Newsnetz; 24.04.2009
Laut Chefdiplomat Michael Ambühl hat die Schweiz beim Treffen mit Ahmadinejad
genau gewusst, was sie tat. Wie viel ihr dies in den Querelen mit den USA bringt, ist
aber auch ihm unklar.
Herr Ambühl, die Schweizer Diplomatie hat bei den Vermittlungen zwischen der Türkei und
Armenien einen Erfolg erzielt. Nur wird dieser von der Affäre um Irans Präsident Ahmadinejad
überschattet. Sind Sie frustriert? Nein. Das Treffen mit Ahmadinejad gab der Schweiz
Gelegenheit, wichtige Punkte anzusprechen. So hat etwa Bundespräsident Merz klar unsere
Position zu Menschenrechtsfragen wie den Steinigungen dargelegt. Und er hat sehr klar gesagt,
was er von der Leugnung des Holocaust hält.
Trotzdem hat Ahmadinejad tags darauf in gewohnter Manier provoziert – und die Schweizer
Delegation hat sich das im Saal angehört. Wir praktizieren keine Politik des leeren Stuhls. Die
Schweiz hat Ahmadinejad vor und nach seiner Rede ihre Meinung gesagt. Andere zogen es vor,
den Saal zu verlassen und so ihrem Protest Ausdruck zu verleihen. Wir finden unser Vorgehen
couragierter.
Wie ist man denn überhaupt auf die Idee gekommen, ausgerechnet am Vorabend des Hitler-
Geburtstags und eines Shoa-Gedenktags einen Leugner des Holocaust zu empfangen?
Bundespräsident Merz hat den iranischen Präsidenten auf dessen Wunsch hin getroffen, nicht
in einem speziellen, bilateralen Rahmen, sondern am Rande einer internationalen Konferenz.
Wie Sie wissen, vertritt die Schweiz seit 30 Jahren die Interessen der USA im Iran. Sie hält also
einen Kommunikationskanal zwischen Washington und Teheran aufrecht. Wenn da eine Seite
um ein Gespräch bittet, wäre es unlogisch, dieses zu verweigern.
Aber man hätte das doch diplomatisch geschickter anpacken müssen. Nun stehen die Schweiz
und ihr lächelnder Bundespräsident international schlecht da – und sogar die rechtsextreme
Pnos hat Merz gratuliert. Von den Regierungen hat nur Israel Kritik geübt. Vor dem Hintergrund,
dass die USA und der Iran Zeichen der Dialogbereitschaft ausgesandt haben, wäre es falsch
gewesen, den Kommunikationskanal nicht offenzuhalten.
Muss man dieser Vermittlung denn nicht Grenzen setzen, wenn man merkt, dass man von der
einen Seite einfach vorgeführt wird? Ihnen ist sicher nicht entgangen, dass die USA auch nach
Ahmadinejads Rede verlauten liessen, dass sie weiterhin den direkten Dialog mit dem Iran
suchen. Es ist nicht so – wie man beim Lesen Ihrer Zeitung meinen könnte -, dass die ganze
Welt dieses Treffen als unnütz abstempelt.
Auch in den internationalen Medien herrscht aber der Eindruck vor, die Schweiz sei einmal
mehr schlecht vorbereitet in die iranische Propagandafalle getappt. Nein, Entschuldigung. Die
Schweiz hat sehr genau gewusst, was sie macht. Wir kennen unsere Gesprächspartner und
sind in keine Falle getreten. Mit den USA haben wir das Treffen vorbesprochen, und Israel
haben wir vorinformiert. Dabei haben wir uns gründlich überlegt, welche Chancen das Treffen
bietet: Wir konnten unsere Botschaft in Menschenrechtsfragen direkt platzieren, wir konnten
Konsularschutzfälle aufnehmen, und wir konnten über gewisse bilaterale Fragen sprechen.
Konkret heisst das: Über das Gasgeschäft der Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg? Auch
dieses Dossier wurde angesprochen, aber nur kurz am Rande. Das Treffen fand nicht
deswegen statt.
Wegen des Treffens ist nun aber Israel nachhaltig verärgert. Ist der Iran für die Schweiz
wichtiger als Israel? Darum geht es nicht. Uns ist wichtig, dass wir bei unserem Mandat für die
USA und den Iran einen professionellen Job machen. Dazu gehört der Dialog.
Aber zu welchem Preis? Israel hat mit dem Rückruf des Botschafters scharf protestiert. Unsere
Beziehungen zu Israel sind gut, wir setzen auch hier auf den Dialog. Dass Israel nun seinen
Botschafter zurückgerufen hat, bedauern wir. Eine nationale Katastrophe ist es aber nicht. Es
würde mich nicht erstaunen, wenn der Botschafter bald einmal zurückkommen würde.
Wo liegt denn der Nutzen all dieser Guten Dienste? Im Fall der USA hat man das Gefühl, dass
die Schweiz zwar grosse Hilfsbereitschaft zeigt, dann aber etwa beim Bankgeheimnis trotzdem
frontal angegriffen wird. Ihre Frage suggeriert, dass wir uns nicht mehr für eine friedliche Welt
einsetzen sollen, wenn wir hinterher trotzdem auf eine graue Liste kommen. So lässt sich das
aber nicht darstellen. Die Schweizer Aussenpolitik vertritt zum einen die nationalen,
wirtschaftlichen Interessen des Landes. Zum andern will sie einen Beitrag für eine friedliche
Welt leisten und ein nützliches Mitglied der internationalen Gemeinschaft sein.
Täuscht der Eindruck, dass die Schweiz vor allem nützlich ist – und selber nicht viel davon hat?
Sie dürfen die beiden Ziele nicht gegeneinander ausspielen. Eine stabilere Welt nützt auch uns.
Im Übrigen wird die Schweiz im Ausland allgemein sehr positiv wahrgenommen – auch wenn wir
dies oft anders sehen.
Ganz konkret: Wenn die Schweiz jetzt mit den USA über das Bankgeheimnis verhandelt, kriegt
sie dann etwas dafür, dass sie im Iran deren Interessen vertritt? Unserer Position schadet es
bestimmt nicht, wenn wir zwischen Armenien und der Türkei vermitteln, russische Interessen in
Georgien wahrnehmen oder uns für die Nichtverbreitung von Atomwaffen einsetzen. Wie viel
dies nützt, lässt sich gewiss schwerlich quantifizieren. Wie auch immer – die Schweiz setzt sich
nicht nur deshalb für eine friedlichere Welt ein, damit ihr der US-Finanzminister beim
Bankgeheimnis Konzessionen macht.
Sind denn die Prioritäten richtig gesetzt, wenn Herr Merz zwar mit Ahmadinejad spricht, nicht
aber mit Peer Steinbrück? Die Schweiz verteidigt ihre Interessen mit Nachdruck. Und dabei geht
es manchmal hart auf hart zu. Andererseits ist die Schweiz nicht nur ein national-egoistisches
Gebilde, sondern verteidigt Grundwerte und zeigt sich solidarisch. Ich meine, die Balance
stimmt.