«M. ist eine sehr starke Führerpersönlichkeit»

BernerZeitung

Der Haupttäter Marcel M. ist «überdurchschnittlich intelligent», eine «sehr starke Führerpersönlichkeit» und «kaum zu echten Emotionen fähig»: Das sagt Gerichtspsychiater Volker Dittmann.

Stefan Geissbühler

«Ich habe bei Marcel M. keine psychischen Störungen festgestellt, die sich zur Tatzeit auf seine Zurechnungsfähigkeit ausgewirkt hätten»: Das stellte gestern Volker Dittmann, Professor für forensische (gerichtliche) Psychiatrie und Rechtsmedizin an der Universität Basel, im Gerichtssaal fest.

«Ich war wie in Trance»

Zwar habe Marcel M. ausgesagt, dass er das «eigentliche Tötungsdelikt wie in Trance» begangen habe und dass «wir alle von einem Sog weggerrissen wurden und uns nicht mehr wehren konnten oder wollten». Das sei aber lediglich als nachträglicher Versuch zu werten, die schreckliche Tat zu erklären, hielt der Psychiater fest. Marcel M. – und auch die Mitangeschuldigten – sei bei der Tötung des 19-jährigen Marcel von Allmen voll zurechnungsfähig gewesen.

«Er plant vorausschauend»

Dittmann zeichnete in der Folge das Bild der Persönlichkeit des Haupttäters – ein Bild, welches bei Prozessbeobachtern zustimmendes Kopfnicken auslöste: «Marcel M. neigt dazu, sich stets von seiner besten Seite zu zeigen, er plant vorausschauend, gibt sich kontrolliert und versucht, alles rational zu analysieren. »

Doch in diesem Bild gebe es «Brüche, Risse», führte der Psychiater aus. Trotz eines hohen Intelligenzquotienten von 119 Punkten blende Marcel M. «historische Wahrheiten aus oder deutet sie aus Sicht seines Weltbildes um». So habe Marcel M. ihm gegenüber das «verbrecherische Naziregime relativiert und die Judenverfolgung teilweise gerechtfertigt», sagte Dittmann gestern. «Das gipfelte in der Behauptung, dass die Juden im Grunde genommen Adolf Hitler die Gründung des Staates Israel verdanken würden», stellte der Psychiater kopfschüttelnd fest.

«Kaum zu Emotionen fähig»

Marcel M. sei «kaum zu echten Emotionen fähig». Zwar habe Marcel M. ein «gewisses Bedauern» über seine Tat gezeigt, «starke Emotionen habe ich dabei aber bei ihm nicht registriert», führte der Psychiater aus. Und: «Marcel M. hat eine sehr starke Führerpersönlichkeit. » Das hätten die Mittäter und Mitglieder des «Ordens der arischen Ritter» Renato S. , Michael S. nd Alexis T. bestätigt.

«Es gehört zur menschlichen Natur, dass sich in Gruppen Führungspersonen bilden», stellte Dittmann zum Thema Gruppendynamik fest. Dazu brauche es eine Person, die sich aktiv als Führer präsentiere, und auf der anderen Seite passive Personen, die sich führen lassen wollten. So ähnlich sei das auch im «Orden der arischen Ritter» abgelaufen.

«Eigene Regeln aufgestellt»

Und: «Findet sich eine Gruppe konspirativ zusammen und grenzt sie sich von der Gesellschaft ab, entsteht Isolation», sagte Dittmann. Und diese Isolation führe dazu, dass eigene Regeln plötzlich wichtiger würden als gesellschaftlich akzeptierte Regeln.

Zur Erinnerung: Marcel von Allmen musste sterben, weil er das Schweigegelübde des «Ordens der arischen Ritter» gebrochen hatte.