Die Weltwoche
Sie wird nicht besonders stark wahrgenommen, Miss Schweiz Whitney Toyloy. Die
18-Jährige aus Yverdon vermutet, das liege an der barrière de rösti. Und hat
dennoch ihre Liebe zu den Deutschschweizern entdeckt.
Von Bettina Weber
Wenn man sich Artikel über Sie anschaut, fällt auf, wie wenig sich die Deutschschweizer
Medien im Vergleich mit den welschen für Sie zu interessieren scheinen. Es gab zwei
mittelgrosse Interviews, sonst nur Kurzmeldungen. Was ist da los?
Ich weiss es nicht. Es enttäuscht mich auch ein wenig. Der Miss-Schweiz-Organisation ist das
ebenfalls aufgefallen, wir haben keine Ahnung, weshalb dem so ist.
Könnte es daran liegen, dass Sie Welsche sind?
Sie meinen, comment-dit-on . . . la barrière de rösti?
Genau. Ist der Röstigraben schuld?
Das könnte tatsächlich sein. Eine Deutschschweizer Miss ist bei uns ja auch nicht ganz so
bekannt wie hier.
Mögen Sie die Deutschschweizer?
Ganz ehrlich: Bevor ich Miss Schweiz wurde, hielt ich die Deutschschweizer für kalt,
unfreundlich und unzugänglich. Jetzt, wo ich viel hier arbeite, muss ich mein Urteil revidieren.
Und obschon ich in meinem Herzen Welsche bin, muss ich sogar zugeben: Die Deutschweizer
arbeiten mehr als wir… (lacht). Wenn ich früher die Nase gerümpft habe über die Suisses
allemands, hat mein Vater stets gesagt: «Geh eine Woche in die Deutschschweiz arbeiten, und
du wirst deine Meinung ändern.»
Woran liegt es denn, dass die Welschen uns nicht mögen?
Ich glaube, wir sind ein wenig neidisch. Weil: Wann immer etwas ist, ein Konzert oder
irgendwas Grosses, es findet stets alles in Zürich statt. Die Dominanz von Zürich ist ein
Problem. Und dann hat es sicher auch mit der SVP zu tun, die ja aus der Deutschschweiz
kommt, und wenn sie dann alle Abstimmungen gewinnt, dann regt man sich über die
Deutschschweiz auf und findet sie blöd.
Das Problem mit Zürich haben ja nicht nur die Welschen. Auch die Solothurner und St. Galler
und Basler stören sich an der Dominanz von Zürich.
Das ist wie bei uns mit Genf und Lausanne. Die Genfer meinen auch, es gebe nur Genf. Ich
mag Lausanne lieber. Wenn man in Genf sagt, man sei aus Yverdon, heisst es: «C’est où,
Yverdon?»
Sprechen die Welschen besser Deutsch oder die Deutschschweizer besser Französisch?
Ganz klar: Die Deutschschweizer besser Französisch. Sie versuchen es ja auch, die Welschen
vermeiden, wenn immer möglich, Deutsch zu sprechen.
Sie sprechen sehr gut Deutsch. Obschon es eine schwierige Sprache ist. Und dann kommt
noch hinzu, dass wir hier nicht Hochdeutsch sprechen, sondern Dialekt.
noch hinzu, dass wir hier nicht Hochdeutsch sprechen, sondern Dialekt.
Ich finde Französisch schwieriger. Was wir von den Deutschschweizern wirklich lernen können,
ist das Entgegenkommen: Wenn jemand auch nur ein bisschen Französisch kann, dann
versucht er, wenn ich nicht weiterkomme, mir das Ganze auf Französisch zu erklären. Er hilft
mir. Die Welschen machen das nicht. Und die Deutschschweizer sind auch grosszügiger: Wenn
wir Fehler machen, dann übersetzen sie oder finden uns süss. Welsche hingegen lachen über
die Deutschschweizer. Und das mit dem Dialekt stimmt so nicht: Die Leute sind nett und
sprechen sofort Hochdeutsch mit einem.
Könnten Sie sich vorstellen, in der Deutschschweiz zu leben?
Ich bin ja sogar in Dübendorf geboren! Also eigentlich bin ich gar keine Welsche, sondern
Dübendorferin. Aber doch, ich könnte es mir durchaus vorstellen. Jetzt noch nicht, aber später
vielleicht schon.
Ihr Vater ist Amerikaner und schwarz, Ihre Mutter Schweizerin und weiss. Kennen Sie dieses
Gefühl, zwischen den Stühlen zu stehen?
Nein, gar nicht. Weil wir ja immer in der Schweiz waren. Wenn ich also gefragt wurde, ob ich
mich mehr als Schweizerin oder als Amerikanerin fühle, war für mich immer klar: als
Schweizerin. Jetzt bin ich aber stolzer auf meine zweite Heimat als auch schon, während der
acht Jahre der Bush-Regierung sagte ich nicht so gerne, dass ich Amerikanerin bin. Jetzt mit
Obama natürlich schon. Seit Obama denken die Leute automatisch an ihn, wenn sie mich
beziehungsweise einen Mischling sehen.
Obama gilt als schwarz. Eigentlich ist er aber halb schwarz, halb weiss, er könnte also auch
sagen, er sei weiss. Was sagen Sie?
Ich sage immer, ich bin Mischling. Und bin extrem stolz, das zu sagen. Genauso wie zu sagen,
dass mein Vater schwarz ist. Wobei: Für mich ist das auch einfach, weil man es mir ansieht. Für
meine Schwester war das immer viel komplizierter, sie ist blond und hellhäutig. Und wenn sie
irgendwo sagte, dass ihr Vater Schwarzer sei, dann hat ihr das kein Mensch geglaubt, oder die
Leute sagten zu uns: «Jaja, ihr seid Halbschwestern.» Sie sieht aus wie meine Mutter; ich
hingegen habe von meiner Mutter nur die Beine geerbt.
Apropos Beine, und Ihre sind in der Tat sehr lang: Weshalb meldet sich eine junge, kluge Frau
für die Miss-Schweiz-Wahl an?
Das ist eine gute Frage! Es war immer ein Traum von mir, seit ich ein kleines Mädchen war.
Wenn ich mir die Wahl am Fernsehen angeschaut habe oder Fotos gesehen habe, dann sagte
ich mir immer: Oh, das muss so schön sein, das möchte ich auch. Die Anmeldung erfolgte
allerdings sehr spontan: Ich sass mit meiner Schwester am Computer, schaute mir das an und
fand: Okay, komm, das versuche ich jetzt. Ich hatte einfach Lust auf etwas Neues, eine komplett
andere Erfahrung zu machen. Und es war gut, weil ich jetzt genauer weiss, was ich später
machen will.
Schauspielerin werden?
O nein! Ich habe zwar fünf Jahre lang Theater gespielt, aber daraus möchte ich keinen Beruf
machen.
Was möchten Sie denn nun?
Früher schwankte ich zwischen Anwältin und etwas mit Kommunikation und Marketing. Jetzt
weiss ich, dass mich Kommunikation mehr interessiert.
weiss ich, dass mich Kommunikation mehr interessiert.
Haben Sie keine Lust mehr auf die Juristerei, weil der Sprecher der Pnos, der Sie als
«Geschwür» bezeichnet hat, freigesprochen wurde?
Nein. Es ist mir egal, was der gesagt hat.
Haben Sie vor der Beleidigung durch die Pnos schon ähnliche Erfahrungen gemacht?
Als ich noch nur Whitney war, meinen Sie? Das gabs schon, vor allem als ich klein war. Die
anderen Kinder waren manchmal sehr böse. Aber im Grunde plapperten sie einfach nach, was
sie bei ihren Eltern gehört hatten. Mehr als vor verbalen Attacken habe ich mich immer vor
einem körperlichen Angriff gefürchtet.
Weshalb haben Sie nicht geklagt?
Es wurde von Amtes wegen eine Untersuchung eingeleitet. Natürlich hätte ich das in eigenem
Namen tun können, aber ich sagte mir: Eine Verurteilung würde seine Meinung nicht ändern,
bloss wegen einer Busse wird er nicht davon abweichen. So jemanden kann man nicht ändern.
Sie sind vom Gymnasium direkt in die Glitzerwelt katapultiert worden. Machen Sie Ihren neuen
Job gerne?
Ja, sehr. Am Anfang war ich noch etwas unsicher, vor allem wegen der Sprache, ich hatte
Angst, etwas Blödes zu sagen. Da dachten die Leute, ich sei schüchtern. Aber das bin ich ganz
und gar nicht, ich bin im Gegenteil sehr extrovertiert. Was zu Beginn auch schwierig war: Ich bin
erst 18 und ein starker Charakter. Ich mag nicht so sehr, wenn mir jemand sagt, was ich zu tun
habe. Und am Anfang war das nicht ganz einfach, weil es so viel Arbeit gab und alles so neu
war. Aber ich mag den Kontakt zu den Menschen, wenn einen die Leute mit grossen Augen
anschauen und finden: «Wow, das ist die Miss Schweiz», dann finde ich das wirklich süss. Ich
habe viel Spass gehabt. Es macht mich ein wenig traurig, dass ich jetzt schon sagen muss: Ich
habe Spass gehabt. In einem Monat kommen schon die neuen Kandidatinnen.
Was war ganz anders, als Sie es sich vorgestellt hatten?
Es ist viel, viel, viel mehr Arbeit, als ich gedacht habe. Ich dachte, das sei mehr so ein Jahr lang
Ferien haben, aber das ist überhaupt nicht der Fall. Dieses Wochenende zum Beispiel habe ich
drei Tage frei, das ist eine super Woche. Die letzten Monate waren voll mit Arbeit, meist hatte
ich eine Sechs-Tage-Woche. Aber ich mag es, wenn etwas läuft. Lieber zu viel zu tun zu haben
als zu wenig.
Es war zu lesen, Sie würden sehr oft Ferien nehmen, und trotzdem haben Sie schon rund 300
000 Franken verdient.
Ah, ich weiss, es war sogar die Rede von einem Burnout. Aber «Miss Schweiz hat Burnout» ist
ja auch der spannendere Titel als «Miss Schweiz arbeitet». Ich habe dann Ferien genommen,
wenn ich dachte, es würde mir gut tun, das waren bis jetzt vier Wochen. Und sonst geht es mir
wie allen anderen: Es ist eine Arbeit, und manchmal hat man keine Lust darauf.
Wie viel von dem verdienten Geld fliesst am Ende tatsächlich in Ihre Kasse?
Da geht eine Menge weg! 15 Prozent an die Miss-Schweiz-Organisation, Steuern, AHV, BVG,
Spesen . . . Und 100 000 Franken davon waren Geschenke, wie zum Beispiel der Lancia oder
Schmuck.
Und was machen Sie mit dem Geld?
Ich möchte mir in zwei Jahren damit eine Wohnung kaufen.
Werden Sie manchmal unterschätzt?
Klar, das kommt vor. Ich verstehe nur nicht, weshalb. Wieso soll jemand, der schön ist, nicht
auch clever sein können?
Fanden Sie sich schon immer schön?
Nein, gar nicht. Ich bin wie andere Frauen, mich stört immer wieder etwas. Ich versuche jetzt
zum Beispiel, mehr Sport zu machen, weil ich ein paar Kilo zugenommen habe, um den Bauch
und die Hüften rum. Und mit 14 hatte ich schwere Akne, das war schlimm. Mein Freund sagt, ich
solle, wenn ich jeweils Schulen besuche, ein Foto aus jener Zeit mitnehmen, damit die Mädchen
sehen: Es kann alles passieren im Leben. Und es kommt besser.
«Ich dachte, das sei mehr so ein Jahr lang Ferien haben, aber das ist überhaupt nicht der Fall.»