Ein Walliser Jungpolitiker gehört zum aktiven Kern der rechtsextremen Gruppe «Militants Suisses». Die Gruppe hetzt gegen Linke und Ausländer. Der Dachverband der Schweizer Juden verlangt eine Reaktion der SVP. Die Partei untersucht den Fall.
«Meine Schweiz, Ich liebe sie. Du sollst deine barbarische Kultur nicht hierherbringen.» Aufkleber mit diesem Spruch auf Französisch tauchten Ende Januar im Unterwallis auf. Sie werden auf Strassenschildern, Laternen und Informationstafeln für Touristen angebracht. Auf einem anderen Aufkleber heisst es:
«Ein Land. Vier Landessprachen. Deine ist überflüssig. Integriere dich oder hau ab.»
Urheberin der Aufkleber ist die rechtsextreme Gruppierung «Militants Suisses». Sie bewarb und verkaufte Sets mit jeweils 40 Aufklebern auf ihrem Kanal in der Messenger-App Telegram. Zu den Gründern der «Militants Suisses» soll der Walliser Simon A. (Name der Redaktion bekannt) gehören. Er ist Mitglied der Jungen SVP und Redaktor bei der Zeitschrift «L’idée», dem offiziellen Organ der Jungen SVP Schweiz.
Linke als Komplizen von Islamisten
Die Mitwirkung von A. bei den «Militants Suisses» hat die Online-Plattform Renversé aus der Romandie mithilfe einer Analyse seiner zahlreichen Social-Media-Profile und dem Telegram- und Instagram-Account der «Militants Suisses» aufgedeckt. Obwohl er dort teilweise nicht unter seinem Klarnamen auftritt, lassen sich die Accounts mithilfe der Profilbilder zweifelsfrei Simon A. zuordnen.
Gemäss «Renversé» hat A. bereits einen Tag nach der Aktivierung des Telegram-Kanals der Gruppe im Oktober 2020 auf seinem persönlichen Twitter-Profil für eine Mitgliedschaft bei den «Militants Suisses» geworben.
In der Nacht auf den 5. Dezember 2020 trat die Gruppe erstmals öffentlich wahrnehmbar in Aktion. Sie hängte an einer Brücke in Sion ein Banner auf mit der Aufschrift: «Von Nizza über Lugano bis Wien: Der Islamismus tötet. Die lasche Linke ist sein Komplize.» Simon A. postet ein Bild des Banners auf mehreren seiner Social-Media-Profile.
Gemeinsame Putzaktion mit Deutschschweizer Neonazis
Kurz vor Jahresende nahm er an einer gemeinsamen Aktion der «Militants Suisses» mit der Deutschschweizer Neonazi-Gruppierung «Junge Tat» teil. Die «Junge Tat» entstand gemäss «SRF-Rundschau» aus den rechtsextremen Gruppen «Eisenjugend» und «Nationalistische Jugend Schweiz». Sie fällt durch ihre Aktivitäten in den Sozialen Medien auf. Dort postet sie regelmässig professionell produzierte Videos, die grosse Reichweite erzielen. Mit ihrem Telegramm-Kanal erreicht die Gruppe fast 4000 Abonnenten.
Simon A. und seine Kollegen der «Militants Suisses» trafen sich im Dezember 2020 in Rapperswil mit den Mitgliedern der «Jungen Tat» und sammelten in der Fussgängerzone und entlang der Seepromenade gemeinsam Abfall ein. Das publikumswirksame Säubern des öffentlichen Raums ist ein bei Rechtsextremen beliebtes Propagandamittel. Die «Junge Tat» produzierte ein Video von der Aktion und postete es auf Instagram.
Solidarität mit Antisemiten
Wenige Wochen nach der gemeinsamen Reinigungsaktion wurden am 20. Januar in den Kantonen Zürich und Luzern sechs Rechtsextreme verhaftet, darunter Mitglieder der «Jungen Tat». Die Zürcher Staatsanwaltschaft hat fünf davon unterdessen per Strafbefehl wegen Rassendiskriminierung oder mehrfacher Rassendiskriminierung, Vergehen gegen das Waffengesetz und Sachbeschädigung verurteilt. Ein Verfahren läuft noch.
Die Urteile gehen auf eine Störaktion bei einer Onlinevorlesung der Zürcher Hochschule der Künste (ZHDK) zurück. Sie fand am 20. April 2020 statt, dem Jahrestag von Adolf Hitlers Geburtstag. Die Neonazis loggten sich in die über Zoom stattfindende Veranstaltung ein. Sie schrien «Heil Hitler!» und «Sieg Heil!», jemand schrieb rassistische Ausdrücke auf die vom Dozenten eingeblendete Folie. «Die Beschuldigten verbreiteten die Ideologie des Nationalsozialismus und diskriminierten die Gruppen der Juden und diejenige dunkelhäutiger Menschen», sagte der ermittelnde Staatsanwalt zum «Tages-Anzeiger».
Nach der Verhaftung der Mitglieder der «Jungen Tat» solidarisierten sich die «Militants Suisses» mit ihren Gesinnungsgenossen aus der Deutschschweiz. In einer Instagram-Story sicherten sie ihnen «Solidarität und Unterstützung» zu: «Meinungsäusserungsfreiheit ist keine Einbahnstrasse».
Der Angriff auf die ZHDK-Vorlesung war nicht die letzte solche Aktion, die im Jargon «Zoom-Bombing» genannt werden. Am 1. Mai 2020 griffen Rechtsextreme letzten Jahres eine Veranstaltung der Zürcher Juso mit dem jüdischen Politaktivisten und Fotografen Miklós Klaus Rózsa an. Und im Januar 2021 übernahmen Rechtsextreme die Kontrolle über eine Online-Kulturveranstaltung der Jüdischen Liberalen Gemeinde Zürich. Sie zeigten Bilder von Adolf Hitler, primitiven Obszönitäten und Hakenkreuzen und liessen Nazi-Marschmusik laufen.
Noch ist die Täterschaft nicht ermittelt. Doch Spuren führen ins Umfeld der «Jungen Tat», mit deren Exponenten sich JSVP-Mitglied Simon A. getroffen hatte.
JSVP-Präsident: «Nulltoleranzpolitik gegenüber NS-Gedankengut»
Der Dachverband der jüdischen Gemeinden der Schweiz reagiert besorgt auf die rechtsextremen Aktivitäten des Jung-SVPlers. Jonathan Kreutner, der Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds (SIG), sagt:
«Es ist bedenklich, wenn ein Mitglied einer Partei aus dem demokratischen Spektrum solche rechtsextremen Ansichten vertritt und sich bei einer Gruppierung wie den ‹Militants Suisses› engagiert»
Die Solidarisierung mit einschlägig bekannten Neonazis sei besonders stossend. «Wir gehen davon aus, dass eine entsprechende Reaktion der SVP erfolgen wird.»
Die Junge SVP Schweiz sei den Fall intern bereits am Untersuchen, sagt ihr Präsident David Trachsel auf Anfrage:
«Die Ideologie einer Gruppe wie ‹Militants Suisses› ist mit derjenigen der JSVP Schweiz nicht zu vereinbaren».
Er habe zu Beginn seiner Präsidentschaft klar gesagt, dass die JSVP eine «Nulltoleranzpolitik gegenüber nationalsozialistischem Gedankengut» fahren werde. Das gelte auch in diesem Fall: «Ich stehe für Freiheit und Demokratie und verabscheue den Nationalsozialismus», betont Trachsel. Sollte sich herausstellen, dass die Recherchen zu Simon A. stimmen, sei «der Parteiausschluss die logische Konsequenz».
Simon A. liess über einen Parteikollegen ausrichten, er wolle für diesen Artikel nicht kontaktiert werden. Sein Twitter- und sein Facebook-Konto hat er unterdessen deaktiviert. Auf Instagram ist er weiterhin zu finden.