SonntagsZeitung vom 31.07.2011
Claude Janiak, Aufseher der Schweizer Geheimdienste, verlangt von Ueli Maurer Antworten
In der Schweiz wird nach den Attentaten in Norwegen ebenfalls eine intensivere Überwachung von Extremisten gefordert. Erstmals äussert sich dazu Ständerat Claude Janiak (SP, BL), Präsident der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel), welche die Schweizer Geheimdienste beaufsichtigt.
Haben die Staatsschützer in ganz Europa in die falsche Richtung geblickt und vor lauter Angst vor Islamisten die Rechtsextremen vergessen?
Die Tatsache, dass ein Rechtsextremer einen Massenmord verübt, bedeutet nicht, dass andere Gefährdungen entfallen. Das Tagesgeschehen an vielen Orten der Welt zeigt, dass die Gefahr von islamistischen Anschlägen anhält. Der Vorwurf trifft deshalb so nicht zu. Die Statistik zeigt, dass in der Schweiz Linksextreme derzeit aktiver sind als Rechtsextreme. Auf der rechten Seite galt die Aufmerksamkeit aber vor allem den nationalsozialistisch orientierten Rechtsextremen und nicht Personen, die einer neuen «Internationalen des Anti-Islamismus», wie man sie nun nennt, zuzurechnen sind. Darauf muss sich der Nachrichtendienst einstellen.
Trotzdem wurden bei den Schweizer Diensten neue Stellen einzig für ein Jihad-Monitoring geschaffen. Ist das noch immer die richtige Priorität?
Die aufgebauten Monitoring-Fähigkeiten können auch auf andere Websites angewandt werden, zum Beispiel solche, die Breivik besuchte. Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) muss laufend überprüfen, ob er seine Mittel am richtigen Ort einsetzt. Die GPDel wird Bundesrat Maurer an der nächsten regulären Lagebesprechung aus aktuellem Anlass die entsprechenden Fragen stellen.
Der NDB hat in den vergangenen Tagen wiederholt, ihm fehlten die Kompetenzen, um verdeckt Informationen zu beschaffen.
Gegen den Attentäter in Norwegen hätten solche Massnahmen nur Sinn gehabt, wenn er seine Pläne jemandem mitgeteilt und er somit überhaupt hätte überwacht werden können. Und bei ausreichendem Verdacht besteht bereits heute die Möglichkeit, dass Polizei und Staatsanwaltschaft schon im Stadium der Vorbereitungshandlungen ermitteln können.
Sie sind also gegen mehr Überwachungsmöglichkeiten für den Geheimdienst?
Nein. Es gibt berechtigte Anliegen des Nachrichtendienstes. Bei der Informationsbeschaffung mit technischen Überwachungsgeräten oder durch Hacken von Computern muss der Bundesrat aber sicherstellen, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben respektiert werden. Solch schwer wiegende Eingriffe in die Grundrechte dürfen dem Nachrichtendienst nur erlaubt sein, wenn schwere Straftaten im Raum stehen, wobei schon Vorbereitungshandlungen genügen.
Wer soll das kontrollieren?
Bei der Überwachung einzelner Personen ein Gericht. Bei einem breiten Überwachungseinsatz braucht es eine Kontrollinstanz, die auch laufende Aktionen beaufsichtigt wie etwa die UKI bei der Funkaufklärung. Hinzu kommt dann die parlamentarische Oberaufsicht.
Interview: Daniel Glaus