einst verurteilt wegen Holocaustleugnung. Keine Wahlbeteiligung angekündigt haben ihre Deutschschweizer Pnos-Kameraden. Stattdessen hat die Kleinstpartei Anfang des Jahres wieder einmal einen Sicherheitsdienst gegründet, diesmal unter dem Namen «Ahnensturm», geleitet vom Seeländer Cédric Stoller. Sonst treten seit Jahren die gleichen Exponenten wie Parteipräsident Dominic Lüthard oder Stellvertreter Adrian Segessenmann auf, der auch bei der Avalon-Gemeinschaft mitwirkt. Die Pnos agiert mit wenig Personal, dafür gezielt an Orten, wo Konflikte bereits Medienaufmerksamkeit erlangt haben: so etwa mit einer Flugblattaktion in Pieterlen BE (gegen ausländische Fahrende) oder in Deitingen SO, wo die Pnos die DorfbewohnerInnen zur «Fortführung ihres Widerstandes» ermutigen will. Die Partei positioniert sich damit als Stosstrupp in der Umsetzung von Toni Brunners Aufruf zum lokalen Aufstand gegen Asylbewerbereinrichtungen.