«Ich wollte einfach, dass er aufhört»

Der Bund

HUTTWIL / Als ihr Kollege von einem Skinhead zusammengeschlagen wurde, setzte sich Sophie Barthod-Malat mit den Fäusten zur Wehr. Deswegen ist die 20-Jährige für den «Prix Courage» nominiert, mit dem der «Beobachter» mutige Zeitgenossen auszeichnet. Besonders mutig fühlt sie sich indessen nicht – was sie getan habe, sei «normal».

* STEFAN VON BELOW

Ein Bild desFriedens:Die 20-jährige Sophie Barthod-Malat mit ihrem Kater Baghira zuhause am Küchentisch. (S. Anderegg) Sophie Barthod-Malat ist ein friedlicher Mensch. Diesen Eindruck erhält zumindest, wer der 20-jährigen Huttwilerin beim Kaffee an ihrem Küchentisch gegenübersitzt. Liebevoll streichelt sie ihren Kater «Baghira». Dann zündet sie sich eine Zigarette an und beginnt mit ruhiger Stimme zu erzählen: Von jenem Freitagabend im November 2000, als sie handgreiflich wurde – von jenem Abend, der das Leben der jungen Frau verändert hat.

«Ich war mit zwei Kollegen im Pub, als ein paar Skinheads hereinkamen.» Bald habe ein gutes Dutzend glatzköpfiger Jünglinge «mit bösen Blicken» um sich geschaut – laut Barthod-Malat waren sie zwischen 17 und 30 Jahre alt und «wahrscheinlich vom Land zwischen Huttwil und Langenthal» kommend. Als sie und ihre Kollegen die Beiz verlassen hätten, sei einer der beiden von einem der Skins zu Boden gestossen worden. Auf dem Heimweg – verfolgt von einigen Skins – sei er bei der Post erneut niedergeschlagen worden und liegen geblieben: «Er stellte sich bewusstlos.»

«Ich weinte und schrie»

Darauf kam es zur Eskalation. Der andere Kollege – aus Laos gebürtig und daher fremdländisch aussehend – habe die Skinheads beschimpft, sagt Barthod-Malat. «Einer von ihnen schlug ihn bei der ,Krone‘ zusammen», berichtet sie weiter. «Ich weinte und schrie, er solle aufhören» – ohne Erfolg: «Ich sprach gegen eine Wand.» Darauf versuchte sie den Skin wegzustossen, der auf dem bewusstlos am Boden liegenden Kollegen kniete. «Ich habe ihn auch geschlagen – ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte.» Schliesslich hätten Gäste der «Krone» Polizei und Sanität alarmiert, worauf der Skin von seinem Opfer abgelassen habe. «Danach fuhr ich mit meinem Kollegen ins Spital – zum Glück hatte er nur das Schlüsselbein gebrochen.»

Angst habe sie während der ganzen Szene nicht gehabt, blickt die zierliche Frau zurück. «Ich habe mir gar nichts überlegt, sondern einfach getan, was ich konnte.» Schliesslich sei sie auch noch nie mit einer solchen Situation konfrontiert gewesen. «Ich wollte einfach, dass er aufhört.» An jenem Abend habe ihr Leben einen «Knick» erhalten, sagt Barthod-Malat. «Seither hatte ich manchmal Angst, dass sie wieder kommen könnten.» Noch heute weiche sie «lieber 20 Kilometer weit aus», als einem Skinhead zu begegnen. Doch in Huttwil fühle sie sich mittlerweile wieder sicher: «Sie sind nie mehr gekommen.»

150 Franken Busse bezahlt

Abgeschlossen ist die Geschichte für die angehende Verkäuferin trotzdem nicht. Die Busse von 150 Franken wegen Tätlichkeit, die ihr eines Tages ins Haus geflattert sei, habe sie zwar bezahlt – «ich dachte, dann wäre das Ganze endlich vorbei». Im Februar muss sie jedoch noch als Zeugin vor Gericht auftreten: Offenbar haben die Skins ihre Kollegen wegen Raufhandels angezeigt. Und dann steht ihr ja auch noch die Galafeier in Zürich bevor. Dort wird der «Prix Courage» verliehen, für den Barthod-Malat von ihrer Mutter angemeldet wurde (siehe unten). «Ich bin jetzt schon nervös – so viele Leute!» Andererseits freue sie sich auch. «Das wird bestimmt spannend.»

Sie selber fühle sich allerdings «nicht speziell mutig», meint die junge Frau. «Für mich ist es normal, dass man den Hilflosen hilft.» Wenn nötig, würde sie auch einem «Jugo» helfen – obschon sie mit Männern vom Balkan und aus der Türkei schon «sehr schlechte Erfahrungen» gemacht habe. Eine «Rassistin» sei sie aber nicht, betont Barthod-Malat, die dank ihrem französischen Vater selber Doppelbürgerin ist.

Politisch «in der Mitte»

Politisch stehe sie «irgendwo in der Mitte», ohne aktiv zu sein. «Man muss doch neutral sein», findet die junge Frau. Nur gegen Skins habe sie etwas. «Die mag ich nicht mehr anschauen.» So hofft sie auch, mit ihrer Nomination für den «Prix Courage» etwas «aufwecken» zu können, «damit endlich etwas getan wird». Die Polizisten «ziehen den Schwanz ein, wenn sie Skins sehen». Aber auch die Politik müsse sich der herrschenden Gleichgültigkeit endlich entgegenstellen. «Die meisten Leute stehen doch bloss daneben oder laufen davon, wenn etwas passiert.» Am wichtigsten sei aber die Erziehung. «Wenn die Kinder so stark das Bedürfnis haben, sich in einer Gruppe zu integrieren, ist offenbar etwas schief gelaufen.»

Sie mache sich nicht gross Gedanken darüber, ob sie nun den Preis gewinne oder nicht, sagt Barthod-Malat. «Im Moment kommt mir mein Leben vor wie ein Film, der an mir vorüberflimmert.» Das Preisgeld käme ihr allerdings sehr gelegen – «dann könnte ich endlich die Autofahrprüfung machen». Wichtiger wäre ihr jedoch, dass die Leute aufhörten, den Skinheads bloss zuzuschauen und wegzurennen. «Dazu bräuchte es nicht viel.»

Preis für Mut

bwb. Anlässlich einer Galafeier entscheidet eine Jury unter der Leitung von alt Bundesrat Otto Stich am 2. Februar über die Vergabe des mit 25’000 Franken dotierten «Prix Courage» für besondere Zivilcourage. Aus Anlass seines 75-Jahr-Jubiläums lanciert der «Beobachter» zudem einen mit 10’000 Franken dotierten Publikumspreis. Zu den Nominierten zählt neben Sophie Barthod-Malat auch die Burgdorfer Bürgerbewegung «Courage», die sich seit letztem Frühjahr gegen Gewalt und Rechtsextremismus stark macht. Daneben sind neun weitere Personen aus der ganzen Schweiz für den Preis nominiert. Sie haben sich in den Augen des «Beobachters»durch besonderen Mut ausgezeichnet.