«Provokation gehört zur Politik»

 

St. Galler Tagblatt vom 19.1.2010

Er ist umtriebig und politisiert am rechten Rand seiner Partei: Der 20jährige Anian Liebrand, Chef der Jungen SVP Luzern, provoziert – zum Beispiel mit Musterbriefen für Schweizermacher oder Kritik an einem Holocaust-Gedenktag.

 

Ueli Bachmann

Zurückhaltung ist nicht Sache von Anian Liebrand. Der heute Zwanzigjährige, der meist ein Käppi mit Schweizerkreuz trägt, hat vor kurzem die Wirtschaftsmittelschule abgeschlossen und absolviert zurzeit die Rekrutenschule. Von seiner Partei wird er als Senkrechtstarter gefeiert. Ausserhalb gilt er als militanter Hardliner, wie eine regionale Zeitung die «schillerndste Figur der Luzerner Politik» beschrieb.

Mit 16 zur Jungen SVP

Erstmals aufgefallen ist Liebrand in den eigenen Reihen als Koordinator für die erfolgreiche Abstimmungskampagne gegen einen 20-Millionen-Beitrag des Kantons Luzern an die Fusion von Luzern und Littau. Das hat ihm inzwischen das Amt des PR-Chefs der SVP Luzern eingetragen. Es ist nur eine von rund einem Dutzend Funktionen und Mitgliedschaften des umtriebigen Jungpolitikers, der bereits als 16-Jähriger in die Partei eingetreten war, weil er sich über den «linken Mainstream» und das «dauernde Anschwärzen der SVP» an der Kantonsschule genervt hatte. Vergangenes Jahr rückte Liebrand ins Blickfeld einer breiten Öffentlichkeit mit provokanten Stellungnahmen – etwa zum Holocaust-Gedenktag an einer Luzerner Kantonsschule, an der nicht die «einzigartige Schweizer Geschichte» gelehrt wird, sondern den «Schweizern eine Mitschuld untergejubelt wird», wie er in einem Mail schrieb. Er wehrte sich gegen das Einreiseverbot des für seine rechtsextremen Texte bekannten kroatischen Sängers Marko «Thompson» Perkovic; dazu liess er der kroatischen Botschaft ein «Entschuldigungsschreiben» zukommen für das «unwürdige Verhalten» der Schweizer Behörden. Er schrieb «Raser köpfen» auf ein Plakat zur Annahme einer Bussen-Initiative und setzte auf ein Plakat ein Minarett neben die Kapellbrücke.

Anleitung für Schweizermacher

Das alles trug dem Chef der Jungen SVP heftigste Proteste ein. Es hinderte ihn aber nicht, beim Lieblingsthema seiner Partei, den Einbürgerungen, noch eins draufzusetzen. Liebrand verschickte an Gesinnungsgenossen einen Musterbrief mit einer Anleitung, wie Ausländern der Schweizer Pass verwehrt werden kann. Bei dem inzwischen auch vom Parteiunabhängigen Informationskomitee (Pikom) verbreiteten Musterbrief muss nur der Namen des Gesuchstellers eingesetzt werden. Die Ablehnungsgründe liefert Liebrand zum Einsetzen gleich mit: Keine Integration oder wenig gesellschaftliche Aktivitäten, mangelnde, kulturfremde oder «machohafte» Strukturen, unanständiges, unflätiges sowie gewaltbereites und -verherrlichendes Verhalten. Mit dem Musterbrief handelte sich Liebrand eine Klage wegen Rassendiskriminierung ein. Die Klage wurde jedoch abgewiesen, was Liebrand veranlasste, den Musterbrief sofort auch auf der Homepage der Jungen SVP Luzern aufzuschalten und auf die Kläger wortreich einzudreschen.

Ziel: Berufspolitiker

Auch während der Rekrutenschule findet Liebrand Zeit, neue Themen zu beackern. So baut er den Widerstand gegen das E-Voting im Kanton Luzern auf, oder er gibt scharfe Kommentare ab zu einem Hausfriedensbruch einer «linksextremen» Luzerner Aktionsgruppe. Bei seinem Kampf gegen das E-Voting findet er bei der Mutterpartei wenig Gehör. Und auch sein «Entschuldigungsschreiben» stand etwas schief in der SVP-Landschaft, erst recht nach der Minarettabstimmung. Das sei möglicherweise etwas zu gewagt gewesen, räumt Liebrand ein. «Aber Provokation gehört nun mal zur Politik.» Für ihn steht fest: Er will die Politik dereinst zum Beruf machen. Nach der Rekrutenschule und einem Zwischenjahr will er ein Studium in Angriff nehmen – den Grundstein für die politische Laufbahn hat er bereits gelegt.