«Ein Detail in der Geschichte» seien die Gaskammern des Zweiten Weltkriegs, provoziert Biels Polizeidirektor Jürg Scherrer (FPS). Der Untersuchungsrichter hat ein Ermittlungsverfahren eröffnet.
Rémy Kappeler
Der Bieler Polizeidirektor provoziert die Öffentlichkeit ein weiteres Mal mit Aussagen, die in der Grauzone des Antirassismusgesetzes liegen. «Die Gaskammern sind ein Detail der Geschichte», sagte Jürg Scherrer (FPS) am Montagabend in einem Interview mit Radio Suisse Romande (RSR). Diese Aussage wurde bereits vor Jahren in ähnlicher Form geäussert. Der französische Präsidentschaftskandidat des Front National, Jean-Marie Le Pen, löste 1997 einen Sturm der Entrüstung aus. Er sagte an einer Pressekonferenz, die Ermordung der Juden sei «ein Detailpunkt in der Geschichte des Zweiten Weltkrieges». Die Justiz verurteilte ihn zu einer Geldstrafe.
Scherrer windet sich
Das RSR-Interview sei eine «journalistische Fehlleistung» gewesen, poltert Scherrer. Er habe keine Chance gehabt, auch nur einen Satz beenden zu können und habe die Fragen wegen der Tonqualität schlecht verstanden. Zudem sei das Gespräch in Französisch geführt worden. Der Journalist fragte den Polizeidirektor, ob «die Gaskammern ein Detail der Geschichte» seien. Scherrer rechtfertigt seine Aussage damit, er habe verstanden, ob Gaskammern Teil der Geschichte seien. «Dann habe ich geantwortet: Verfahren eingeleitet Auf die Aussagen im Interview hat das Untersuchungsrichteramt Biel-Seeland umgehend reagiert. Untersuchungsrichter Patrick Robert-Nicoud hat gestern von Amtes wegen ein polizeiliches Ermittlungsverfahren gegen Scherrer eröffnet. Dieses soll prüfen, ob Scherrers Äusserungen gegen das Antirassismusgesetz verstossen. Der Polizeidirektor reagierte auf die Nachricht gelassen: «Der Untersuchungsrichter hat keine Chance. Ich habe weder den Völkermord noch die Existenz der Gaskammern geleugnet.»Weniger gelassen nimmts Biels Stadtpräsident Hans Stöckli (SP): «Das hat er als Präsident der Freiheits-Partei gesagt. Mit der Stadt Biel hat das nichts zu tun.» Die Aussage sei inakzeptabel. Ob Scherrer als Gemeinderat noch tragbar ist, wollte Stöckli nicht kommentieren. «Eigenartige Argumente» «Ich habe Schwierigkeiten mit dem Argument, Gaskammern seien in der Geschichte der Menschheit Details», sagt auch Marcel Niggli, Strafrechtsprofessor an der Universität Freiburg. Da müsse Scherrer schon genauer defininieren, was ein Detail sei. «Von der Allgemeinheit wird darunter etwas nicht Bedeutsames verstanden», so Niggli. Und das seien Gaskammern niemals: «Kein einziger Völkermord wird je vergessen.»Erst vor zwei Monaten sorgte Jürg Scherrer für Aufsehen. Der Bieler Einzelrichter sprach ihn vom Vorwurf der Rassendiskriminierung frei: Seine Äusserungen nach tätlichen Angriffen auf Rekruten hätten sich nicht gegen eine bestimmte Rasse oder Ethnie gerichtet. Scherrer sagte damals, er werde nichts an seiner Art ändern, sich zu äussern.