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Berner Zeitung / Dominik Balmer
Durchschnittsstadt, Kreisel-Stadt, brauner Fleck: Langenthal hat viele Zusatznamen.
Sogenannte Claims, wie die Werber sagen. Doch jetzt ist es Zeit, dass Langenthal
die pubertäre Sinnsuche beendet und erwachsen wird.
Die Pubertät ist turbulent: Mädchen schmieren sich Schminke ins Gesicht, tragen kurze Röcke
und lesen «Bravo»-Hefte. Die Buben laufen in breiten Hosen rum, klopfen Sprüche und
betrinken sich. In dieser Zeit dreht sich alles im Kreis. So ähnlich muss sich derzeit auch
Langenthal vorkommen. Seit 1997 gilt das frühere Dorf als Stadt. Und heute, 12 Jahre später,
steht die Pubertät vor der Tür, die Suche nach der Identität ist in vollem Gang. Suchen Werber
eine neue Identität, suchen sie nicht selten einen sogenannten Claim, einen Namenszusatz.
Beispiele sind die Ambassadorenstadt Solothurn oder das Blumenstädtchen Huttwil. Auch
Langenthal feilt derzeit an seinem erwachsenen Image. Im Vorfeld des Jubiläumsjahres 2011
brüten die Mitglieder des OK über neuen Ideen: «Wir fragen uns: Was ist Langenthal
überhaupt?», sagt Werber und OK-Mitglied Urs Hug. Der Gründer der Werbeagentur P’INC fügt
hinzu: «Es werden weitere Anstrengungen in Richtung Design unternommen.»
Rufener: «Peppig ist gut»
So steht es auch in den Regierungsrichtlinien. Schon heute gilt Langenthal als Stadt des
Designs. Die zahlreichen Unternehmen, die im Bereich Design tätig sind, die Vergabe des
Design-Preises und der Designers’ Saturday haben dieses Bild geprägt. Doch als Claim findet
Werber Hug Design-Stadt trotz allem «zu platt». Das sieht auch der Stadtpräsident so:
«Langenthal an sich sollte schon ein Claim sein», sagt er, «wir brauchen keinen zusätzlichen
Übernamen.» Vielmehr möchte er Langenthal mit «punktuellen Anlässen» wie der
bevorstehenden 1150-Jahr-Feier oder dem kantonalen Jodlerfest bekannt machen. Aber wenn
es denn unbedingt ein Claim sein müsste, dann sollte er gemäss Rufener «peppig sein und
trotzdem einen gewissen Spielraum erlauben». Vielleicht, so vermutet der Stadtpräsident, sei es
so schwer, einen passenden Claim zu finden, weil Langenthal bereits etliche Zusatznamen
trage. In der Tat: Wegen der oft überfluteten Gassen nannten die Langenthaler ihre Stadt einst
Klein-Venedig, und in den 20er-Jahren geisterte wegen der vielen Gärten und Grünanlagen der
Begriff Gartenstadt herum. In der jüngsten Vergangenheit waren es allerdings eher negativ
besetzte Begriffe, die dominierten: die Kreisel-Stadt zum Beispiel. Oder wegen der Marktstudien
aus den 90er-Jahren sprach man von der Durchschnittsstadt – der Metropole der Mediokrität.
Schwer abzuschütteln ist zudem der Zusatz «brauner Fleck», ein Image, das Langenthal nicht
zuletzt der rechtsradikalen Partei national orientierter Schweizer (Pnos) zu verdanken hat.
Gegen ein solch negatives Image sei letztlich alle Werbung machtlos, stellt P’INC-Gründer Hug
ernüchtert fest.
Die erwachsene Stadt
Doch wer weiss: Vielleicht gelingt einem Werber plötzlich der grosse Wurf. Die Stadt
Langenthal beendet ihre Sinnsuche, und die alten, negativen Claims verschwinden aus dem
öffentlichen Bewusstsein.