Blick.ch: ST. GALLEN – Laut dem St. Galler Polizeikommandanten Bruno Zanga war der Polizeieinsatz am Rechtsrock-Konzert vergangenen Samstag alles andere als harmlos. Mit Vehemenz verteidigt er das zurückhaltende Vorgehen seiner Beamten.
Betrunkene Autofahrer, zerkratzte Schaufensterscheiben, ein Verletzter am Olma-Jahrmarkt: Las man die Mitteilungen der St. Galler Kantonspolizei, war das vergangene Wochenende für die Beamten ein vergleichsweise ruhiges. Kein Wort über die die Nazi-Feier im Toggenburg mit über 5000 Besuchern – eines der wohl grössten Neonazi-Treffen, das in der Schweiz je stattfand.
Als die Polizei schliesslich auf Anfrage lokaler Medien informierte, war von einer Veranstaltung die Rede, die «sehr gesittet abgelaufen» sei. Ein Sprecher der Kantonspolizei lobte Sicherheits- , Verkehrsdienst und Abfallentsorgung der Veranstalter. «Ruhe, Ordnung und Sicherheit» sei stets gewährleistet gewesen.
Plötzlich klingts ganz anders
Doch der Eindruck eines simplen Polizeieinsatzes, den die Behörde vermittelte, täuschte offenbar. Denn das Bild, das der Polizeikommandant der Kantonspolizei St. Gallen nun, fünf Tage und heftige Kritik an den Behörden später, vom Einsatz zeichnet, sieht ganz anders aus.
Schon im Juni habe man gewusst, dass ein «Monsterkonzert» stattfinden würde, sagt Bruno Zanga im Gespräch mit BLICK. Erst im letzten Moment – am Samstag gegen 15.30 Uhr – habe man durch Ermittlungen schliesslich den genauen Veranstaltungsort herausgefunden.
«Als unsere Mitarbeiter nach Unterwasser kamen, waren bereits über 1000 Konzertbesucher da. In diesem Moment war eine polizeiliche Intervention nicht mehr möglich – und auch nicht intelligent», sagt Zanga. «Keine einzige Polizei der Schweiz hat die Möglichkeit, eine solche Veranstaltung noch aufzulösen – oder sie riskiert, dass es zu Toten kommt.»
Aus Angst machten Polizisten keine Aufnahmen
Viel zu gefährlich wäre es zudem gewesen, zur späteren Beweisführung Aufnahmen vom Konzert zu machen. «Hätten wir als uniformierte Polizisten in einer Halle mit 4000 solcher Leute Fotos oder Videos gemacht, hätten wir um Leib und Leben fürchten müssen», glaubt Zanga. Einzig der Einsatzleiter habe sich uniformiert in die Halle gewagt, um den Veranstaltern klar zu machen, wie der Einsatz der Polizei ablaufe. «Stellen Sie sich vor, was für einen Mut das brauchte!»
Die Veranstalter hätten eine eigene Security vor dem Eingang der Tennishalle postiert, die jeden einzelnen Besucher kontrolliert hätte. Auch in zivil wäre man als Polizist sofort erkannt worden, glaubt Zanga. «Unsere Mitarbeiter sehen nicht so aus, als dass sie in so einer Gesellschaft nicht auffallen würden.» Zanga ist denn auch überzeugt, dass seine Beamten zu 100 richtig gehandelt haben. «Wir haben getan, was für uns möglich war.»
Strafverfahren wird geprüft
Dennoch ziehen die Behörden aus der Mega-Veranstaltung der Neonazis ihre Lehren. Das Ganze habe gezeigt, dass man «unbedingt Vorlauf haben» müsse. «Solche Konzerte kann man nur dann verhindern, wenn man rechtzeitig vor Ort ist», sagt Zanga. Deshalb müssten nun unbedingt die Gemeindepräsidenten sensibilisiert werden, damit die Veranstalter sofort melden, wenn ein Verdacht besteht. «Nur dann haben wir eine Chance.»
Bezüglich des vergangenen Konzertes prüft die Staatsanwaltschaft derzeit ein Strafverfahren. Laut Polizeikommandant Zanga könnte sich dieses gegen Veranstalter, Bands sowie eventuell auch gegen gewisse Konzertbesucher richten. «Wir haben unsere Feststellungen gemacht und in schriftlicher Form an die Staatsanwaltschaft geschickt.» Damit sei die Arbeit der Polizei vorerst getan.
Publiziert am 20.10.2016 | Aktualisiert vor 1 Minuten