Newsnetz vom 20.05.2009
In Deutschland häuft sich rechtsradikale Gewalt. Die Neonazis organisieren sich verstärkt über das Web 2.0. Was bedeutet dies für die Schweizer Szene?
Sie schreiben Blogs, gründen Gruppen bei Facebook und veröffentlichen Parolen bei Twitter: Rechtsradikale verbreiten ihr braunes Gedankengut scheinbar immer häufiger im globalen Netz. In Deutschland, wo die Zahl der Skinheads zugenommen hat, ist man deswegen besorgt.
Rechtsradikale nutzen verstärkt Videoplattformen und Community-Portale für ihre Zwecke, sympathisieren in Facebook-Gruppen mit Figuren des Nationalsozialismus oder verbreiten auf Myspace rechte Musik. «Focus online» hat des Weiteren einschlägige Einträge bei Youtube, Wikipedia, Twitter und StudiVZ gefunden.
«Rechtsextreme nutzen alle Kommunikationskanäle»
Doch wie sieht es in der Schweiz aus? Neben obligaten Aufrufen – wie zum Gedenkmarsch für die Schlacht bei Sempach Ende Juni – und einigen Gruppen bei Facebook, scheint das Web 2.0 von der rechten Szene relativ unberührt.
«Das Internet darf als Vernetzungstool nicht überbewertet werden», sagt denn auch Samuel Althof. Der Gründer der «Aktion Kinder des Holocaust», spürt seit Jahren Rechtsextreme im Internet auf. «Das Web erleichtert den Rechtsextremen nicht wesentlich, sich zu organisieren oder gar Leute zu rekrutieren.»
Die Rekrutierung von Rechtsradikalen könne nach wie vor nur bei einer Begegnung funktionieren. Trotzdem weiss der Experte: «Rechtsextreme nutzen alle Kommunikationskanäle.» So sei unter ihnen beliebt, die eigene Demonstration zu filmen und auf Youtube zu publizieren. «Doch dieses Phänomen ist so marginal wie die Rechtsextremen selbst.»
«Gegendemo ist präventiver Blödsinn»
Die Schweizer Demokratie sei durch diese Strömung nicht in Gefahr. «Ich will weder verharmlosen noch überbewerten, aber die Rechtsradikalen haben es schwer», so Althof. Die politische Relevanz der Rechtsextremen sei gleich null, die mediale Resonanz für die kleine Gruppe dafür umso höher.
Er schätzt, dass es in der Schweiz rund 1200 Rechtsextreme gibt. «Die Szene hat sich in letzter Zeit nicht vergrössert. Jedoch gibt es viele Ein- und Ausstiege.»
Von der Szene gehe jedoch punktuell Gefahr aus: «Wenn Links- und Rechtsextreme aufeinandertreffen, ist die Gefahr am grössten», erklärt Althof. Er rät darum ausdrücklich von einer Gegendemonstration bei der Gedenkfeier zur Schlacht bei Sempach ab, wie sie die Jungsozialisten planen. «Das ist präventiver Blödsinn. Eine Gegendemo würde den Auftritt der Rechtsextremen nur aufwerten». Einem Aufmarsch der rechten Szene müsse man unaufgeregt begegnen und keinesfalls reaktiv.