sda. Jeder zehnte Jugendliche in der Schweiz wird Opfer von rechtsextremistischer Gewalt. Dies stellt eine am Freitag in Basel präsentierte Nationalfonds-Studie mit fast 3000 Befragten fest. Rechte Gewalt sei in der Freizeitkultur der Jugendlichen verankert.
Bei der Studie hatte das Basler Sozialforscher-Büro ecce die jungen Opfer rechter Gewalt im Fokus. 2975 Jugendliche in den Kantonen Basel-Stadt und Baselland sowie im angrenzenden Aargauer Fricktal beantworteten dessen Fragebogen. Sie waren meist zwischen 16 und 20 Jahren alt; knapp die Hälfte steckte in Berufsausbildung.
Dass rechtsextremistische Gewalt in der Freizeitkultur verankert sei, lesen die Autoren aus den meistgenannten Tatorten und -Zeiten: Rechtsextreme schlagen primär in der Umgebung des Öffentlichen Verkehrs (24,7%) und im Öffentlichen Raum (22,6%) zu sowie am Wochenende (84,3%) respektive nachts nach 22 Uhr.
Zehn Prozent sind Rechte
Die meisten Taten spielen sich in anonymem städtischem Umfeld ab – die Täter-Herkunft lässt die Studie offen. Das städtische Angebot zieht auswärtige Jugendliche an; Gruppen begegnen sich. Gewalt betrifft deutlich Gruppen mit zumeist fünf und mehr Leute – dies bei Opfern wie Tätern. Täter und Opfer kennen sich selten.
Die Nationalität spielt bei der Frage, ob jemand zum Opfer wird, keine entscheidende Rolle, wie Co-Autor Martin Schmid ausführte. Am meisten rechtsextreme Prügel bekommen Junge aus dem Kiffer-Lager („cliquenbezogene, delinquente und rauschorientierte Jugendliche“), gefolgt von erkennbaren Linksalternativen sowie Hiphoppern.
Die Autoren beziffern das Rechte Lager („patriotisch-national orientierte, gewaltbefürwortende Partyjugendliche“) auf 9,6 Prozent der Befragten – also „sehr gross“. Davon bekennten sich 30 Prozent selber gar als Rechtsextreme. Fast drei Viertel aller befragten Jugendlichen nehmen dieses Rechte Lager auch als Bedrohung wahr.
Nicht ernst genommen
Manche Übergriffe sind auf Subkultur-Konflikte mit mehr oder weniger ideologischem Hintergrund zurück zu führen. Täter und Opfer sind indes nicht so einfach zu unterscheiden: Auch in Opfer-Cliquen Rechter Schläger gibt es Gewaltbereitschaft. Die Rechtsextremen wurden aus Beschreibungen der Opfer zu Optik, Haltung und Jargon identifiziert.
Folgeeffekte von rechtsextremen Übergriffen wurden für die Studie in 26 Interviews mit Opfern vertieft untersucht – was aber keine Zahlen hergab. Kritisiert wurde dabei etwa verbreitetes Desinteresse von Behörden bei Anzeigen. Das schmälere das Vertrauen junger Opfer in den Staat und erhöhe die Gefahr von Selbstjustiz.
Ebenfalls ungünstig sei, wenn das Opfer-Umfeld den ideologischen Hintergrund der Taten negiere oder einfach bagatellisiere. Das erschwere den Opfern das Verarbeiten; einzelne litten mehrere Jahre unter posttraumatischen Störungen. Und wenn sich Opfer resigniert verstecken, erfahre man schlicht zu wenig von den Untaten.