Berner Oberländer vom 22.08.2009
Die Pnos Berner Oberland gründete im Juni 2009 eine Jugendsektion namens HJ. Ihre Mitgliederzahl ist gestiegen. Die Rechtsextremen sind im Oberland im Vormarsch. Sie scheinen weniger kriminell, dafür politischer zu werden.
Christoph Kummer
«Das Berner Oberland ist eines der Zentren der rechtsextremen Szene in der Schweiz», sagt Hans Stutz. Der Luzerner ist Journalist und Beobachter der rechtsextremen Szene. «Diverse Gruppierungen, vor allem die Pnos, organisieren immer wieder Anlässe hier. Verschiedene Exponenten stammen aus dem Berner Oberland.» Er stützt damit die Beobachtungen von Linksaktivisten, wonach sich Rechtsextreme in der Region etabliert haben. Die Autonomen Gruppen Oberland (AGO) haben deshalb den August zum «antifaschistischen Aktionsmonat» erklärt. Grund für diese Zeitung, in einer dreiteiligen Serie die extreme Szene im Berner Oberland – sowohl die rechte als auch die linke – zu beleuchten (vgl. Kasten).
Fakt ist, dass die Neonazis Zulauf haben. «Die bekannte rechtsextreme Szene im Kanton Bern hat sich in den letzten beiden Jahren von zirka 200 auf rund 250 Personen erhöht», sagt Thomas Jauch, Sprecher der Kantonspolizei. «Im Berner Oberland ist in den letzten zwei Jahren eine leichte Zunahme bei den Mitgliedern der Pnos zu verzeichnen. Insbesondere bei deren Mitläufern.» Wie viele im Berner Oberland jedoch «braun» gesinnt sind, könne auf Grund der grossen Fluktuation innerhalb der Szene nicht bemessen werden. Hans Stutz fällt auf, dass die Rechtsextremen vor allem für Veranstaltungen viele Personen mobilisieren können. «Rund hundert Personen waren angeblich dabei, als die Pnos Sektion Berner Oberland vor einer Woche ihr dreijähriges Bestehen feierte.» Beispiele gibts auch aus dem Jahr 2008: In Wimmis besuchten im März über hundert Neonazis ein Konzert. Die Kantonspolizei kontrollierte und fand verbotene Waffen und Feuerwerkskörper. Ein Neonazi-Aufmarsch ging im selben Monat auch in Unterseen über die Bühne: Ein deutscher Rechtsradikaler referierte vor 40 Personen.
Pnos soll etabliert werden
Ein Grund für die Zunahme bei den Mitgliederzahlen ist offenbar, dass die Pnos – die Abkürzung steht für Partei national orientierter Schweizer – aktiver wird. Laut Hans Stutz hat die Pnos Berner Oberland am 25.Juli an einem Stand in Spiez Flugblätter verteilt. Es sind auch schon CDs mit Neonazi-Rockmusik an Schüler und Passanten in Thun, Spiez, Interlaken angeboten worden. Ob die Pnos dahinterstand, ist unbekannt.
Die Partei versucht auch, mit Internetseiten, Konzerten, einem Versandhandel und Demonstrationen auf sich aufmerksam zu machen. Laut der Polizei greift die Pnos in letzter Zeit vermehrt politische Themen auf und veröffentlicht Parolen für bevorstehende Abstimmungen. «Das Ziel dürfte eine Etablierung als offizielle Partei sein.»
HJ im Juni gegründet
Weiter bemüht sich die Pnos vermehrt darum, Jugendliche für ihr Programm zu gewinnen. Im Juni ist die Helvetische Jugend Oberland gegründet worden. Der Name wird von den Initianten mit HJ abgekürzt. Das stand einst auch für Hitlerjugend, die Jugendorganisation in Nazideutschland. Mit solchen Unter- und Jugendgruppen sichere sich die Pnos nicht nur den nötigen Einfluss bei jungen Leuten, sondern baue auch ganz allgemein den Interessentenkreis immer weiter aus, hält die Polizei fest.
Die Oberländer Neonazis pflegen auch Kontakte zur Szene in Nachbarländern. Laut Polizei vor allem zur Nationaldemokratischen Partei in Deutschland. Eine eigentliche Zusammenarbeit gibt es offenbar nicht, aber gegenseitige Besuche.
Trotz diverser Verknüpfungen scheinen die Neonazi-Verbünde nicht besonders straff organisiert zu sein. Auffallend ist, dass es immer wieder zu Wechseln in den Vorständen kommt, auch bei der Pnos im Oberland. Mario Friso, der stellvertretende Vorsitzende, ist im Juni zurückgetreten. Seine Nachfolge trat der erst 18-jährige Marcel Gafner aus Einigen an. Laut der Polizei sind abgetretene Pnos-Vorstandsmitglieder trotz des Rücktritts fast immer noch im Hintergrund aktiv. «Teilweise haben sie sich gar zu eigentlichen Ideologen der Pnos gemausert.»
«Gewaltbereite Cliquen»
Auch wenn die rechtsextreme Szene wächst, fristet sie in der Schweiz ein Nischendasein. So stellt sich die Frage, ob von ihr überhaupt eine Gefahr ausgeht. «Nicht organisierte Cliquen sind, besonders in der direkten Konfrontation mit Linksextremen und Ausländern, nach wie vor gewaltbereit», sagt Polizeisprecher Thomas Jauch. In den letzten zwölf Monaten seien im Berner Oberland mehrere rassistische Vorfälle von der Polizei untersucht worden. Hermann Jutzi, Polizeichef in Thun, ergänzt: «Es gibt zwischendurch kleinere Rempeleien.» Inwieweit es sich um rassistische Auseinandersetzungen handle, sei aber schwierig abzuschätzen. Anders noch 2003. Damals machten Neonazi-Trupps das Thuner Nachtleben unsicher, es kam zu mehreren Schlägereien und anderen Delikten. In Erinnerung bleibt auch der Mord an Marcel von Allmen in Unterseen im Jahr 2001, verübt durch den Geheimbund Orden der arischen Ritter.
Auch national nahm die Anzahl der Delikte in den letzten zwei Jahren ab. Das besagen zumindest die Berichte der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus und des Bundesamtes für Polizei. «Die Anzahl rechtsextrem motivierter Ereignisse nahm im Jahr 2008 im Vergleich zu 2007 um rund 30 Prozent ab», schreibt das Bundesamt im Bericht zur inneren Sicherheit. Doch Hans Stutz warnt. Gefahr drohe nicht nur von gewalttätigen Mitläufern, sondern vor allem auch von Aktivisten in der Politik. «Die Szene hat es an einigen Orten sogar geschafft, Parlamentssitze zu erringen.» Beispielsweise im Stadtrat von Langenthal. «So wird das diskriminierende Gedankengut in politische Gremien getragen. Und das ist eine unerfreuliche Entwicklung.»
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Serie
Diese Zeitung beleuchtet in drei Teilen das Thema «Extremismus im Berner Oberland». Der erste Teil ist den Fakten zum Rechtsextremismus gewidmet. Im zweiten Teil, der nächste Woche erscheint, stellt sich der rechte Aktivist Mario Friso aus Spiez einem Interview. Der dritte Teil beschäftigt sich mit den Linksextremen und lässt zwei Autonome aus der Region zu Wort kommen.