Dietikon «Aktion gegen rechte Gewalt» nimmt Geschäft im Zentrum ins Visier
Eine anonyme Gruppierung macht auf Flyern und Plakaten Stimmung gegen das Kleidergeschäft London 66. Der Vorwurf: Das Geschäft sei ein Treffpunkt für Rechtsextreme. Der Geschäftsinhaber weist die Vorwürfe «entschieden» zurück.
sven broder
Zahlreiche Bewohner Dietikons bekamen gestern «Post» von der anonymen, als antifaschistische Gruppierung bekannten «Aktion gegen rechte Gewalt (Agrg)». Unter dem Titel «London 66: alles andere als ein harmloser Kleiderladen» warnte die Agrg in einem Schreiben vor dem Geschäft an der Bahnhofstrasse 13. Im Laden würden Kleider verkauft, «die bevorzugt von Rechtsextremisten getragen» werden, sowie Tonträger «einschlägig bekannter rechtsextremistischer Musikgruppen», so der Vorwurf der Agrg. Der Geschäftsinhaber sei zudem bei den Hammersins aktiv und ein Bekannter des Holocaustleugners Bernhard Schaub.
Neben den Flyern verteilte die Agrg auch Plakate mit dem gleichen Inhalt und klebte diese an verschiedenen Orten in der Stadt Dietikon an Fassaden.
Keine Notiz davon nahm die Dietiker Stadtpolizei. «Wir bekamen diesbezüglich bisher keine Hinweise beziehungsweise Reklamationen», erklärte Polizeichef Rolf Wohlgemuth. Ebenfalls bisher nicht negativ aufgefallen sei das besagte Kleidergeschäft oder dessen Inhaber. Auch Sicherheitsvorstand Reto Saxer erklärte, dass er von derartigen Rechtsextremismusvorwürfen jetzt das erste Mal gehört habe. Dies, obwohl sich das Kleidergeschäft seit über einem Jahr an besagter Adresse befinde. Man werde die Situation aber auch vonseiten der Stadt im Auge behalten – «und gegebenenfalls die nötigen Schritte einleiten», so Saxer.
«London 66» bei Polizei bekannt
Bei der Kantonspolizei nahm man hingegen Notiz von der Flyer- und Plakataktion, wie deren Sprecher Hans Leuenberger auf Anfrage erklärte. Mehr noch. Offensichtlich ist der Kantonspolizei auch «London 66» ein Begriff. «Wir haben Kenntnis von dieser Geschichte und beobachten die Vorgänge», meinte Hans Leuenberger. Näher wollte er sich dazu allerdings nicht äussern.
Hans Stutz, Journalist und langjähriger Beobachter der rechtsextremen Szene, kennt das Kleidergeschäft ebenfalls. Ein Begriff ist ihm auch dessen Betreiber, Rafael Hernandez. «Hernandez war einst Stützpunktleiter in der Zürcher Sektion der Schweizer Demokraten», erklärte Stutz. Er vertreibe bereits seit Jahren Kleider und Accessoirs, die von Rechtsextremen gerne getragen würden. «Aber», betonte Stutz im gleichen Atemzug, «die Marken und Stile, die von ihm verkauft werden, bevorzugen auch noch andere Subkulturen, nicht nur Nazi-Skins.» Als Beispiele nannte er gewisse Ultra- oder Hooligan-Gruppierungen.
Gleichwohl räumt Stutz ein, dass Läden wie London 66, in denen derartige «Szenen-Kleider» angeboten werden, eine gewisse Anziehungskraft auf Rechtsextreme ausüben.
Wie ein Agrg-Mitglied, das nicht namentlich erwähnt werden will, auf Anfrage erklärte, ziele die Aktion nicht gegen Hooligans oder Ultras – obwohl man deren Tätigkeiten ebenfalls nicht unterstützenswert finde. «Zwischen diesen Gruppierungen und denjenigen mit offensichtlich rechtsextremer Gesinnung gibt es aber Überschneidungen», so der Agrg-Aktivist. Mit der Plakataktion wolle man die Öffentlichkeit auf die Geschäftstätigkeit an der Bahnhofstrasse aufmerksam machen und so Druck auf den Geschäftsbetreiber ausüben.
«Auch linke Kundschaft»
Rafael Hernandez weist die von der Agrg erhobenen Vorwürfe gegen ihn «entschieden zurück». Er bestätigte, einst für die Jungen Schweizer Demokraten politisch aktiv gewesen zu sein. «Mir Nähe zur Helvetischen Jugend oder gar zu Holocaustleugner Bernhard Schaub zu unterstellen, ist geradezu absurd», betont Hernandez aber. Er sei auch nie Mitglied der Partei national orientierter Schweizer (Pnos) gewesen. «Ich bin ja selber kein ?reiner Schweizer?, wie man an meinem Namen unschwer erkennen kann», so Hernandez, der eine Anzeige gegen die Agrg-Aktivisten in Erwägung zieht.
Der gebürtige Berner bestreitet auch, dass sein Laden ein Treffpunkt für Nazis aus der Region sei. «Es ist durchaus möglich, dass Leute mit solchem Gedankengut bei mir einkaufen. Zu meiner Kundschaft gehören aber genauso linke Punks oder unpolitische Techno- und Fussball-Fans», erklärt Hernandez. Er verlange von niemandem, ein Parteibüchlein vorzuzeigen. «Ich lade auch alle ein, sich von meinem Angebot und meiner Kundschaft ein eigenes Bild zu machen.»