Aargauer Zeitung vom 06.09.2010
Mittlerweile regen sich Österreichs Rechte über die «ständigen Provokationen» auf und rufen nach mehr «Sachlichkeit». Vor dem Hintergrund des Grazer Uhrturms schiessen Moscheen und Minarette aus dem Boden. Mit einem Mausklick lassen sie sich stoppen. Das Online-Game der Schweizer Werbeagentur Goal wurde von Österreichs Justiz verboten.
Manfred Maurer, Wien
Das von der erfolgreichen Schweizer Anti-Minarett-Initiative aus dem Jahr 2009 entlehnte Online-Spiel «Moschee Ba-Ba» sollte in der Steiermark den Landtagswahlkampf der FPÖ beflügeln. Nach fast 250000 Zugriffen binnen weniger Tage, einer hitzigen Debatte, in welcher sogar der gerade in Österreich weilende UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon seinen Unmut äusserte, heisst es aber mittlerweile «Game over»: Anders als in der Schweiz hat die österreichische Justiz dem rechtspopulistischen Treiben im Web einen Riegel vorgeschoben. Gegen Landesparteichef Gerhard Kurzmann läuft ein Verfahren wegen des Verdachts der Verhetzung und Herabwürdigung religiöser Lehren.
Knapp zwei Wochen vor der Wahl am 26.September steht allerdings fest: Der Grossangriff auf Moscheen und Minarette ist für die FPÖ zum Bumerang geworden. Nicht alle Parteigranden finden es nämlich toll, wie die FPÖ unter Bundesparteichef Heinz-Christian Strache immer mehr ins rechtsextreme Eck abdriftet. Der Steirer Kurzmann hat sicher kein Problem damit, ist er doch als Mitglied der Kameradschaft IV, einer Gruppe von Veteranen der Waffen-SS, intensiv mit Geschichtsklitterung beschäftigt. Kurzmann zufolge war die Waffen-SS «sicher nicht in ihrer Gesamtheit eine verbrecherische Organisation». Solange Kurzmanns Thesen und Aktivitäten nur in der Steiermark für Kopfschütteln sorgten, hielten sich kritische Parteifreunde in anderen Bundesländern zurück. Doch das in ganz Österreich heftig diskutierte Minarett-Spiel brachte das Fass zum Überlaufen.
«Dieses Spiel überspannt den Bogen»
So empfindet es der oberösterreichische FPÖ-Landeschef Manfred Haimbuchner als «Ärgernis, wenn man sich als freiheitlicher Spitzenpolitiker ständig für Provokationen rechtfertigen muss, mit denen auch ein Grossteil unserer Funktionäre nichts anfangen kann». Mit dem Ärgernis meint er Kurzmanns Spiel und findet: «Man sollte sich Aufmerksamkeit durch Sachlichkeit verschaffen, nicht durch ständige Provokationen.» Auch aus der niederösterreichischen FPÖ tönt Kritik. «Dieses Spielchen überspannt mei- ner Meinung nach schlicht den Bogen», schreibt der FPÖ-Abgeordnete Christian Höbart in einem auch Medien zugeleiteten Brief an den steirischen Parteichef.
Nicht, dass Kurzmanns Kritiker nicht auch gegen Moscheen und Minarette wären. Aber manche FPÖler sehen die Gefahr, wie bei der Bundespräsidentenwahl im April abzusaufen. Da hatte die FPÖ mit Barbara Rosenkranz eine schwere Schlappe eingefahren. Die für ihren rechtsextremen Hintergrund bekannte Dame hatte sich im Wahlkampf das NS-Verbotsgesetz infrage gestellt. Die Österreicher mögen zwar konservativ und alles andere als islamfreundlich sein, aber extremistisches Gehabe schreckt sie auch ab.