SonntagsZeitung vom 07.10.2012
Der rechtsextreme zehnfache Mörder Uwe Mundlos galt der Deutschen Bundeswehr einst als guter Soldat – sein Privatleben interessierte nicht
Werner Thies
Da lachte das Herz des Neonazis. Als der Panzergrenadier Uwe Mundlos, der später zehn Menschen ermordete, aus der deutschen Bundeswehr entlassen wurde, bekam der damals 22-Jährige zum Abschied eine Beförderung. Dies, obwohl der Mann fremdenfeindliche Hasslieder gegrölt hatte und als Hitler-Verehrer bekannt und verschrien war.
Der deutschen Armee war das ziemlich egal. Seine Vorgesetzten schrieben ihm «Dank und Anerkennung» ins Zeugnis – für seine «treuen Dienste». Draussen, in der zivilen Welt, lief zwar ein Strafverfahren gegen Mundlos, hinter dem Kasernentor galten die Nazi-Umtriebe als reine Privatsache.
Der Vorgang beschäftigt in Berlin derzeit eine parlamentarische Untersuchungskommission. Denn Uwe Mundlos legte nach seiner Soldatenzeit eine einzigartige Karriere hin. Er bildete mit zwei Komplizen die Terrororganisation Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) und zog bis zu seinem Selbstmord im November 2011 unerkannt von den Sicherheitsbehörden eine Blutspur durch Deutschland.
Um Verfassungsfeinde von der Bundeswehr fernzuhalten, gibt es in Deutschland eigens einen dafür geschaffenen Geheimdienst, den Militärischen Abschirmdienst (MAD). Im Falle des späteren Terroristen Mundlos war der MAD nicht tatenlos. Er kümmerte sich sogar intensiv um den Mann – allerdings nur, um ihn als Mitarbeiter zu gewinnen. Mundlos wollte nicht.
Geheimdienste arbeiten im Verborgenen. Ihre Tätigkeit wird deshalb selten publik. Vergangene Woche wurde jedoch bekannt, dass derzeit gegen einen in Afghanistan eingesetzten Hauptmann ermittelt wird, der ein verkappter Neonazi sein soll. Von allein kam der MAD freilich nicht auf die Idee. Erst eine TV-Reportage des Hessischen Rundfunks brachte die Geheimdienstler auf die Spur. Der Hauptmann, um den es geht, ist zwar am Hindukusch aktiv im Dienst, gehört aber zu den Reservisten der Bundeswehr.
Diese Reservisten haben eine bizarre Anziehungskraft auf Deutschlands Neonazis. Denn: Wer sich in Deutschland als Reservist der Bundeswehr ausweisen kann, bekommt im Regelfall problemlos einen Waffenschein. So versorgt die Armee die Neonazis mit Pistolen und Gewehren – wenn auch unfreiwillig. Aber mehr noch: Die Nazis lernen auch gleich, mit den Waffen professionell umzugehen. Neonazis nutzen die Infrastruktur der Bundeswehr, um unbehelligt Manöver abzuhalten und Schiessen zu lernen. Mitglieder des Reservistenverbandes können sogar Gesinnungsgenossen von aussen zu den Schiessübungen mitbringen.
Jahrelang haben die Bundeswehr selbst, der Reservistenverband und auch die Soldatengewerkschaft davor die Augen verschlossen. Oder sie haben zu ihrer Entschuldigung vorgetragen, man könne nicht die Gesinnung jedes Einzelnen überprüfen. Die Ignoranz setzt sich bis in diese Tage fort. Der Reservisten-Kommandant des gegenwärtig nach Afghanistan entsandten Hauptmannes gibt bis heute an, von den Nazi-Umtrieben seines Offiziers nichts zu wissen.
Auch Österreich tut sich schwer mit neuen und alten Nazis
Die Einheit, um die es geht, trägt den Namen Hürtgenwald. Dieser Wald liegt westlich von Köln und war Schauplatz einer der letzten grossen Schlachten des Zweiten Weltkriegs. Solche «Traditionspflege» hat vermutlich auch eine Magnetwirkung auf Neonazis. Nicht viel anders in Österreich. Die Erinnerungen an den Weltkrieg werden von alten und neuen Nazis gepflegt und genutzt. Und wie in Deutschland tun sich die Behörden und das österreichische Bundesheer schwer damit. Die Teilnahme von Soldaten und Offizieren an zwielichtigen Veteranen- und Kriegsverbrecher-Treffen ist zwar mittlerweile verboten, findet aber dennoch regelmässig statt und wird nur selten sanktioniert.
Ein Brigadier im Ruhestand ist Chef des «Militär Fallschirmspringer Verbund Ostarrichi». Was halbwegs harmlos klingt, ist in Wahrheit eine paramilitärische Organisation von Leuten mit rechtsextremer Gesinnung. Mindestens ein aktiver Leutnant des Bundesheeres sitzt im Vorstand. Der Verein verleiht «Schiessabzeichen» und sorgt für professionellen Umgang mit Schnellfeuerwaffen.