In Wileroltigen liegen die Nerven blank

Berner Zeitung. Auf Regierungsrat Christoph Neuhaus wartet in Wileroltigen ein Spiessrutenlauf: Der geplante Platz für ausländische Fahrende lässt die Emotionen hochkochen.

«Fahrende, fahrt weiter.» Auf seiner Facebook-Seite präsentiert das Bürgerkomitee, das den umstrittenen Transitplatz für ausländische Fahrende bei Wileroltigen verhindern will, seit Mitte Woche seinen neusten Streich: Mit einem Schild im Freien fordert es die Roma-Gruppen, die das Areal an der Autobahn schon mal in Beschlag genommen haben, unmissverständlich zum Gehen auf. Im Vergleich mit den vier Personen, die ihr Werk mit sichtbarem Stolz vorführen, wirkt die Holzkonstruktion riesig.

Die Reaktionen liessen nicht auf sich warten. Heftig wurde in den Kommentarspalten über die Fahrenden debattiert. Während die einen zu Toleranz aufriefen, liessen die anderen ihrem Frust freien Lauf. Wer sich im Zaum halten konnte, schrieb nur kurz, er sei wütend und fügte vielleicht noch einen zornigen Smiley an. Bei etlichen dagegen schienen alle Sicherungen durchzubrennen. Man würde «das Pack» am besten gar nicht über die Grenze lassen, hiess es, oder: «Die Schmarotzer» sollten endlich kapieren, dass sie unerwünscht seien. Einer verstieg sich gar in die Behauptung, Fahrende vermehrten sich wie die Kaninchen.

Weil solche Sätze gegen das Antirassismusgesetz verstossen und auf das Bürgerkomitee zurückfallen können, schaffte der Webmaster Remedur. Er löschte alle Kommentare und mahnte: «Bitte bleibt sachlich.»

Verschmutzte Matte

Keine Gewalt, kein Rassismus – dieses Credo gelte für das Bürgerkomitee nach wie vor, betont Präsident Armin Mürner. Das ändere nichts daran, «dass wir den Platz nicht wollen und ihn auf allen Ebenen bekämpfen». Klar gehörten dazu auch Emotionen., «aber sie dürfen sich nicht unter der Gürtellinie bewegen».

Dann versucht er doch noch, wenigstens etwas Verständnis für die Wut vieler Leute in Wileroltigen zu wecken. «Die Bauern haben Angst», sagt er und erinnert an ein Thema, das schon an der Protestversammlung von Ende Juli zu reden gegeben hat: Nach wie vor benützen die Roma die Landschaft als Freilufttoilette und lassen überall unappetitliche Häufchen liegen.

Für einen Landwirt könne das böse Folgen haben, fährt Mürner fort. Er erzählt von einer Kuh, die vor zwei Jahren an Salmonellen aus menschlichen Fäkalien gestorben sei. Sie habe diese auf einer Matte neben einem Camp Fahrender aufgelesen.

Vor diesem Hintergrund erwartet er für die Versammlung von übernächstem Montag einen Massenauflauf. Bekanntlich wird dann Regierungsrat Christoph Neuhaus (SVP) über den geplanten Transitplatz informieren. Ursprünglich ging das Komitee von 1000 Leuten aus, was für das 380-Seelen-Dorf Wileroltigen schon viel wäre. Angesichts der grossen Bewegung, die in die Sache gekommen sei, rechne er mittlerweile mit 2000 Interessierten.

Einer gegen acht

Wie sich angesichts all der Emotionen eine so grosse Menge verhalten wird? Zumal die Festwirtschaft schon eine Stunde vor dem offiziellen Teil aufmachen wird? Man setze alles dran, den Anlass in geordneten Bahnen über die Bühne zu bringen, beruhigt BDP-Grossrat Daniel Schwaar im Namen der Organisatoren. Gemeindepräsident Christian Grossenbacher sagt trotzdem, dass die Sicherheit zur grossen Herausforderung wird. Er sieht deshalb dem Abend «mit gemischten Gefühlen» entgegen.

Nach Neuhaus werden an diesem Abend acht weitere Redner auftreten und sich kritisch zum Platz äussern. Dass einem Befürworter damit gleich acht Gegner gegenüberstehen, findet Schwaar nicht weiter problematisch. Neuhaus könne so lange reden, wie er wolle. Die acht Referenten dagegen müssten sich auf vier Minuten beschränken. Stephan Künzi

TERMIN VERSTRICHEN

Eigentlich sollten die Fahrenden den Platz bei Wileroltigen geräumt haben. Aber noch immer stehen auf dem Areal gegen 50 Wohnwagen. Auf Nachfrage bestätigt Gemeindepräsident Christian Grossenbacher: Der Abreisetermin ist ungenutzt verstrichen. Auf wann genau dieser angesetzt war, legt er nach wie vor nicht offen.

Wie es weitergeht, ist offen. Solange die öffentliche Sicherheit nicht gefährdet sei, könne die Gemeinde wenig unternehmen, so Grossenbacher. Gespräche mit Statthalteramt und Polizei hätten gezeigt, dass es «noch schwieriger ist als ursprünglich angenommen, die Fahrenden wegzubringen».

Dazu kommt, dass eine polizeiliche Räumung nicht gratis wäre. Bei 200 Wohnwagen wie zu den Spitzenzeiten hätte sie 150 000 bis 200 000 Franken gekostet – viel Geld für das kleine Wileroltigen. skk