Handelszeitung online: Tausende Nazis feierten im Toggenburg eine Party mit Hitlergruss und «Sieg-Heil»-Rufen. Die St. Galler Staatsanwaltschaft sieht darin kein Problem, eine Strafuntersuchung findet nicht statt.
Entscheid
Vor 25 Minuten
Nach dem Neonazi-Konzert vom 15. Oktober in Unterwasser SG mit 5000 Besuchern führt die St. Galler Staatsanwaltschaft keine Strafuntersuchung durch. Es fänden sich «keine Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten der unbekannten Täterschaft». Dies teilte die Staatsanwaltschaft am Freitag mit.
In der Strafanzeige der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA), den eingereichten Akten und den Wahrnehmungsberichten der Kantonspolizei gebe es keine Hinweise auf ein strafbares Verhalten. «Auch aus dem in den Medien kursierenden Bildmaterial ergibt sich kein hinreichender Tatverdacht, dass die Rassismus-Strafnorm verletzt wurde», heisst es im Communiqué. Der Entscheid der Staatsanwaltschaft, keine Strafuntersuchung zu eröffnen, ist noch nicht rechtskräftig.
Hitlergruss und «Sieg Heil»
Der teilweise auf Bildern zu sehende Hitlergruss und die zu hörenden «Sieg-Heil»-Rufe fielen nicht unter die Rassismus-Strafnorm, schreibt die Staatsanwaltschaft. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung gelte die Verwendung des Hitlergrusses unter Gesinnungsgenossen nicht als Verbreitung von Rassismus.
Die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) will die Verfügung der St. Galler Staatsanwaltschaft «in Ruhe prüfen», wie Geschäftsführer Dominic Pugatsch auf Anfrage erklärte. Mit ihrer Strafanzeige habe die GRA eine Abklärung möglicher Verstösse gegen die Rassismus-Strafnorm erreichen wollen. Es sei aber auch darum gegangen, eine Diskussion über das Neonazi-Treffen in Gang zu bringen, die Öffentlichkeit und die Behörden zu sensibilisieren, sagte Pugatsch der Nachrichtenagentur sda. «Die Schweiz darf nicht zum Paradies für extremistische Konzerte werden.»
Keine Wiederholung
Ein Treffen wie in Unterwasser dürfe sich nicht wiederholen. Neonazi-Konzerte sollten gar nicht mehr bewilligt werden. Die Stiftung GRA erwarte, dass sich der Nachrichtendienst des Bundes und die Polizei in Zukunft bei ähnlichen Veranstaltungen aktiver um die Beweissicherung kümmerten.
Der Neonazi-Anlass im Toggenburg mit 5000 Besuchern, von denen viele mit Bussen aus Deutschland anreisten, überraschte Behörden und Polizei. Die Polizei erfuhr den Veranstaltungsort erst kurzfristig und beobachtete das Konzert, das in einer Tennishalle stattfand. Dort spielten die Schweizer Band «Amok» und die deutschen Gruppen «Stahlgewitter», «Confident of Victory», «Excess», und «Frontalkraft». Der Anlass verlief ruhig. Die Gemeinde hatte das Konzert bewilligt. Die Organisatoren hatten angegeben, es sei ein Konzert von Schweizer Nachwuchsbands.
Polizei in der Kritik
Eine Woche nach dem Konzert von Unterwasser trat ein Sänger der rechtsextremen deutschen Band FLAK an einer Feier der Partei National orientierter Schweizer (PNOS) in Kaltbrunn SG auf. Die St. Galler Kantonspolizei liess den Auftritt zu, obwohl gegen den Sänger eine Einreisesperre bestand.
Die Polizei geriet in die Kritik. SP und Grüne verlangten von der St. Galler Regierung eine Erklärung, weshalb die Polizei in Unterwasser darauf verzichtet habe, die Konzerthalle zu betreten, obwohl davon auszugehen war, dass es zu strafbaren Handlung kommen könnte. Die SP forderte von der Polizei eine klarere Haltung im Kampf gegen Rechtsradikale.
(sda/ise/hon)