Im Frühsommer vergangenen Jahres trat ein 60-jähriger deutscher Staatsangehöriger an einen Schalter auf dem Strassenverkehrsamt des Kantons Thurgau und verlangte, dass ihm nach Vorweisen seines «Reichsführerscheins» eine gleichwertige Schweizer Fahrerlaubnis ausgestellt werde. Das Schalterpersonal nahm den «Reichsführerschein» im Kreditkartenformat entgegen. Gedruckt sei dieser von der «Reichsdruckerei» im Jahr 2005 und ausgestellt im gleichen Jahr von der «Reichsmeldestelle» in Hamburg, wie es auf dem Dokument hiess.
Zum Verdruss des Gesuchstellers beurteilte der kriminaltechnische Dienst der Kantonspolizei Thurgau den «Reichsführerschein» als Fantasieprodukt, eine Umwandlung in eine schweizerischen Fahrausweis sei amtlich zu verweigern. Dagegen legte der Gesuchsteller Rekurs ein. Zuerst bei der Rekurskommission für Strassenverkehrssachen des Kantons Thurgau. Später, nach einem erneuten negativen Entscheid, auch beim Bundesgericht. Das Bundesgericht wies die Beschwerde des Deutschen ab, und es teilte im Urteil vom 9. Januar mit, dass es auf das Argument der «völkerrechtlichen Fortexistenz des Deutschen Reiches» nicht eingehen wolle.
Laut dem Thurgauer Strassenverkehrsamt hat der Mann die Schweiz nach knapp zweijährigem Aufenthalt nun wieder verlassen – mit Reichsführerschein.
In Deutschland ist er nicht der Einzige, der mit einem solchen Dokument unterwegs ist. In der deutschen Presse finden sich seit mehreren Jahren Meldungen über Personen, die wegen Fahrens mit einem «Reichsführerscheins» verurteilt worden sind.
BRD nicht anerkannt
Aussteller der Ausweise sind sogenannte Kommissarische Reichsregierungen und im Thurgauer Fall wohl die «Interimspartei Deutschland», deren Programm «Radikal im Recht» per Post im Thurgauer Strassenverkehrsamt eintraf. Es sind dies nach Einschätzung des deutschen Bundesverfassungsschutzes Gruppierungen revisionistischer Rechtskonservativer bis Rechtsextremer, die, fussend auf einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1973, davon ausgehen, dass «das Deutsche Reich den Zusammenbruch von 1945 überdauert» hat, wie es in besagtem Urteil heisst. Die Regierung der Bundesrepublik anerkennen sie genauso wenig wie deren Ausweise, weswegen sie sowohl die «Regierungsarbeit» als auch die Ausweisproduktion selber besorgen.
Laut dem Strassenverkehrsamt Thurgau ist ihr enttäuschter Kunde allerdings ein Einzelfall. Eine «Kommissarische Reichsregierung im Exil» habe sich im Thurgau nicht angesiedelt. Die Kosten für das Bundesgerichtsurteil von 1000 Franken wurden dem nicht anerkannten «Reichsbürger» auferlegt.