Kaltbrunn/Uznach Erste Gerichtsverhandlung zur Massenschlägerei vom Kaltbrunner Jahrmarkt 07

ZüriZeitung

«Das hätte tödlich enden können»

Weil sie in brutalster Weise gegen Kopf und Bauch ihrer ohnmächtigen Opfer getreten haben sollen, mussten sich gestern zwei junge Männer vor dem Kreisgericht Gaster-See verantworten.

Michael Grimm

Es war kein alltäglicher Fall, der gestern im Kreisgericht See und Gaster in Uznach behandelt wurde. Was vor zwölf Monaten am Kaltbrunner Jahrmarkt mit harmlosen Schubsereien und verbalen Sticheleien begann, endete gemäss der Anklage der Staatsanwaltschaft mit Fusstritten gegen Köpfe und Bäuche von am Boden liegenden, längst bewusstlosen Personen. Mit äusserster Gewalt gingen einige der rund 20 an der Massenschlägerei beteiligten jungen Männer aufeinander los. Anwesende Polizisten griffen unter Aufgabe ihres eigenen Schutzes ein und versuchten, die äusserst aggressive und alkoholisierte Meute zu beruhigen. Dass alle Schläger die Nacht vom 11. auf den 12. Oktober 2007 überlebt haben, führt die Staatsanwaltschaft St. Gallen einzig auf puren Zufall zurück.

Mehrfachen Hitler-Gruss

«Die Ausländer haben uns provoziert. Ich kam erst hinzu, als andere Schweizer angegriffen wurden», erklärte der eine Angeklagte, ein 21-jähriger, rechtsextrem gesinnter junger Schweizer. Er muss sich neben mehrfacher versuchter schwerer Körperverletzung, Rassendiskriminierung sowie Gewalt gegen Beamte und weiterer Delikte verantworten.

Die anfänglichen Provokationen waren wohl gegenseitig. So belegen Zeugen, dass der 21-Jährige mit Hitler-Gruss und Sieg-Heil-Rufen gezielt Anwesende mit Migrationshintergrund herabzusetzen versuchte. Er überstand die Konfrontation, abgesehen von einem herausgeschlagenen Zahnprovisorium, unverletzt.

Weniger Glück hatte der zweite Angeklagte, ein eingebürgerter Schweizer. Wie sein Kontrahent bei der Schlägerei wohnt er in der Region und ist ohne Vorstrafen. Er will nur zur Schlichtung eingegriffen haben. Bis heute leidet er laut Verteidigung an Gefühlslosigkeit in Teilen des Gesichts. Aufgrund der massiven Gewaltanwendung konnte eine in seinen Kopf operierte Titanplatte bisher nicht wieder entfernt werden. Für die Verletzungen machte die Staatsanwaltschaft direkt den anwesenden, gebürtigen Schweizer verantwortlich. Dieser habe mit beispielloser Härte agiert. Die zielgerichteten, wiederholten Schläge gegen äusserst verletzliche Körperteile seien alles andere als eine Affekthandlung. «Ihre Angriffe hätten leicht tödlich ausgehen können», versuchte der Untersuchungsrichter dem jungen Mann ins Gewissen zu reden, der weder Reue noch Einsehen zeigte.

Der beiden jungen Männer würdigten sich während der Verhandlung keines Blickes und gaben meist nur knappe Antworten auf die Fragen des Gerichtspräsidenten. Die jeweilige Verteidigung der mutmasslichen Raufbolde führte dafür umso emotionalere Plädoyers. Plumpe Absprachen hätten zur Anklage geführt, meinte der Anwalt. Von «völligem Quatsch» und «totalem juristischem Blödsinn» in Bezug auf die Anklageschrift sprach die Gegenseite. Ein Freiheitsentzug von 24 Monaten auf Bewährung und 1500 Franken Busse für den deutlich schwerer belasteten gebürtigen Schweizer sei nicht angemessen, hiess es weiter. Die Zeit sei im Minimum zu halbieren, so die Forderung.

Für den 25-jährigen eingebürgerten Schweizer verlangte die Anklage eine bedingte Freiheitsstrafe von 13 Monaten und eine Busse von 1000 Franken. Sein Verteidiger forderte einen Freispruch. Der Mann sei nur Opfer, nicht Täter. Die Anklage sei völlig unverständlich.

Nach zweieinhalb Stunden schloss die Verhandlung. Das Urteil wird voraussichtlich heute eröffnet.

20 junge Männer machten am Kaltbrunner Jahrmarkt 2007 bei einer Massenschlägerei mit. Zwei von ihnen – ein 21-Jähriger und ein 25-Jähriger aus der Region – standen gestern am Kreisgericht Gaster-See vor dem Richter.