Zwei «Pronto»-Täter beteuern vor dem Kantonsgericht ihre Läuterung
Thomas Gubler
Weil sie die Gewaltexzesse am Bahnhof Liestal so nicht geplant hätten, hoffen zwei frühere Skinheads auf ein milderes Urteil.
Nur zwei der ursprünglich sieben Hauptangeklagten im Liestaler «Pronto»-Prozess erschienen gestern noch zur zweitinstanzlichen Verhandlung vor dem Baselbieter Kantonsgericht. Die andern fünf hatten das Urteil des Strafgerichts vom 24. Februar 2006 entweder sofort akzeptiert oder die Appellation zurückgezogen. Optisch erinnerte nichts mehr an die Skinheads, welche für die unrühmlichen Ereignisse am Abend des 30. April 2004 am Bahnhof Liestal und im Coop-Pronto-Shop verantwortlich waren. Die Glatzen sind längst passé, und was die Kleidung betrifft, so unterschieden sich die beiden Angeklagten im Alter von 24 und 25 Jahren in nichts mehr von Gleichaltrigen.
Und offenbar haben beide auch nichts mehr mit der rechtsextremen Szene zu schaffen. Der Angeklagte, der vom Strafgericht als Initiator der Ereignisse vom 30. April 2004 zu 30 Monaten Gefängnis unbedingt verurteilt wurde, wohnt mit Freundin und Bruder im Elternhaus und führt ein geordnetes normales Leben. Laut eigenen Aussagen hat er alle Kontakte zu seinem früheren Freundeskreis abgebrochen. Er wolle mit dieser Verhandlung «einen endgültigen Schlussstrich unter die rechtsradikale Vergangenheit ziehen», sagte der 25-Jährige. Ähnlich äusserte sich der zweite Angeklagte, der damals als Chauffeur agierte und wegen Mittäterschaft zu 18 Monaten Gefängnis bedingt verurteilt wurde. Er habe Bomberjacken, Springerstiefel, DVDs und Embleme verbrannt.
Austritt und Ausstieg. Der Psychotherapeut und Experte Samuel Althof äusserte sich denn auch wesentlich positiver zu beiden Fällen als noch vor dem Strafgericht. Das betrifft insbesondere den ersten Angeklagten. Er sei «aus der Szene ausgetreten, aber noch nicht ganz ausgestiegen». Für den Ausstieg fehle ihm noch etwas die Trauer und die Scham. Er sei allerdings im Begriff auszusteigen. Dem Zweiten attestierte Althof «Konstanz in der Szenenabstinenz; und diese Konstanz bedeutet in diesem Fall Entwicklung.»
Die beiden Verteidiger, Christian von Wartburg und Markus Trottmann, machten vor allem geltend, dass ihre beiden Mandanten vom Strafgericht letztlich für etwas verurteilt worden seien, das sie so nicht gewollt hätten, weil am Bahnhof Liestal eine andere Tat zur Ausführung gelangt, als zuvor geplant worden sei. Der beabsichtigte «Denkzettel» habe infolge Abwesenheit der «gegnerischen Ausländer» nicht verabreicht werden können, stattdessen seien zwei von der Skinheadgruppe ? aber nicht die beiden Angeklagten ? in einen richtigen Gewaltrausch geraten und hätten wahllos drei Unbeteiligte brutal zusammengeschlagen.
Darauf aber hätte sich der vorher gefasste Tat-Entschluss nicht bezogen. Der erste Angeklagte sei deshalb vom Vorwurf der schweren Körperverletzung freizusprechen und, so von Wartburg, wegen versuchten Angriffs und versuchter einfacher Körperverletzung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren zu verurteilen. Trottmann plädierte für den Chauffeur gar nur auf Gehilfenschaft und für eine Geldstrafe von 240 Tagessätzen.
Milde Urteile. Staatsanwalt Jörg Rudolf beantragte hingegen vollumfängliche Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils. Von einer Änderung des Tatplans könne nicht die Rede sein. Unterstützt wurde er dabei von Opferanwalt Nikolaus Tamm, der die erstinstanzlichen Urteile als sehr milde bezeichnete. Das Kantonsgericht fällt heute Mittwoch das Urteil.