UNO-RASSISMUSKONFERENZ / Der Kampf gegen den Rassismus im Internet und die Verankerung von Antirassismus-Normen im humanitären Völkerrecht sind Schwerpunkte der Arbeit der Schweizer Delegation an der Welt-Rassismuskonferenz in Durban (Südafrika).
sda/ap. An der bevorstehenden Uno-Weltkonferenz gegen Rassismus will die Schweiz in Durban (Südafrika) sich vor allem für die Bekämpfung rassistischer Websites im Internet einsetzen. Das erklärte die schweizerische Delegation bei der Präsentation ihrer Schwerpunkte und Erwartungen in Bern. Die Weltkonferenz gegen Rassismus, Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz findet vom 31. August bis 7. September in Durban statt. Der Cyberspace dürfe kein rechtsfreier Raum bleiben, sagte der stellvertretende Delegationsleiter, Botschafter Peter Maurer. Bern strebt beim Kampf gegen Rassismus im Internet eine internationale Zusammenarbeit auf juristischer wie politischer Ebene an. Die Schweiz will zudem das humanitäre Völkerrecht als Beitrag zur Rassismusbekämpfung diskutieren. Rassismus sei oft Ursache und Folge von bewaffneten Konflikten, sagte Maurer weiter.
Nationale Institutionen
Die Schaffung nationaler Institutionen zur Bekämpfung von Rassismus ist für die Schweiz ebenfalls von Bedeutung, sagte Claudia Kaufmann. Die Generalsekterärin des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) wird die Schweizer Delegation leiten. Laut Kaufmann unterstützt die Schweiz den zivil- und strafrechtlichen Anspruch von Diskriminierungsopfern, Entschädigungen zu verlangen. Sie setzt sich für die strafrechtliche Verfolgung rassistischer Handlungen als Offizialdelikt ein. Rassismus beeinflusse die internationale Politik und müsse deshalb auch auf internationaler Ebene diskutiert werden, sagte EDI-Generalsekretärin Claudia Kaufmann an einer Medienkonferenz am Donnerstag in Bern. Obwohl in Durban keine rechtsverbindlichen Dokumente verabschiedet würden, sei die Konferenz ein weiterer wichtiger Schritt in der Bilanzierung des Kampfes gegen den Rassismus.
Entschädigungsforderungen
Für Doris Angst Yilmaz, Vertreterin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (ERK), muss die Schweiz bei der Umsetzung der Antirassismusnormen noch viel Arbeit leisten. Das gelte auch für die Vermeidung von Diskriminierung von Ausländerkindern in der Schule. Im Vorfeld der Konferenz standen zwei Themen im Zentrum: Sklaverei und Kolonialismus einerseits sowie der Nahost-Konflikt andererseits. Die afrikanischen Länder verlangen eine offizielle Entschuldigung für den erlittenen Schaden durch Sklaverei und Kolonialismus. Dies könnte den Weg für Entschädigungsforderungen ebnen.
Verschlechterung
Die Schweiz ist wie andere westliche Länder nur bereit, diese Praktiken zu verurteilen und zu bedauern. In Durban gehe es um eine politische Aussage und nicht um eine detaillierte Diskussion über Entschädigungen, sagte Maurer. Mit Blick auf den Nahost-Konflikt sollen nach Auffassung der Schweiz neue Kontroversen vermieden werden. Die Frage einer Gleichsetzung des Zionismus mit Rassismus steht nicht mehr zur Diskussion. Die arabischen Staaten wollen aber die Verschlechterung der Menschenrechtslage in den besetzten Palästinensergebieten in die Dokumente aufnehmen. An der Medienkonferenz wurde der am Mittwoch veröffentlichte Entscheid verteidigt, keinen Bundesrat, sondern Kaufmann – temporär in den Rang einer Staatssekretärin erhoben – als Leiterin der Delegation zu ernennen. Maurer relativierte die Abwesenheit von Bundespräsident Moritz Leuenberger. Da die Schweiz nur über eine schmale Exekutive verfüge, sei es seit einiger Zeit üblich, Amtsdirektoren oder Generalsekretäre an solche Konferenzen zu schicken. Demgegenüber ist festzustellen, dass die Schweiz an anderen Uno-Weltkonferenzen mit einem Bundesrat vertreten war:Rio (Umwelt), Peking (Frauen), Kopenhagen (Soziales). Wie viele Länder ihre Minister nach Durban schicken, konnte Botschafter Peter Maurer, stellvertretender Delegationschef, nicht sagen. Es zeichne sich aber ab, dass beispielsweise Belgien seinen Aussenminister schicke.
Politischer Affront
Die Nichtregierungsorganisationen hatten den Entscheid des Bundesrats, kein Regierungsmitglied zu schicken, als politischen Affront gegenüber den Völkern Afrikas und insbesondere gegenüber der südafrikanischen Regierung bezeichnet.
ZUR SACHE
Gemeinsamer Nenner
* INT.: J. AESCHLIMANN
Marcel Niggli ist Professor für Strafrecht an der Universität Freiburg.
«BUND»: Die Uno-Rassismuskonferenz wird keine verbindlichen Beschlüsse treffen und auf sehr abstrakter Ebene debattieren. Alles nur Geschwätz?
Marcel Niggli: Eine schwierige Frage. Im Wesentlichen ist fast alles auf der Welt nur Geschwätz. Was zählt, ist, wer die Panzer hat. Aber wer zugibt, dass die modernen Gesellschaften komplex sind und international zusammenhängen, der wird auch zugeben müssen, dass es per se einen Wert hat, wenn Leute miteinander reden.
Worin besteht dann der Wert einer Uno-Rassismuskonferenz?
Sie bestimmt den gemeinsamen Nenner, mit dem alle leben können. Das ist schon etwas. In konkreten Fragen kann darauf Bezug genommen werden. Ein gutes Beispiel ist die Europäische Anti-Folter-Konvention. Sie zwingt die Staaten zu nichts, nicht einmal zur Veröffentlichung der Berichte über die Kommissionsbesuche. Dennoch ist sie enorm effizient. Die Länder, auch die Schweiz, reagieren empfindlich, wenn sie dort kritisiert werden. Ähnliches gilt für die Rassendiskriminierung.
Rassismus ist in Westeuropa im Anstieg. Worin liegt der Wert der Uno-Konferenz für Europa?
Darin, dass Informationen ausgetauscht werden und dass eine Frage thematisiert wird, die sonst nur am Rande der grossen Zusammenkünfte angeschnitten wird. Es ist eine Tatsache, dass wir ein Xenophobie-Problem haben. Ganz Europa wird ausländerfeindlicher.