Tages-Anzeiger vom 15.02.2013
Er kam für den Hitlergruss ins Gefängnis, schmuggelte Waffen und lebt heute in der Schweiz: Ein ehemaliger deutscher Rechtsextremer wurde wegen Verbindungen zur Terrorgruppe NSU von der Polizei verhört.
Er wirkt unscheinbar, die Lederjacke trägt er adrett zur dunkelblauen Jeans, sein Haar ist schon etwas schütter. Jochen Demmler* ist 49 Jahre alt und lebt in der Nähe von Basel. Ursprünglich stammt der Handwerker aus dem Osten Deutschlands, 2008 zog er in die Schweiz. Noch heute hält der Deutsche nicht hinter dem Berg, wenn es um seine Gesinnung geht. «Ein Nazi bin ich nicht mehr, eine rechte Ideologie habe ich aber immer noch», sagt er im Interview mit der BaZ.
Das war früher anders. Als Jochen Demmler noch in der Nähe von Zwickau lebte, war er ein bekennender Rechtsextremist. 1987, noch zu Zeiten der DDR, musste er eine neunmonatige Gefängnisstrafe absitzen, «weil ich den Hitlergruss zeigte», wie er erzählt. Doch das ist nicht der Grund, weshalb Demmler von der Baselbieter Polizei zum Verhör vorgeladen wurde. Demmler gehörte zum weiteren Umfeld des selbst ernannten Nationalsozialistischen Untergrunds, kurz NSU. Jahrzehntelang zog das Zwickauer Terrortrio Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt mordend durch Deutschland. Zehn Menschen fielen ihnen zum Opfer (siehe Infobox).
NSU-Trio an Veranstaltungen gesehen
Wie der «Tages-Anzeiger» diese Woche schreibt, reichen die Ermittlungen zur Mordserie bis in die Schweiz. Der deutsche Verfassungsschutz ersuchte in sechs Fällen um Rechtshilfe. Konkret geht es um die Befragung rechtsextremer Zwickauer, die mittlerweile in den Kantonen Graubünden, Zürich und dem Baselbiet leben. Demmler ist von der Baselbieter Kantonspolizei in Liestal zwei Stunden lang als Auskunftsperson einvernommen worden. «Der Polizist fragte mich, ob ich etwas zu den Morden wisse, ob ich die Täter kenne und ob ich weitere Angaben machen könne», berichtet er.
Auf Personenfotos, die ihm vorgelegt werden, erkennt er dann tatsächlich alte Bekannte. «Einer betrieb den Last Resort Shop in Zwickau. Das war ein Laden für Security-Bedarf. Das war der dicke Typ, der immer mit seinem Kampfhund herumlief. Er hatte näheren Kontakt zu Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt», sagt Demmler. Er selber will das NSU-Trio nicht persönlich gekannt haben. «Wir haben uns zwar auf den gleichen Veranstaltungen herumgetrieben», so Demmler. Das war in den Jahren 1995, 1996 und 1997, kurz bevor das Trio untertauchte. Damals lebte Demmler zwar schon in Süddeutschland, in Rheinfelden. Doch er fuhr regelmässig nach Sachsen. «Sie tauchten mehrmals am Pfingstochsen-Cup auf», sagt der 49jährige. Der Cup war ein Fussballturnier, an dem vorwiegend Rechtsradikale teilnahmen. «Für alle war damals klar, die sind richtig gefährlich», so Demmler.
Waffen aus der Schweiz geschmuggelt
Es ist auch die Zeit, als Demmler in seiner alten Heimat oft auf Waffen angesprochen wird. «Bis 1998 waren Kleinkaliber-Gewehre und Pumpguns in der Schweiz frei erhältlich. Es gab nur die Auflage, sie nicht auszuführen», sagt Demmler. Das scherte den Deutschen wenig. Er nahm sie mit über die Grenze – auch bis nach Sachsen. «Das wussten die Leute in Zwickau. Der Typ vom Security-Laden sprach mich mehrfach darauf an, ob ich ihm was besorgen könne.»
Tatsächlich kam die Polizei Demmler 2002 auf die Schliche. Bei einer Hausdurchsuchung entdecken Beamte in seiner Rheinfelder Wohnung zwei Schweizer Gewehre, einen Koffer mit Plastiksprengstoff und Munition für 17 verschiedene Feuerwaffen. «Ich wurde zu einer Busse und einer Strafe auf Bewährung verurteilt», sagt Demmler. Die Strafe sei nach eigenen Angaben nicht höher ausgefallen, weil er mit den Behörden zusammengearbeitet habe und so weitere Besitzer von illegalen Waffen aufflogen.
Die Mordwaffe stammt aus Derendingen
Das sind Aussagen, die aufhorchen lassen. Stammte doch auch die Mordwaffe des Nationalsozialistischen Untergrunds aus der Schweiz. Dabei handelte es sich um eine Ceska 83, Kaliber 7,65 Millimeter. Sie soll 1993 im solothurnischen Derendingen im Waffengeschäft «Luxik Waffen und Munition» über den Ladentisch gegangen sein. Aus ihr feuerte das Zwickauer Trio alle tödlichen Schüsse ab.
Mit dieser Waffe will Demmler nichts zu tun haben. «Doch wer mich damals fragte, dem erklärte ich, wie er in der Schweiz an die Waffen kam und wo er sie am besten über die Grenze schmuggeln soll», sagt er. «Deshalb bin ich sicher: «In Zwickau gab mehr als ein paar Waffen aus der Schweiz.»