Tages-Anzeiger vom 30.06.2009
Mit dem unglücklichen Einsatz der Polizei ist die Sempacher-Schlachtfeier am Wochenende an einem Tiefpunkt angelangt. Zehn Jahre lang hat die Luzerner Regierung tatenlos zugeschaut, wie immer mehr Rechtsextreme aufmarschierten und die Feier für ihre Propaganda missbrauchten. Mit ihrer bewilligten Gegendemonstration wollten die Jungsozialisten die Regierung heuer dazu zwingen, endlich Farbe zu bekennen.
David Schaffner
Weder der Regierungspräsident noch der Sempacher Stadtpräsident mochten Stellung nehmen gegen das Menschen verachtende Gedankengut der rechten Glatzen. Die Polizei kesselte die Jusos ein, unter die sich vermummte Gestalten des Schwarzen Blocks gemischt hatten. Die Rechtsextremen liess die Polizei gewähren. Ohne Bewilligung konnten sie zum Schlachtfeld marschieren. Die Polizei hat sich so zur Helferin der rechten Glatzen gemacht.
Wenn die Luzerner Regierung nicht endgültig in den Verdacht geraten will, dass sie in der Präsenz der unheimlichen Patrioten kein Problem sieht, muss sie handeln: Sie muss ein neues, zeitgemässes Konzept für die Feier präsentieren und dafür sorgen, dass künftig mehr Leute daran teilnehmen. Heute ist der Anlass mit seinen Hellebarden, Lanzen und Speeren ein durch und durch martialisches Ereignis, wie aus einem schlechten Ritterfilm. Jedes Jahr wärmt ein Redner die Geschichte vom Schlachthelden Winkelried auf – nichts als eine Legende. Kein Wunder, finden die Rechtsextremen an dieser mythisch überhöhten Zeremonie besonderen Gefallen. Kein Wunder, erscheinen sonst nur wenig Leute.
Wie könnte Luzern dafür sorgen, dass die Feier für breitere Bevölkerungskreise attraktiv wird, nicht aber für Rechtsextreme? Nationalratspräsidentin Chiara Simoneschi-Cortesi hat in ihrer Rede in Sempach indirekt einen Hinweis gegeben: Sie sagte, dass für das Verständnis der heutigen Schweiz nicht überholte Legenden wichtig seien, sondern die Wurzeln der multikulturellen Gesellschaft. Neben der – wahren – Schweizer Geschichte müssten die Menschen auch die Geschichten des Balkans, Sri Lankas oder Deutschlands verstehen.
Die Luzerner Regierung könnte die vielen ausländischen Vereine im Kanton dazu aufrufen, sich in Sempach neben den Schweizer Vereinen zu präsentieren und ein gemeinsames Fest zu feiern. Heute braucht es einen Winkelried, der seine Arme ausstreckt, um die Menschen mit ihren unterschiedlichen Wurzeln zusammenzuführen.