Aus der Schweiz und Frankreich stammende Rückkehrer aus dem ukrainischen Bürgerkrieg beteiligen sich in der Schweiz an Hooligankämpfen. Kampfgefährten und lose Strukturen aus dem Umfeld von «Autour du lac» und den Hammerskins Romandie bilden die Hooligangruppe Swastiklan (Swastika = Hakenkreuz).
Seit 2014 tobt in der Ukraine ein Sezessionskrieg zwischen prorussischen und proukrainischen Kräften. Prorussische und russische Einheiten und Milizen erklärten im Frühjahr 2014 die östlichen Provinzen Donezk und Luhansk als unabhängig und besetzten die Krim. Dies als Reaktion auf die Euromaidan-Proteste in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Die politische Zerreissprobe der Ukraine mündete in einen bis heute andauernden Frontenkrieg zwischen prorussischen und proukrainischen Milizen. Mittendrin in diesem bewaffneten Konflikt finden sich schweizerische und europäische Neonazis, welche als Legionär_innen und Reisläufer_innen mit der Waffe in der Hand ihre Vision eines «Weissen Europas» verteidigen.
Azov – das Nazi-Bataillon
Das Azov-Bataillon wurde am 5. Mai 2014 während der ukrainischen Krise als freiwillige Miliz gegründet. Im Juni 2014 sammelte es erste Kampferfahrung mit der Rückeroberung der Stadt Mariupol von prorussischen Separatist_innen [1]. Das Bataillon setze sich von Beginn an aus nationalistischen Kräften zusammen und entfaltete eine grosse Anziehungskraft für Neonazis aus der Ukraine und ganz Europa. Von ursprünglich knapp 850 Kämpfer_innen wuchs Azovs Schlagkraft auf über 2500 Personen – davon etliche Söldner_innen aus dem Ausland [2]. Azov zeichnet sich durch eindeutige Bezüge zum Nationalsozialismus aus. Das Logo von Azov ziert eine Wolfsangel, und ideologisch bildet das Bataillon die Vorhut der paneuropäischen Bewegung [3].
Die Entwicklung von Azov ist Produkt der gesellschaftlichen Verwerfung in der Ukraine. Rechtsnationalistisches Gedankengut dient der Mobilmachung für den Krieg und hat sich tief in die ukrainische Gesellschaft gefressen. Dieser Nationalismus ist der Nährboden für Azov und andere nationalistische Gruppen, die dank ihrer Erfolge grosse gesellschaftliche Anerkennung finden. Dadurch ist die Ukraine zum Sehnsuchtsort für Neonazis aus ganz Europa geworden.
Die ukrainische Bewegung selbst verfügt über ein hohes Sendungsbewusstsein und ist durch die von ihr geprägte paneuropäische Idee ideologisch anschlussfähig [4].
Unterstützer_innen aus der Schweiz
Die militanten Strömungen der ukrainischen Rechten nutzten seit Beginn des Konflikts ihre internationalen Kontakte, um Unterstützer_innen für ihre Sache zu gewinnen. Dazu gründeten sie Supportorganisationen, welche finanzielle, politische und militärische Ressourcen für den Kampf beisteuern. Eine davon, die «Misanthropic Division», verfügt über Ableger in Westeuropa und Nordamerika und gilt als das wichtigste Rekrutierungsnetz für Azov-Kämpfer_innen aus dem Ausland [5].
Björn rechts
In der Westschweiz formierte sich bereits im Frühjahr 2014 ein lokaler Ableger der «Misanthropic Division» (MDS) [6]. Als mutmasslicher Anführer dieser Gruppe gilt «Björn Sigvald», ein seit seiner Jugend kampfsportbegeisterter Neonazi, der in der Öffentlichkeit bislang nur unter seinem Pseudonym bekannt ist. Björns Vita steht beispielhaft für die Entwicklung der Mitglieder der «Misanthropic Division». Aus Obsession für den Kampf und losen Berührungspunkten zur Ukraine entwickelte sich ein persönliches Netzwerk an Kontakten, das in ein aktives Mitwirken vor Ort mündete.
Björn der Netzwerker
«Björn Sigvald» ist seit rund zehn Jahren in der extremen Rechten aktiv und verfügt über weitreichende internationale Kontakte in unterschiedliche Lager der Szene. Die ersten wichtigen Kontakte knüpfte er über die Schweizer Hammerskins. 2011 wurde er in den «Hang-Around-Status» der Hammerskins Romandie gehoben [7]. Zu dieser Zeit und in den kommenden Jahren besuchte er mit Joël «Pouppi» Moret und andern Vertreter_innen der Hammerskins Konzerte und Szene-Anlässe im angrenzenden Ausland und knüpfte neue Bekanntschaften [8]. Unter anderem lernte er Tomasz Skatulsky, Veranstalter von Kampfsportevents der rechtsextremen Szene und Inhaber der Marke “Pride France“, kennen [9].
Pouppi (l), Björn (2vl) und weitere in Mailand Björn 2014 als Kämpfer am Day of Glory
Wie Medien berichteten, sendete die «Misanthropic Division Schweiz» im Oktober 2014 800 Schweizer Franken an Azov [10]. Die Kontakte in die Ukraine intensivierten sich zunehmend. Wie Bilder in den Sozialen Medien bestätigen, unternahm «Björn» spätestens ab dem Frühjahr 2015 Reisen in die Ukraine. Zu jener Zeit organisierte er in der Region Lausanne auch eine Konferenz zur aktuellen Lage in der Ukraine [11].
Nach den ersten Reisen äusserte er in Chats die Idee eines Hauskaufes in den Karpaten (Westukraine). Er dürfte zeitweise in der Ukraine gelebt haben. Olena Semenyaka, Azov-Botschafterin in Westeuropa, berichtete davon in den Sozialen Medien.
Neben direkter Kampferfahrung, welche er gemäss Blick-Recherchen unter anderem bei Azov sammelte, intensivierte er seinen politischen Aktivismus in der Ukraine [12]. So nahm «Björn» 2017 an der Paneuropa-Konferenz teil [13] und unterhält diverse Kontakte zu Vertreter_innen der paneuropäischen Idee, allen voran Olena Semenyaka [14].
«Björn» unterstützt und trainiert auch mit der ukrainischen «Miliz C14 Sich Karpatska», die nach dem Vorbild von CasaPound unter der Ägide von Taras Dejak geführt wird [15]. C14 ist unter anderem wegen Angriffen auf Sinti und Roma gefürchtet [16]. Gemeinsam mit Dejak und einer Delegation von C14 besuchte «Björn» im Februar 2019 auch das Heldengedenken «Tag der Ehre» in Budapest [17]. «Björn» hat sich in der Ukraine ein breites Netzwerk an Kontakten aufgebaut. Er repräsentiert die Schweiz in der paneuropäischen Bewegung und rekrutiert für Azov in der französischen Schweiz [18].
Das Netzwerk
Die intensiven Kontakte zwischen der Szene aus der Westschweiz, den umliegenden französischen Gebieten und der Ukraine kamen mutmasslich über zwei Interessenfelder zu Stande – Musik und Kampfsport.
Im Bereich der Musik nehmen die französischen «National Socialist Black Metal» (NSBM)-Bands «Kommando Pest Noire» (K.P.N) und «Baise ma Hache» (BmH) eine zentrale Rolle ein. Die Bands sind eng mit der ukrainischen NSBM-Band «M8L8TH» (Molotov) verbandelt, deren Sänger Alexei Levkin als Führungspersönlichkeit von Azov und der offen neonazistisch auftretenden «Wotan Jugend» gilt [19]. So spielte K.P.N. mehrfach am von Levkin mitorganisierten Asgardsrei-Festival in Kiew, wo die Band auf eine grosse Anhänger_innenschaft bauen kann [20]. Der Sänger von K.P.N., Ludovic Faure, wiederum ist gut mit «Björn» befreundet. Letzterer spielte 2016 und 2017 als Gitarrist bei Liveauftritten und hat sich den Namen der Band auf den Bauch tätowiert [21]. Er wirkte auch im in Kiew aufgenommenen Video «Le dernier Putsch» der Band mit und posiert mit Levkin und Faure im «Militant Zone-Store» [22], einem im Zentrum von Kiew gelegenen NSBM- und Kleiderladen.
Björn, Levkin und Faure Plakat Asgardsrei Festival 2016
Neben der Musik ist Kampfsport ein weiterer zentraler Bezugspunkt des Netzwerkes. Tomasz Skatulsky und Joël «Pouppi» Moret, beides langjährige Gefährten von «Björn», kämpften beide mehrfach im «Reconquista Club» in der Ukraine [23]. «Björn» selbst kämpfte am von Skatulsky organisierten Kampfsportevent «Day of Glory» 2014 in Lyon. Kampfsport im Allgemeinen ist im Umfeld von Azov sehr beliebt und dient der Vorbereitung für den Krieg. Azov kultiviert eine Subkultur rund um den Kampfsport und wird dabei auch von Denis «Nikitin» Kapustin und «White Rex» unterstützt [24].
Der Azov-Kämpfer «Björn» wurde 2020 mehrfach in seiner Heimatregion gesichtet, was darauf hindeutet, dass er sich wieder in der Schweiz aufhält. Zusammen mit Joël Moret und anderen Neonazis trainiert er Mixed Martial Arts (MMA).
Mit Adrenalin vom Acker an die Front
Es bleibt aber nicht beim Training. Gemeinsam mit ihren Freunden aus dem Umfeld von «Autour du Lac» bilden sie die Hooligangruppe «Swastiklan Wallis» und bestreiten sogenannte Ackermatches – so zum Beispiel am 5. September 2020 gegen die Berner Hooligangruppe «Frontline» [25].
Die Zusammensetzung von «Swastiklan» widerspiegelt die grenzübergreifende Vernetzung der extremen Rechten. So unterstützen zwei französische Neonazis die Gruppe. Zum einen der Fremdenlegionär Maxime Pomerat, welcher auch 2017 in Annecy am «Force & Honneur» präsent war [26].
Zum anderen kämpfte Marc de Cacqueray de Valménier, Hooligan bei «mesOs» aus Reims, in den Reihen von «Swastiklan» [27]. Cacqueray ist Anführer der rechtsextremen Gruppe «Zouaves Paris» und gilt als Schwergewicht in der militanten Neonaziszene Frankreichs. Es wird vermutet, dass dieser ebenfalls als Freiwilliger in der Ukraine kämpfte [28]. Aktuell nimmt Marc de Cacqueray an militärischen Handlungen in Bergkarabach auf armenischer Seite teil und will vor Ort nach eigenen Angaben ein Freiwilligen-Bataillon aufbauen [29]. Neben Joël Moret sind folgende Schweizer Neonazis in der Nazihooligan-Combo vertreten:
stehend v.l.n.r. Gael Gonthier, Alexandre Golay, Yanek Vincent Czura, Maxime Pomerat, Marc de Cacqueray, Kilian Juillard, Lionel Stritt
kniend v.l.n.r. Jean-Marie Eggel, Noah Stucky, Joël Moret
Gael Gonthier, Alexandre Golay, Yanek Vincent Czura, Kilian Juillard, Lionel Stritt, Jean-Marie Eggel und Noah Stucky. Hervorzuheben ist hierbei Noah Stucky aus dem Umfeld der Hooligans des FC Sion, der «Street Society Oberwallis», welcher unter anderem mit dem in der Schweiz untergetauchten Nordulf Heise im Mai 2019 den «Eichsfeldtag» in Thüringen besuchte [30].
Die kampferprobten Neonazis zeigen sich ambitioniert. So kämpften Skatulsky und Yanek Czura am letzten Samstag 31.10.2020 im schwedischen Göteborg im «Kings of the Street (KOTS) Underground Fightclub» gegen andere europäische Hooligans [31]. Begleitet wurde Yanek dabei von Gaëtan le Bris und Joël Moret, welcher die beiden im Auto nach Schweden chauffierte.
8 Siehe Foto Björn & Pouppi in Mailand
20 Siehe Foto Plakat Asgardsrei Festival 2016
22 Vergleiche youtu.be/HNBVfZ6FrZs?t=156
25 Siehe Instagram Post „Gruppa Of“
26 Siehe Foto Besucher „Force & Honneur“
28 Eluek, Moritz. Kampfsport in der extremen Rechten in Griechenland und Frankreich. In: Claus, Robert. Ihr Kampf. Wie Europas extreme Rechte für den Umsturz trainiert, ORT 2020 S. 172. Siehe auch https://www.streetpress.com/sujet/1578306554-hooligans-neonazis-squattent-tribunes-stades-foot-extreme-droite-antisemites
31 Vergleiche kotsfights.com/