St. Galler Tagblatt vom 26.08.2011
Das in der Ostschweiz geplante Treffen der rechtsextremen Europäischen Aktion wird von der Polizei beobachtet und verärgert unwissende Vorarlberger Hotelbesitzer. Die Organisatoren erwarten mindestens hundert Teilnehmer.
Genau lässt sich nicht sagen, wann die Europäische Aktion (EA), angeführt vom berüchtigten Schweizer Holocaust-Leugner Bernhard Schaub, gegründet wurde. «Ungefähr vor einem Jahr», sagt der Regensdorfer Pierre Schlenk, der die Schweizer Informationsstelle dieser «Bewegung eines neuen europäischen Selbstbewusstseins» betreut.
Kann sein, dass Schlenk in den nächsten Wochen viele Telefonate entgegennehmen muss. Die EA tritt nun nämlich erstmals aus dem dunkelbraunen Untergrund ins Licht einer breiteren Öffentlichkeit: Auf linken Internet-Plattformen ist die rechtsextreme Organisation unter spezielle Beobachtung geraten. Der Grund: Die EA lädt auf ihrer Homepage zu einem «Europa-Fest» ein, an dem am 10. September «im Raum St. Gallen» sozusagen die «Elite» der Holocaust-Leugner aus Deutschland und Österreich, England, Spanien, Schweden, Frankreich sowie Bulgarien auftreten soll – «alle aus dem deutschen Kulturkreis», wie Informationschef Schlenk meint.
«Den Standort nennen wir noch nicht», sagt Schlenk. Zu gross sei der Respekt vor der «politischen Opposition». Der 66-Jährige meint damit protestierende «Linksextreme, bei denen die Sicherheit nicht mehr gewährleistet ist». Im Gegensatz zu Schaub, der nicht mit den Medien spricht, erteilt Schlenk Auskunft. Ein weiterer Grund, weshalb kein Ort angegeben wird, seien Probleme beim Finden geeigneter Räume: «Wir erwarten mindestens hundert Teilnehmer aus ganz Europa.» Die Lokalität muss also genügend gross sein. Und wenige kommen in Frage: «Viele Vermieter von solchen Räumen wollen nichts mit uns zu tun haben.»
Hotels verärgert, Polizei wachsam
Das sei verständlich, meint Helene Bechter vom Hotel Landhaus Schiffle in Hohenems. Ihre Herberge ist nämlich mit rund 15 anderen, allesamt im grenznahen Vorarlberg, auf der EA-Internet-Einladung auf einer Liste der «vorgeschlagenen Übernachtungsmöglichkeiten». Die Hoteldirektorin wurde weder um Erlaubnis gebeten noch informiert. «Ein Mann aus Deutschland – von einer linken Gegenbewegung, wie er meinte – hat uns telefonisch darauf hingewiesen, dass wir auf dieser Liste stehen. Wir werden es demnächst der Polizei melden», sagt Bechter. Auch Besitzer anderer aufgelisteter Hotels oder Jugendherbergen reagieren verärgert und wollen nichts mit der EA zu tun haben. Die meisten haben allerdings keine Kenntnis von den möglichen unheimlichen Gästen.
Die St. Galler Kantonspolizei hat vom geplanten Treffen, das Rechtsextremisten aus vielen Ländern zusammenbringen soll, bereits vor einiger Zeit erfahren. «Und wir behalten die Entwicklungen im Auge», sagt Mediensprecher Hans Peter Eugster. Ob (und wie viele) Beamte vor Ort sein werden, gibt Eugster nicht preis: «Wir wollen uns nicht in die Karten schauen lassen.» Verhindern kann die Schweizer Polizei solche Treffen nicht – sofern sie in gemieteten Lokalen stattfinden und keine Hinweise darauf bestehen, dass Referate oder sonstige Aufführungen das Antirassismusgesetz brechen könnten. Die Gesetze in Deutschland und Österreich sind in dieser Hinsicht schärfer.
«Mit Rassismus nichts zu tun»
Die Abschaffung genau solcher Gesetze steht zuoberst auf der Liste der Wunschziele der EA. Jedoch meint Schlenk: «Mit Rassismus haben wir nichts zu tun. Wir sind vielleicht stärker rechtsorientiert, aber keine Rassisten, und wir wollen auch nichts mit Gewalt zu tun haben.» Die kleinste Internet-Recherche lässt anderes befürchten: Schaut man sich etwa auf der Video-Plattform «YouTube» den Clip zu dem von Schaub geschriebenen «Europa-Lied» an – und anschliessend andere Videos des gleichen Benutzers, der dieses Lied ins Internet gestellt hat –, stockt kurz der Atem. Da sieht man eine selber erstellte Diaschau mit den «10 weltbesten Scharfschützengewehren», darunter einen Lauftext mit frustriertem rassistischem Gedankengut, mit einer klaren Trennung zwischen «Weiss» und «Schwarz».
Erregt dies bei einer angeblich «nicht rassistischen» Gruppierung, in Anbetracht des Massenmords in Norwegen, keine Besorgnis? «Natürlich tut es das», sagt Schlenk. Doch er wisse nicht, ob die entsprechende Person (die im übrigen Videos für die EA zusammenschneidet) letztlich Mitglied der Organisation sei. «Es ist gerade bei einer weitläufig verstreuten Organisation manchmal schwierig», meint Schlenk, «immer den genauen Überblick über die Tendenzen einzelner Mitglieder zu behalten.»
Ob die Veranstaltung unter all diesen Umständen tatsächlich im anvisierten Raum St. Gallen – oder wo auch immer – stattfindet, ist fraglich. Marco Kamber
Unbeirrbar für ein reinrassig weisses Europa
Der Holocaust-Leugner Bernhard Schaub strebt mit seiner Europäischen Aktion eine internationale Dachorganisation von Rechtsextremen an.
Bernhard Schaub, Anführer der Europäischen Aktion EA, war schon mehrmals in der Ostschweiz aktiv. Seit längerer Zeit verbreitet der Holocaust-Leugner, der zeitweilig in Kreuzlingen lebte, seine Schriften über seinen Ghibellinum-Verlag, erreichbar über ein Postfach in Eschenz. Unter diesen Schriften auch eine 60seitige Broschüre über Ziele und Aufbau der EA. Der Verlag vertreibt auch eine DVD-Aufnahme jenes Vortrages, den Schaub Ende Oktober 2009 in einer St. Galler Olma-Halle gehalten hat. An der Tagung der Anti-Zensur-Koalition, organisiert vom sektiererischen Christen Ivo Sasek aus Walzenhausen, referierte Schaub über «Tabus», sprach von der «Auschwitz-Keule» und erging sich – teils unter grossem Applaus – in antisemitischen Mutmassungen.
Mit Mahler und Ahmadinejad
Schaubs Europäische Aktion beansprucht nun Wirkung weit über die Ostschweiz hinaus. Sie will als «organisierte Bewegung» einen Zusammenschluss von Rechtsextremisten aus ganz Europa erreichen. Die Einladung für das «Europa-Fest» wird denn auch in acht Sprachen verbreitet, von Deutsch über Französisch und Englisch bis Schwedisch und Ukrainisch. Am «Europa-Fest» wird Schaub als «Leiter der Europäischen Tagsatzung» auftreten. Er ist seit längerem international tätig, vor allem in Deutschland. Zusammen mit Horst Mahler, einst RAF-Anwalt, heute wegen Holocaust-Leugnung im Gefängnis, agierte er vor Jahren für die «Reichsidee» und die Wiedereinführung eines «Deutschen Reiches».
Im Dezember 2006 trat Schaub auch in Teheran auf, an einer von Irans Präsidenten Mahmud Ahmadinejad organisierten Konferenz von Holocaust-Leugnern, dabei auch die Engländerin Michèle Renouf, die ebenfalls am geplanten «Europa-Fest» auftreten soll. Ab November 2003 amtete Schaub als Vorsitzender des «Vereins zur Rehabilitierung der wegen Bestreiten des Holocausts Verfolgten» (VRBHV), dies bis kurz vor dem Verbot Ende 2008.
Das erste bedeutende Ziel der EA ist die Aufhebung des «Volksverhetzungs»-Paragraphen in Deutschland, des «Verbotsgesetzes» in Österreich und des Antirassismus-Gesetzes in der Schweiz. Der Holocaust sei, so schreibt Schaub, zu «einer Art Weltreligion» erhoben worden. Schaubs Holocaust-Leugnung dient offensichtlich der Absicht, nationalsozialistische Anschauungen wieder politikfähig zu machen. Schaub behauptet denn auch, dass Nazi-Ansichten, ob zu «Rassenfragen im allgemeinen oder der Judenfrage im besonderen, ob Überfremdung oder autoritäre Staatsform oder autoritäre Erziehungsmethoden, ob deutsche Leitkultur oder deutsche Volkslieder und Volkstänze», früher «auch die Ansicht jeden normalen Bürgers» gewesen seien.
Ein Europa nur für Weisse
Die EA strebt ein homogenes Europa von Menschen weisser Hautfarbe an. Aussereuropäische Einwanderer, die Schaub gelegentlich «Zivil-Okkupanten» nennt, sollen abgeschoben werden, ebenso ihre Lebensgefährten: «Weisse Ehegatten begleiten ihre Partner, Mischlinge siedeln sich in der Heimat ihres farbigen Elternteiles an.» Auch sollen Eingebürgerte wieder ausgebürgert und damit vertrieben werden.
Das Ziel ist eine «Europäische Eidgenossenschaft», die «aussen- und verteidigungspolitisch» als Grossmacht auftritt, ansonsten die Macht den einzelnen Nationalstaaten überlässt. Nicht als Demokratien, sondern als Diktaturen. Die EA nennt es «Gefolgschaftsprinzip» oder auch «Meritokratie», will heissen «die gesellschaftliche Vorherrschaft einer durch Leistung und Verdienste ausgezeichneten Volksschicht». Für die EA entwirft Schaub auch eine geopolitische Neuordnung der Welt. Diese bedeutete die Vertreibung und Neuansiedlung von vielen Millionen Menschen; so will die EA, dass 90 Prozent aller Juden nach Südsibirien auswandern, da ihre Vorfahren aus dem «Chasaren-Reich» stammen würden.
Neben den politischen Reden planen die EA-Organisatoren einen festlichen Abend mit Volksmusik, Volkstänzen und einer «Aufnahmefeier für neue Mitstreiter». Auch sollen alle das von Schaub verfasste «Europa-Lied» singen, in dessen zweiter Strophe es heisst: «Weiss ist das Land, rein ist die Hand.»
Trachten und Verschwörungstheorien
Solch nationalsozialistisch inspirierter Klimbim verlangt nach einer Kleiderordnung: Die Teilnehmer sollen «Trachten oder andere volkstreue Kleider» tragen, zumindest «weisse Hemden» und die Frauen «Röcke». Unerwünscht sind hingegen «Nato-Uniformstücke» und «Monturen pubertärer angloamerikanischer Subkulturen». Naziskins müssen sich also als biedere Normalos verkleiden, falls sie überhaupt an diesem Volkstum- und Kostümball teilnehmen wollen.
Wenn man Schaub glauben will, dann hat die EA bereits wichtige Gegner. Drei Tage nach Anders Breiviks Massenmord, bezeichnet Schaub in einem EA-Flugblatt die Tat als «durchsichtige Geheimdienstaktion», die sich gegen die «entstehende europäische Widerstandsbewegung gegen Globalisierung und Nivellierung» richte. Hans Stutz