Jürg Scherrer verurteilt

Der Bund

RASSISMUS Das Obergericht des Kantons Bern hat gestern den BielerPolizeidirektor und Präsident der Freiheits-Partei wegen Rassendiskriminierung zueiner Busse von 2000 Franken verurteilt und damit das erstinstanzliche Urteilbestätigt. In einer «Medieninformation» vom April 2001 habe Scherrer in einergegen die Menschenwürde verstossenden Weise eine ethnische Gruppe öffentlichherabgesetzt. Scherrer hatte gefordert, alle Asylsuchenden aus dem Kosovo seienauszuschaffen, da sie unverhältnismässig zum Anstieg der Kriminalität in derSchweiz beitrügen. Scherrer hatte sich mit seinen Aussagen zurAusländerpolitik bereits mehrmals am Rande der Legalität bewegt, wurde jedoch bisher nieverurteilt. Ob er das Urteil weiterziehen wird, liess Scherrer gestern offen.(rw)

Obergericht bestätigt Urteil gegen Jürg Scherrer

Bieler Polizeidirektor und Präsident der Freiheits-Partei Schweiz wegenRassendiskriminierung schuldig gesprochen

Das Obergericht des Kantons Bern hat gestern Jürg Scherrer wegenRassendiskriminierung zu einer Busse verurteilt und damit das Urteil der ersten Instanzbestätigt. Ob er den Fall ans Bundesgericht weiterziehen will, lässt Scherreroffen.

• RETO WISSMANN

Er bewege sich mit seinen politischen Aussagen bewusst am Rande derLegalität, hat Jürg Scherrer in der Vergangenheit immer wieder betont. Bisher istdiese Taktik aufgegangen. Mit einer über Internet verbreiteten«Medieninformation» vom 3. April 2001 hat er die Grenze zur Illegalität aber überschritten.Bereits der Bieler Einzelrichter Beat Flückiger hatte Scherrer im Mai diesesJahres wegen Rassendiskriminierung schuldig gesprochen. Das Obergericht desKantons Bern, das aufgrund von Scherrers Appellation den Fall erneut zubeurteilen hatte, bestätigte gestern dieses Urteil. Es sprach den BielerPolizeidirektor und Präsidenten der Freiheits-Partei Schweiz wegen Verstosses gegen dasAntirassismus-Gesetz schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von 2000Franken, bedingt löschbar im Strafregister nach Ablauf einer Probezeit von zweiJahren, und zur Übernahme der Verfahrenskosten beider In- stanzen.

Zweite Anzeige von Heinz Kaiser

Das Verfahren ausgelöst hatte der Aargauer Heinz Kaiser, der im Namen seinespersönlichen «Forums gegen Gewalt» letztes Jahr bereits zum zweiten MalAnzeige gegen Jürg Scherrer erstattet hatte (siehe unten). Im aktuellen Fallhatte das Gericht eine «Medieninformation» der Freiheits-Partei mit derÜberschrift «Kosovo: Der 27.Schweizer Kanton?» zu beurteilen. Darin schreibt JürgScherrer: «Die Freiheits-Partei weist darauf hin, dass u. a. die Einwanderer (sogenannte Flüchtlinge) aus dem Kosovo einen unverhältnismässig hohen Anteil ander zunehmenden Gewaltbereitschaft und Kriminalität in der Schweiz haben.Darum verlangt die FPS die Rückschaffung sämtlicher Einwanderer aus demKosovo.» Die «Medieninformation» publizierte die FPS im Zusammenhang mit demBundesratsentscheid zur vorläufigen Aufnahme der Flüchtlinge aus Kosovo während desKrieges. Das Obergericht attestierte dem Bieler Einzelrichter eine«sorgfältige Begründung» des Urteils und schloss sich dieser weitgehend an. Der vonJürg Scherrer verfasste Text werde vom Durchschnittsleser so verstanden, dassKosovo-Albaner grundsätzlich gewalttätig seien oder zu kriminellen Handlungenneigten, sagte Oberrichter Fabio Righetti an der gestrigen Urteilseröffnung.Dies komme einer «pauschalen Abqualifizierung» der Asylsuchenden aus Kosovogleich. In der «Medieninformation» werde somit eine bestimmte ethnische Gruppevia Internet, also öffentlich, in einer gegen die Menschenwürde verstossendenWeise herabgesetzt. Der im Antirassismus-Gesetz beschriebene Straftatbestandder Rassendiskriminierung sei somit erfüllt. Jürg Scherrers Aussage vor demBieler Einzelrichter, er habe nicht beabsichtigt, alle Kosovo-Albaner alspotenzielle Straftäter zu bezeichnen, bezeichnete Oberrichter Righetti gesternals «Schutzbehauptung». Insbesondere weil Scherrer gesagt habe, es müsstenalle Kosovo-Albaner ausgeschafft werden, weil die Kriminellen nicht von denanderen zu separieren seien, bestehe für das Obergericht kein Zweifel, dassScherrer in seiner «Information» alle Kosovo-Albaner im Visier gehabt habe.

«Jede Freiheit hat Grenzen»

Jürg Scherrer nahm gestern nicht an der Verhandlung des Obergerichts teil.Sein Anwalt machte jedoch in seinem schriftlichen Parteivortrag geltend, dassdie Rassismus-Strafnorm die Meinungsäusserungsfreiheit tangiere. DieserEinwand war für das Obergericht jedoch nicht stichhaltig. Jede Freiheit habe ihreGrenzen, sagte Righetti. Zwar seien «provokative, überspitzte Äusserungen» inder Politik normal. Auch hier gebe es jedoch eine Grenze, und die habe JürgScherrer mit seiner «Medieninformation» eindeutig überschritten. Scherrer gabgestern keinen Kommentar zum Urteil ab. Er wolle zunächst die schriftlicheUrteilsbegründung abwarten und erst dann über das weitere Vorgehenentscheiden. Nach der Verurteilung durch das Einzelgericht hatte Scherrer angekündigt,den Fall wenn nötig bis vor Bundesgericht weiterzuziehen.

Drei Fälle aus der Vergangenheit

1996: Immunität Im Anschluss an die «Arena» von SF DRS wurde Jürg Scherrer 1996 erstmalswegen Verletzung der Rassismus-Strafnorm angezeigt. Er hatte erklärt, Tamilenund Jugoslawen könnten nicht mit Bielern oder Zürchern verglichen werden, dennsie seien bedeutend krimineller. Zum Prozess kam es nicht, weil dieparlamentarische Immunität den damaligen Nationalrat schützte.

Februar 2002: Freispruch Wegen einer Pressemitteilung vom August 2001 musste sich Scherrer im Februar2002 vor Gericht verantworten. Nach tätlichen Übergriffen auf Rekruten hatteer geschrieben, man müsse das «Ausländerpack einer gewissen Herkunftausschaffen». Anzeige eingereicht hatte auch damals Heinz Kaiser. Richter MarkusGross sprach Scherrer am 20.Februar frei. Scherrer habe nicht direkt zu «Hassoder Diskriminierung von gewissen Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religionoder Ethnie» aufgerufen.

August 2002: Kein Prozess Aufgrund von Scherrers Aussage in einem Radiointerview, die Gaskammern seien«ein Detail der Geschichte» gewesen, eröffnete der BielerUntersuchungsrichter Patrick Robert-Nicoud ein Ermittlungsverfahren. Das Verfahren wurde jedochEnde August eingestellt. Dass Scherrer den Holocaust auf die gleiche Stufemit anderen Völkermorden stelle, sei keine «gröbliche Verharmlosung»begründete Staatsanwalt Pascal Flotron. (rw)