Aus dem Verkauf genommen: Computerspiel «Wolfenstein»
Geroldswil – In der Schweizer Hitliste der PC-Spiele liegen sie auf den vordersten Plätzen: Die Strategiespiele «Return to Castle Wolfenstein» und «Medal of Honor» sind besonders bei Jugendlichen ein Renner. Doch jetzt nimmt Media Markt die Spiele aus dem Verkauf. Von der SonntagsZeitung auf deren Inhalt aufmerksam gemacht, lässt der Fachmarkt die Spiele prüfen – dasselbe tut das Bundesamt für Polizei (BAP). Schauplatz der beiden Spiele ist der Zweite Weltkrieg. Ausgerüstet mit Maschinengewehren, Pistolen und Messern kämpft der Spieler gegen das Nazi-Regime. Gen-Experimente zur Züchtung hirnloser Zombie-Soldaten gehören ebenso zum Spielverlauf wie Folterszenen. «Wir klären ab, ob die Spiele gegen die Rassendiskriminierungs-Strafnorm verstossen oder ob sie unverhältnismässige Gewaltdarstellungen enthalten», sagt Jürg Bühler vom Dienst für Analyse und Prävention beim BAP. Gegebenenfalls werde der Fall an die Untersuchungsbehörden des zuständigen Kantons weitergeleitet. Heinz Kaiser vom «Forum gegen Gewalt» hat die Informationen über die Spiele gesammelt und der Kantonspolizei Aargau übergeben. Für ihn ist der Sachverhalt klar: «In den Spielen kommen zuhauf Nazi-Embleme, Hitlergrüsse und Schriftzüge wie vor.» Besonders Jugendliche könnten sich davon negativ beeinflussen lassen, ist er überzeugt. In Deutschland hat die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPjS) die amerikanischen Versionen von «Return to Castle Wolfenstein» und «Medal of Honor» indexiert: Der Verkauf an Minderjährige und via Versand ist damit verboten, Werbung für die Produkte untersagt. Die deutsche Fassung von «Wolfenstein» prüft die BPjS derzeit. Die Spiel-Firma hat diese Version bereits entschärft und auf Nazi-Sujets und die Namen Hitler und Himmler verzichtet. Anders als in Deutschland existiert in der Schweiz keine Prüfstelle wie die BPjS. Das BAP wird nur aktiv, wenn es Material erhält. Die Verkaufsstellen tun sich ebenfalls schwer mit der Kontrolle. «Wir haben Hunderte von Spielen im Sortiment, da ist es unmöglich, alle zu überprüfen», sagt Urs Spahr, Marketingleiter von Media Markt. «Wir müssen uns darauf verlassen, dass unser Lieferant keine ungeprüften Spiele verkauft.» Erhalte Media Markt Hinweise, gehe man diesen aber unverzüglich nach. So hat der Discounter die betroffenen Spiele vorläufig aus dem Verkauf zurückgezogen und die Werbetexte vom Netz genommen. Dort machte der Fachmarkt mit den Beschrieben der englischen «Wolfenstein»-Version Werbung für die deutsche entschärfte Variante. Welche Auswirkungen Gewalt in Computerspielen auf Jugendliche haben kann, weiss Heinz Bonfadelli, Professor am Publizistischen Institut der Universität Zürich, der sich seit Jahrzehnten mit dem Thema beschäftigt: «Es gilt als erwiesen, dass häufiges Spielen solcher Spiele und aggressives Verhalten im Alltag zusammenhängen», sagt er. Besonders gefährdet seien sehr junge Spieler. Auch die Teilnehmer der 16. Konferenz der Spiele-Entwickler, die kürzlich in San Jose tagten, kamen zum Schluss: «Die Spiele sind zu gewalttätig.» Als problematisch bezeichneten die Entwickler den Multiplayer-Modus, bei dem zwei Gruppen gegeneinander spielen. Dabei schlüpft ein Teil der Spieler in die Rolle der Nazis und versucht, die Amerikaner niederzumetzeln. Klarere Vorgaben könnten bald vom Bund kommen: Eine Arbeitsgruppe schlug letzte Woche in ihrem Bericht vor, dass die Verwendung von rassendiskriminierenden Zeichen wie etwa dem Hakenkreuz strafrechtlich verfolgt werden kann.Claudia Imfeld