Südostschweiz: Nationalrat Köbi Büchler absolviert seine vierte Legislaturperiode. Der CVP-Mann äussert sich unter anderem zu den Nazi-Vorfällen in Unterwasser, aber auch zur Rolle seiner Partei im Wahlkampf in Rapperswil-Jona – und natürlich zu seiner politischen Arbeit in Bern.
Nationalrat Köbi Büchler absolviert seine vierte Legislaturperiode im Nationalrat. Dies wird auch seine letzte sein, in drei Jahren ist Schluss, da Büchlers Partei, die CVP St. Gallen, eine Beschränkung auf vier Amtszeiten kennt. Im Gespräch mit der «Südostschweiz» blickt der Meisterlandwirt aus Rufi (Schänis) auf seine Arbeit in Bern zurück. Sicherheitspolitiker Büchler äussert sich aber auch zu Themen aus der Region.
Köbi Büchler, kürzlich fielen gegen 6000 Neonazis in Unterwasser ein. Was sagen Sie dazu?
KÖBI BÜCHLER: Das ist sehr bedenklich. Eine Woche nach dem Konzert hatten wir eine Sitzung der Sicherheitspolitischen Kommission. Ich fragte den Chef des Nachrichtendienstes, wie solche Treffen in Zukunft verhindert werden können. Mir ist nicht wohl bei solchen Zusammenkünften. Die klare Botschaft an die Rechtsextremen muss sein: so nicht.
Was tun Sie konkret dagegen?
Ich werde noch in der Wintersession einen Vorstoss einreichen. Das kann nicht geduldet werden. Nicht zuletzt kriegen wir in der Schweiz und im Ausland ein Imageproblem, wenn sich Neonazis hier treffen und die Medien das in die Welt hinaustragen.
Was soll der Vorstoss beinhalten?
Es muss eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden, um solche Veranstaltungen zu verhindern. Die Polizei sagte, sie hätte keine Grundlage gehabt um einzugreifen. Das kann nicht sein.
Wie beurteilen Sie das Vorgehen der Polizei?
Die Polizei wurde völlig überrumpelt. So gesehen hat sie sicher richtig gehandelt. Wäre die Polizei mit einem Grossaufgebot eingeschritten, hätte es zu schweren Ausschreitungen kommen können. Regierungsrat Fredy Fässler hielt richtigerweise fest, dass es nicht an der Polizei lag. Diese wusste erst kurz vor dem Anlass, was da auf Unterwasser zukam – da war es zu spät. Die Strategie der Deeskalation war zu dem Zeitpunkt richtig. Aber das Bundesamt für Polizei (Fedpol) hätte die Informationen vom Nachrichtendienst erhalten müssen und klar sagen: stopp, Einreise nicht bewilligt. Dann wären bestimmt nicht 6000 gekommen.
Wie kann die Politik solche Treffen künftig verhindern?
Der Chef des Nachrichtendienstes sagt: So wie die Ausgangslage war, kann man es nicht verhindern. Das ist eine unbefriedigende Antwort. Ich hatte das Gefühl, man hat das auf die leichte Schulter genommen und sagte im Nachhinein, es ist ja nichts passiert. Wenn ich an die Antworten des Vorstehers des Sicherheitsdepartementes, Guy Parmelin, auf meine Fragen denke, habe ich kein gutes Gefühl. Er sagte in der Fragestunde des Bundesrates: Der Nachrichtendienst habe davon gewusst und die Behörden gewarnt. Damit habe der Nachrichtendienst seine Arbeit gemacht.
Wird hier das neue Nachrichtendienstgesetz etwas bringen?
Ja, ich denke schon. Der Schweizer Nachrichtendienst wird mit dem neuen Gesetz noch bessere Informationen von den Kollegen der Nachbarländer bekommen. Die Verordnung ist in Bearbeitung, am 1. September 2017 tritt das Gesetz in Kraft. Wobei dieses alleine nichts verhindern kann. Die Intervention muss von der Polizei kommen – und die braucht dafür eine gesetzliche Grundlage. Diese muss die Politik nun schaffen.
Statt zu sagen, es sei nichts passiert.
Diese Verharmlosung gibt mir zu denken. Denn das ruft Nachahmer auf den Plan. Ein anderes Mal sind es vielleicht Linksextreme. Aber das darf in keine Richtung toleriert werden, denn das Signal ist: In der Schweiz kann man das machen. Das ist eine Schweinerei. In anderen Ländern wäre so eine Veranstaltung nicht möglich gewesen.
Bleiben wir in der Region. Ihre Partei spielte eine seltsame Rolle im Wahlkampf in Rapperswil-Jona.
Dieser Wahlkampf hat verglichen zu früher einen Grad erreicht, der nicht mehr anständig war. Es ging – ungeachtet der Parteien – nur darum, den Gegner fertigzumachen und zu diskreditieren. Es war gelinde gesagt ein ziemlicher Kindergarten. Die Amerikanisierung hat in der Region Einzug gehalten. Das war früher nicht so.
Wie war es denn früher?
Ich habe meinen ersten Wahlkampf 1988 für den Kantonsrat geführt. Man könnte sagen, der fand in geschütztem Rahmen statt. Ich kandidierte für den Bezirk Gaster – See und Gaster waren damals noch eigene Bezirke und Wahlkreise. Man brauchte keine Plakate, sondern ging einmal in jede Gemeinde an einen Wahlanlass, um sich und seine Positionen dort vorzustellen. Es gab ein paar Leserbriefe, Inserate praktisch keine – und dann war die Wahl geritzt.
Die Rolle «Ihrer» CVP war aber nicht über alle Zweifel erhaben …
Das sehe ich anders: Erich Zoller hatte für den zweiten Wahlgang eine sehr schwierige Ausgangslage, um nochmals Stadtpräsident zu werden. Dass die Parteien in so einer Situation den Kandidaten wechseln, ist gang und gäbe – nach dem ersten Wahlgang ging es der CVP darum, den Präsidentensessel zu retten. Aber klar, Erich Zoller musste die Verantwortung für umstrittene Entscheide übernehmen. Aber man darf nicht vergessen: Er hatte einen Stadtrat, der die Entscheidungen mitgetragen hatte. Dass dieser Zoller alleine im Regen stehen liess, finde ich schwach. Abwahlen gab es früher schon, aber der heutige Stil des Politisierens gibt mir zu denken.
Wie beurteilen Sie das erste Jahr Ihrer letzten Legislatur?
Ich bin so weit zufrieden, gerade in meinem Schwerpunkt, der Sicherheitspolitik. Das Referendum gegen die Weiterentwicklung der Armee kam nicht zustande. Darüber bin ich froh, das hätte die Planung der Armee stark zurückgeworfen. Die Initiative kam von der Gruppe Giardino, einer Gruppe von älteren Militärs ausser Dienst, welche immer noch von einer 600 000 Mann starken Armee träumen. Ich erwarte bei der Armee eine bessere Führung.
Wie meinen Sie das?
Durch die Armee 21 haben wir zu viele junge Kommandanten mit zu wenig Führungserfahrung. Die erhalten in der sechsten Woche der Rekrutenschule den Vorschlag, danach eine Schnellbleiche und werden viel zu früh Kadi – oft, ohne die nötigen Kompetenzen gelernt zu haben. Wie sollen die eine Kompanie führen?
Sie sorgen sich um die Armee …
Ja, und was mir noch mehr Sorgen bereitet, ist die Luftwaffe. Die Bereitschaft rund um die Uhr wurde vor ein paar Jahren aus Spargründen abgeschafft – nun hat das Parlament sie wieder eingeführt. Aber das kostet rund 30 Millionen Franken. Wir haben nur noch 30 Kampfflugzeuge, die bei Weitem nicht ausreichen. Müsste die Schweiz aufgrund einer Bedrohung den Luftschirm zwei Monate schliessen – die Flieger wären nach drei Wochen am Boden, weil sie technisch überholt werden müssen. Ab 2025 haben wir keine Luftwaffe mehr, weil der FA-18 an sein Lebensende kommt. Ein FA-18-Kampfjet hat eine Lebensdauer von 5000 Flugstunden. Heute haben die meisten Maschinen rund 3000 Flugstunden zurückgelegt. Aber zurück zum Positiven: Ebenfalls zufrieden bin ich mit dem neuen Nachrichtendienstgesetz. Damit haben wir eine gute Grundlage geschaffen, was der Staat darf und was nicht.
Können Sie Bürger beruhigen, die sich überwacht fühlen?
Ja, das kann ich: Es werden nicht einfach Bürger überwacht, sondern verdächtige Personen, über die der Nachrichtendienst bereits Informationen hat.
Machen Sie ein Beispiel, bitte.
Wenn von XY bekannt ist, dass er in Syrien war und mit dem Islamischen Staat IS Kontakt hatte, kann der Nachrichtendienst einschreiten – aber nur unter klar definierten Regeln. Es müssen der Sicherheitsausschuss des Bundesrates, das sind drei Bundesräte; das Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen und der Vorsteher des VBS ihr Okay geben – und zwar in jedem einzelnen Fall. Erst dann darf der Nachrichtendienst den Verdächtigen genauer unter die Lupe nehmen und Mails lesen oder Telefonate abhören. Und nur dann. Es wird keine neue Fichenaffäre geben.
Sie haben in 13 Jahren im Nationalrat 44 Vorstösse eingereicht. Nur einer wurde angenommen – zur «Bekämpfung des Feuerbrands». Das ist eine magere Ausbeute, nicht?
Nein, natürlich nicht. Der Einfluss in Bern misst sich nicht an der Anzahl Vorstösse. Mich lehrte die Erfahrung, dass Vorstösse, die in die Kommission eingebracht werden, viel mehr Gewicht erhalten – und weniger kosten. Jeder Vorstoss kostet gegen 6000 Franken. Ich mache deshalb verglichen mit anderen Parlamentariern wenige Vorstösse, sondern gehe direkt zum Bundesrat oder bringe die Themen in der Kommission ein.
Gehen Sie auch bezüglich der Poststelle Schänis so vor, welche die Post schliessen will? Sie setzen sich für die Erhaltung der Poststelle Schänis ein …
Ja, und das mit aller Kraft. Ich habe zuerst die Fragen an Bundesrätin Doris Leuthard gestellt. Unter anderem fragte ich sie nach der Wirtschaftlichkeit der Poststelle Schänis. Die Post behauptet, Schänis könne nicht wirtschaftlich geführt werden, rückt aber keine Zahlen heraus. Sie beantwortete meine Frage aber nicht.
Warum nicht?
Weil auch sie die Zahlen von der Post nicht erhält. Es hiess lediglich, die Post könne nicht einzelne Poststellen losgelöst betrachten. Und: Der Bundesrat habe keine Möglichkeit, in das operative Geschäft der Post einzugreifen. Deshalb habe ich eine entsprechende Motion eingereicht. Und ich bin nicht der Einzige. Es gibt inzwischen einige ähnliche Vorstösse im Kanton St. Gallen, auch im Kantonsrat. Diese wollen wir nun auch in Bern bündeln. Und ich werde mich einsetzen, dass die Vorstösse noch diesen Winter ins nationale Parlament kommen.
Was sind bis heute die bemerkenswertesten Erfahrungen, die Sie im Parlament gemacht haben?
Es gibt lustige Dinge. Zum Beispiel der Lachanfall von Bundesrat Merz mit der «Bü… Bü… Bündnerfleisch»-Nummer. Traurige Momente waren die Abwahlen von Ruth Metzler und Christoph Blocher. Das war eine Zerreissprobe des Ratsbetriebes. Gut erinnern kann ich mich auch an eine Ratskollegin, die sich sehr für eine Vorlage engagierte – und anschliessend einen Herzstillstand erlitt. Drei Ratskollegen, alle Ärzte von Beruf, leiteten sofort eine Herzmassage ein und retteten so ein Menschenleben.
Werden Sie Ihre letzte Legislatur zu Ende bringen oder einem Ersatz den vorzeitigen Sprung in den Nationalrat ermöglichen?
Gewählt bin ich bis Ende 2019. Solange es meine Gesundheit erlaubt, werde ich meine Arbeit weiterführen. Wer im Parlament arbeitet, muss fit sein – so fühle ich mich bis heute und hoffentlich auch noch lange.
Zur Person
Köbi Büchler (Jahrgang 1952), CVP Schänis, ist gebürtiger Appenzeller und verheiratet mit Cäcilia Büchler-Giger. Er hat fünf Kinder und sieben «aufgeweckte» Enkelkinder. Der Meisterlandwirt sitzt seit 13 Jahren für die CVP im Nationalrat. Dort ist er unter anderem Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission, der er während zweier Jahre als Präsident vorstand (2010–2011). Ausserdem ist Büchler Delegierter bei der parlamentarischen Versammlung des Nordatlantischen Verteidigungsbündnisses (Nato). (snu)