Knackeboul mit neuem Album: «Deshalb sage ich ihm auch ‹haut d Schnurre›»

langenthalertagblatt.ch

Der Langenthaler Rapper David Kohler alias Knackeboul ist bekannt für seine pointierten, linken Positionen. Ein Gespräch über seinen Furor.

Martin Burkhalter

David Kohler alias Knackeboul ist nicht nur ein vielseitiger Entertainer, sondern – und das beweist er immer wieder – vor allem auch ein hervorragender Mundart-Rapper.

David Kohler, jedes Album, das Sie veröffentlichen, ist künstlerisch so gut, dass man sich fragen könnte: Warum genügt Ihnen das nicht?

Sie meinen, ob es meine anderen Aktivitäten, die Tweets, meine Videos und meine Texte noch braucht?

Genau. All Ihre Themen behandeln Sie auch in Ihrer Musik. Braucht es den Lärm in den sozialen Medien?

Das ist eine legitime Frage. Ich glaube aber schon, dass ich über andere Kanäle noch mehr Leute erreiche. Nicht alle mögen Rap. Zudem können Videos und Texte gewisse Dinge nochmals besser vermitteln, als das ein Rapsong kann.

Man wirft Ihnen auch mal missionarischen Eifer vor.

Vielleicht würde ich mich, würde ich mich nicht kennen, ja auch über mich selbst aufregen. Gleichzeitig frage ich mich, wieso es nicht noch viel mehr Menschen gibt, die sich empören, die wütend sind.

Was empört Sie?

Vor 80 Jahren haben die Nazis Europa verwüstet und Millionen von Menschen umgebracht. Wenn ich mich jetzt umschaue und sehe, dass Menschen mit rechtsextremen Gesinnungen, dass wieder Nazis politische Ämter besetzen, wundert es mich, dass nicht alle am Rumschreien sind.

Sie gebrauchen das Wort Nazi auch in den sozialen Medien sehr oft. Hilft das wirklich?

Ich verstehe die Kritik. Aber man muss auch ehrlich sein. Die AfD in Deutschland ist eine rechtsextreme Partei, Punkt. Die Leute verdrängen etwas, wenn sie das Gefühl haben, diese Zeit sei vorbei, habe mit dem Zweiten Weltkrieg geendet. Das braune Gedankengut ist geblieben.

Wenn Roger Köppel den Klimawandel negiert, ist doch das keine Meinung, kein Standpunkt. Es ist Unsinn.

Sie sprechen von Deutschland. Offensichtlich finden Sie auch die Schweizer Politik besorgniserregend.

Das politische Profil der SVP ist ähnlich jenem der AfD. All die Exponenten, Roger Köppel, Andreas Glarner, oder nehmen wir Christoph Blocher, in meinen Augen verbreiten sie menschenverachtende Weltbilder. Aber hier regen sich zu wenige auf. Deshalb ist die Schweiz auch ein Vorbild für den Populismus. Und deshalb werde ich laut.

Laut werden Sie vor allem in den sozialen Medien. Auf Twitter diffamieren Sie mit #Hautschnurre bürgerliche und rechte Politiker.

Immer wenn ich in der Zeitung einen Mann in einem Anzug sehe, der etwas Fremdenfeindliches von sich gibt, dann werde ich wütend und muss mich einfach äussern. Nehmen wir das Beispiel Andreas Glarner. Er ist ein reicher Mann in einer Machtposition und reitet permanent auf Minderheiten herum. Vielleicht sehen das gewisse Menschen nicht, aber für mich tut er genau das, deshalb sage ich ihm auch «Haut d Schnurre» (lacht).

mich beruhigt, dass inzwischen viele accounts denen ich folge, vor allem deutsche, auch ein #hautschnurre austeilen, wenn menschen ihren menschenhass mit meinung verwechseln.inzw. wurde mir diese für mich selbstverständliche reaktion auf unhaltbares zu oft als hass ausgelegt— Knackeboul (@Knackeboul) October 17, 2020

Woher nehmen Sie die Überzeugung, im Recht zu sein?

Weil vieles, was ich propagiere, nicht subjektive Meinungen sind, sondern Tatsachen, über die wir uns alle einig sein sollten.

Wie den Klimawandel?

Ja. Wenn Roger Köppel den Klimawandel negiert, ist doch das keine Meinung, kein Standpunkt. Es ist Unsinn. Es gibt gewisse Dinge, die sollten heutzutage selbstverständlich sein.

Was noch?

Dass man Menschen auf der Flucht hilft. Ich werde oft dafür kritisiert, weil ich gerade bei solchen Themen keine andere Meinungen gelten lasse.

Gerade wegen Ihres Engagements für Flüchtlinge wurden Sie auch schon als Gutmensch beschimpft.

Menschen auf der Flucht haben keine Stimme. Ich habe eine Plattform, eine Reichweite, ich kann ihre Stimme sein, und ich glaube fest daran, dass ich das auch in ihrem Sinne tue. Vielleicht klingt das überheblich, aber es geht hier nicht um mich.

Apropos Plattform. Auf ihrem Album kritisieren Sie etwa in dem Song «Truran» die Oberflächlichkeit im Popbusiness, den Kommerz. Sie vermarkten sich selber aber auch nicht schlecht. Ist das ein Widerspruch?

Ja. Ich spiele auch auf Firmenevents, weil sich die besser auszahlen. Solche Engagements geben mir die nötige materielle Sicherheit. Wie jeder andere tue ich Dinge, die ich tun muss, weil sie einfach ein Job sind. Für mich ist das vereinbar. Aber ja, es ist eine Gratwanderung.

Video

Wie viel Spass macht Ihnen eigentlich die Entertainer-Rolle? Viele kennen Sie vor allem aus den Videos auf dem Online-Portal Watson.

Insgesamt mache ich diese Videos sehr gerne. Klar, auch das ist manchmal nur ein Job. Aber ich habe diese Seite an mir und will sie ausleben.

Geht Ihnen der Klamauk nicht auf die Nerven?

Wenn ich jetzt nur diese Videos machen müsste, dann schon. Aber ich brauche beide Seiten. So ist doch das Leben. Man sitzt an einem Tisch, spricht über ernste Dinge und macht dazwischen lustige Sprüche.

Was sind Ihre Ziele? Sie werden das ja wohl nicht die nächsten zwanzig Jahre tun wollen.

Wieso nicht? Was ich mir vorstellen könnte, ist, die verschiedenen Welten einander näherzubringen. Das Musikalische, Visuelle, Humoristische und Gesellschaftskritische in einem Format zu verbinden. Aber vorläufig gefällt mir, was ich tue.

Sind Sie nicht irgendwann zu alt dafür?

Wenn ich in den Spiegel blicke, sehe ich immer noch einen Jüngling. Manchmal finde ich es schwer, mich als Erwachsener zu sehen. Es fühlt sich aber eher an, als hätte ich in den letzten Jahren eine zweite Pubertät durchgemacht. Ich habe sogar noch mehr Lust, kreativ zu sein, und ich will noch lauter werden. (lacht).