SP-Präsident Hans-Jürg Fehr steht voll hinter Micheline Calmy-Reys Rütliplan. Er hofft, dass Tausende sich Calmy-Rey anschliessen und mit der Bundespräsidentin am 1. August aufs Rütli gehen werden.
Mit Hans-Jürg Fehr sprach Mathias Küng
Herr Fehr, was halten Sie von Micheline Calmy-Reys Plan, am 1. August aufs Rütli zu gehen, obschon die offizielle Feier abgesagt wurde?
Hans-Jürg Fehr: Es ist eine sehr gute Idee unserer beiden höchsten Repräsentantinnen, Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey und Nationalratspräsidentin Christine Egerszegi, am Nationalferiertag an jenem Ort zu sein, der die Schweiz, ihre Geschichte und ihre Werte so gut repräsentiert.
Sie sagten, dass Sie für eine Rütlifeier 1000 Genossinnen und Genossen mobilisieren würden.
Fehr: Wenn Calmy-Rey aufs Rütli geht und eine Begleitung zuliesse, würde ich weiterhin Mitglieder der Partei – vorab jene, die in der Nähe wohnen – auffordern, mitzugehen. Ich hoffe, dass in einer unorganisierten Völkerwanderung über den so genannten «Weg der Schweiz» einige tausend Menschen hingehen werden.
Gehen Sie selber auch hin?
Fehr: Wenn ich könnte, würde ich Calmy-Rey begleiten. Doch ich habe am 1. August an drei verschiedenen Orten für eine Ansprache zugesagt.
Der Bundesrat soll mit 6:1 Stimmen gegen eine finanzielle Beteiligung an der Feier gewesen sein. Das käme einer Desavouierung von Calmy-Rey gleich.
Fehr: Ich kenne das Stimmenverhältnis nicht. Ich weiss nicht, ob im Bundesrat überhaupt abgestimmt wurde. Es ist aber ohnehin Aufgabe der Kantone mit ihrer Polizeihoheit, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Auf dem Rütli und im ganzen Land.
Es geht also um mehr als «nur» einen Auftritt auf dem Rütli?
Fehr: Hier geht es um wichtige Werte wie Rede- und Bewegungsfreiheit in unserem Land. Darf eine Bürgerin und Bundespräsidentin am 1. August nicht an einen Ort ihrer Wahl gehen und eine Ansprache halten? Selbstverständlich darf sie das! Es ist eine ganz normale Aufgabe der zuständigen Behörden, dafür zu sorgen, dass sie das kann.
Hätten also die Kantone mit ihrem Hilfeersuchen gar nicht an den Bund gelangen sollen?
Fehr: Eine Geste zugunsten der beiden höchsten Repräsentantinnen unseres Landes hätte sich der Bund überlegen können. Aber die Sicherheit ist Aufgabe der Kantone und ihrer Polizeikorps, nicht des Bundes. Das ist bei anderen grossen Anlässen genauso. Ich sehe keinen Grund, warum es auf dem Rütli anders sein soll.
Der Bundesrat hat dafür signalisiert, man könne Unterstützung des Militärs anfordern.
Fehr: Das war eine ganz schlechte Idee. Für die innere Sicherheit ist die Polizei zuständig, nicht die Armee. Diese kann hier keinesfalls zum Einsatz kommen. Dafür haben wir in der Schweiz die Polizei.
Ist das bundesrätliche Nein letztlich Ausdruck eines Machtkampfes zwischen Christoph Blocher und Micheline Calmy-Rey?
Fehr: Nein, das sehe ich nicht so. Es geht ausschliesslich um das Recht, auch am 1. August aufs Rütli zu gehen und dort eine Feier abzuhalten. So wie man es bisher gemacht hat. Nur weil ein paar hundert Rechtsextreme diese Veranstaltung stören wollen, darf man nicht kapitulieren.
Sie bedauern also sehr, dass die Feier abgesagt wurde?
Fehr: Ja. Dies gilt aber in jedem Fall, wo eine Feier abgesagt werden sollte, weil Rechtsextreme diese stören wollen. Wir haben das Recht, uns in unserem Land frei zu bewegen und frei unsere Meinung zu sagen. Am 1. August und an allen anderen 364 Tagen im Jahr. Es ist Aufgabe der Sicherheitskräfte dafür zu sorgen, dass diese Freiheitsrechte gewahrt bleiben.
Derzeit ist viel die Rede von symbolhafter Politik. Calmy-Rey hat ein Flair dafür. Was bringt solche Politik?
Fehr: Symbole spielen eine grosse Rolle. Es ist gar nicht einfach, Symbole so einzusetzen, dass die Botschaft auch verstanden wird. Frau Calmy-Rey hat eine besondere Begabung, der Bevölkerung mit symbolischem Handeln eine Botschaft zu übermitteln, die auf anderen, komplizierteren Wegen nicht ankäme. Aber sie hat das ja nicht gesucht.
«Man darf nicht kapitulieren.»
Was denn?
Fehr: Sie wollte nichts anderes als mit Nationalratspräsidentin Egerszegi und anderen auf dem Rütli den 1. August feiern. Dass sie daran festhält, hat jetzt aber tatsächlich eine sehr hohe Symbolkraft. Diese Demonstration für Bewegungs- und Redefreiheit zeigt ihre Unbeugsamkeit.
Andere sehen das Verhalten von Frau Calmy-Rey nach der Absage als Rechthaberei.
Fehr: Lieber Rechthaberei als Kapitulation. Frau Calmy-Rey setzt sich für sehr hohe Werte ein, eben für die Rede- und Bewegungsfreiheit auch am 1. August. Man muss sie besonders dann verteidigen, wenn sie gefährdet sind. Deshalb ist dieses «Jetzt erst recht» der Bundespräsidentin genau die richtige Reaktion. Es mutet geradezu pervers an, dass die Bundespräsidentin in einer mutigen Aktion das selbstverständliche Recht, am 1. August auf dem Rütli zu sein, erkämpfen muss.