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Zwei Schweizer Forschende haben Internet-Memes genauer unter die Lupe genommen und deren politische Wirkung analysiert.
Das Zielfernrohr zeigt eine hässliche grüne Gestalt mit rotem Sowjet-Stern auf der Ushanka. Durchs Zielfernrohr blickt ein grinsender Frosch mit dem Gewehr im Anschlag. Seine Kopfbedeckung ziert das Wappen der Ukraine.
Das Bild ist ein Meme – ein Internetphänomen, das sich schnell im Netz verbreitet, dort von vielen geteilt wird und dabei oft auch verändert und neu zusammengesetzt. Googelt man nach Begriffen wie «Ukraine Invasion Memes» findet man unzählige solcher Bilder, Texte oder mit Texten versehene Bilder.
Vom demokratiefördernden Mittel zum Nazi-Frosch
Es ist nicht das erste Mal, dass Memes bei kriegerischen Auseinandersetzungen oder politischen Konflikten zum Einsatz kommen. Auch während dem Arabischen Frühling etwa wurden Memes eingesetzt, um damit die Obrigkeit zu kritisieren.
«Damals hatte man noch eine sehr positive Sicht auf Memes», sagt Julian Reidy, Literaturwissenschaftler und Mit-Autor des Buches «Memes – Formen und Folgen eines Internetphänomens».
Co-Autorin Joanna Nowotny ergänzt: «Man sah die Internetkultur insgesamt als etwas unglaublich Befreiendes: Endlich können Minderheiten reden, endlich können sich alle eine Stimme verschaffen, endlich gibt es ein die Demokratie förderndes neues Medium.»
Doch seither habe es eine Desillusionierung gegeben. Und damit einhergehend die Erkenntnis, dass die Internetkultur auch ganze andere, weit weniger schöne Seiten habe.
Das konnte man zum Beispiel während dem Präsidentschaftswahlkampf 2016 in den USA sehen, als die extreme Rechte Memes wie den oben erwähnten Pepe the Frog für sich entdeckte und selbst Donald Trump ein Bild von sich als Pepe auf Twitter teilte.
Mit «Memes – Formen und Folgen eines Internetphänomens» haben Nowotny und Reidy das erste deutschsprachige Buch geschrieben, das sich Memes aus einer wissenschaftlichen Perspektive nähert.
Pepe der Frosch spielt dabei eine wichtige Rolle: «Die Reise dieser Figur in die unterschiedlichsten Richtungen ist für uns typisch dafür, wie Memes entstehen und sich verbreiten», sagt Nowotny.
Denn Pepe – der ursprünglich aus einem alternativen amerikanischen Comic stammt – wurde nicht nur von der Rechten für sich entdeckt: Auch Demonstrierende in Hongkong verwenden ihn, um damit gegen das autoritäre chinesische Regime zu protestieren. Und kriegerische Konflikte wie aktuell der in der Ukraine zeigen, dass sich das Meme für alle möglichen Zwecke einsetzen lässt.
Die Grenzen des Sagbaren verschieben
Genauso ambivalent wie die Figur Pepes bleibt darum auch Joanna Nowotnys Einschätzung, wie geeignet Memes für die Kommunikation politischer Inhalte sind: «Sie eignen sich – und sie eignen sich nicht.»
Zwar könnten Memes für viel Aufmerksamkeit sorgen. Doch um tatsächlich Wirkung zu entfalten, sei meist zu wenig klar, was die Bilder und Texte eigentlich aussagen wollten, die da durchs Internet wandern.
Aber wenn man den Begriff des Politischen weiter fasse, dann könnten Memes durchaus etwas bewirken, ist Mit-AutorJulian Reidy überzeugt: «Wenn zum Politischen auch das Kulturelle gehört – also die Normen einer Gesellschaft – dann macht es schon etwas aus, wenn ein Mitglied der Regierung Nazi-Frösche im Internet postet.» So etwas verschiebe die Grenzen des Sagbaren – und auch das gehöre mit zum politischen Prozess.
Doch darum geht es den Leuten, die nun Memes zum Krieg in der Ukraine posten, wohl nicht. Hier erfüllen Memes eine andere Funktion, die sie trotz der Vereinnahmung für linke oder rechte Zwecke stets auch haben: Sie sollen eine schlimme Situation mit Humor und Ironie immerhin etwas erträglicher machen.