«Er hat mir eine Anfrage auf Facebook geschickt. Ich kannte ihn nicht, aber er sah wirklich gut aus – muskulös, männlich, viele Tattoos…» – Die junge Hotelangestellte aus Baden im Aargau gerät fast ein bisschen ins Schwärmen, als sie vom Kennenlernen ihrer ersten grossen Liebe erzählt. «Wir haben wochenlang in jeder freien Minute gechattet – über alles mögliche. Familie, Arbeit, Sorgen und Probleme. Es ist ein bisschen peinlich, aber ich hatte mich schon in ihn verknallt, bevor wir uns das erste Mal getroffen haben.» Zu dieser Zeit wusste sie noch nicht, dass sie dabei war, sich mit einem bekannten Schweizer Neonazi einzulassen. «Ich habe wohl gesehen, dass er ein paar rechte Seiten gelikt hatte und manchmal ausländerfeindliche Artikel teilte. Dabei habe ich mir aber nicht viel gedacht. Vielleicht wollte ich es auch einfach nicht wahrhaben», erzählt sie leise. Das erste Treffen – sie besuchte ihn in seinem Heimatort Zug – verläuft zunächst wie das perfekte Date. «Es war genau, wie ich es mir vorgestellt hatte. Wir waren spazieren, haben Bier auf einer Parkbank getrunken und stundenlang geredet und gelacht. Wie, als würden wir uns schon seit Jahren kennen.»Bald kommt sein wahres Wesen zum Vorschein Der Schock sitzt tief, als sie später das erste Mal Josefs Wohnung betritt. «Überall Hakenkreuzflaggen, Reichsadler und anderer Hitlerscheiss. Ich weiss noch genau, dass mir sofort schlecht geworden ist und ich weinend zusammengebrochen bin.» Es habe sich angefühlt, als sei sie belogen und hintergangen worden, als sei sie einer einzigen Lüge aufgesessen. «Und ich hatte wahnsinnige Angst. Nicht vor ihm, aber vor mir selbst. Weil ich auf einmal wusste, dass ich mich in einen Nazi verliebt hatte.» Anstatt sofort zu fliehen, bleibt sie. Fast ein Jahre lang. Anfangs hat die Rezeptionistin in einem Luxushotel noch Hoffnung, ihn – seine Einstellung – ändern zu können. Zu stark sei die Liebe, um nicht um ihn zu kämpfen. Deshalb löst sie ihre Wohnung auf, zieht zu ihm. Er umsorgt sie, ist der perfekte Gentleman. Doch schon nach den ersten Wochen bemerkt sie einen Wandel in seinem Wesen – der wahre Josef G. kommt immer mehr zum Vorschein. «Er war sehr oft mit seinen Kollegen unterwegs, bei Rechtsrock-Konzerten und Versammlungen. Wenn er danach zurück kam, musste ich mir seinen Hass über Ausländer und Schwule und Behinderte anhören. Und ich durfte nicht widersprechen. Habe ich Kontra gegeben, ist er ausgerastet.»Grausames Katz-und-Mausspiel Auch in der Beziehung geht es schnell bergab. «Er behandelte mich wie seine Haushälterin und auch beim Sex wollte er immer seine Dominanz beweisen. Einmal würgte er mich so sehr, dass ich fast in Ohnmacht gefallen wäre.» Trotzdem: Psychische Abhängigkeit hält sie davon ab zu gehen. «Wir hatten fast jeden Tag heftigen Streit. Natürlich hat er mich auch geschlagen. So oft wollte ich ihn verlassen, aber er wusste genau, wie er mich halten kann. Es brauchte nur ein richtiges Wort und alles war verziehen.» Das grausame Katz-und-Maus-Spiel geht so lange weiter, bis der 29-Jährige ihr in einem Anfall von Eifersucht unterstellt, ihn betrogen zu haben: «Er bedrohte mich mit einem Messer und brüllte mich an, dass ich eine Hure sei. Er sagte, er würde mich fertig machen.» Martina aber packt noch in der selben Nacht ihre Sachen und zieht zu einer Freundin. Josef hört dennoch nicht auf, sie per SMS und am Telefon zu bedrohen. «Ich wollte ihn anzeigen, habe es dann aber gelassen.» Und zwar auf Anraten ihrer Rechtsberater. «Die haben mir ziemlich schnell klargemacht, dass mich niemand wird beschützen können, wenn der Typ wieder aus dem Knast kommt. Falls er überhaupt eingebuchtet wird. Und keiner weiss, wozu er wirklich fähig ist, wenn er provoziert wird…»
Heute verlässt das Haus nicht öfter als nötig. Erst seit Kurzem traut sie sich wieder, alleine zur Arbeit zu gehen – lange Zeit musste sie begleitet und wieder abgeholt werden. Es wird wohl noch lange dauern, bis die Angst ganz verschwunden ist. *Angaben von der Redaktion geändert