Yaw Addai-Brenyah lebt seit zwei Jahren in Bern und gerät als Schwarzer immer wieder in Polizeikontrollen ? nun hat er genug
Dass es mit schwarzen Dealern Probleme gebe, sei ihm klar, sagt Yaw Addai-Brenyah, doch die Polizei solle ihn als normalen Passanten korrekt behandeln. Auch Experten werfen einzelnen Polizisten Rassismus vor.
Christian von Burg
«Zieh dich aus, sonst tret ich dich in den Arsch.» Manchmal scheint es bei der Stadtpolizei am Waisenhausplatz nicht allzu zimperlich zu und her zu gehen. Schon viermal geriet Yaw Addai-Brenyah in eine Polizeikontrolle. Er ist 24-jährig, stammt aus Ghana und hat vor zwei Jahren eine Schweizerin geheiratet. Einmal sei er abends an der Bushaltestelle beim Loeb angehalten worden: «Zwei Polizisten sprangen aus dem Auto, befahlen mir, die Hände hochzuhalten und den Mund aufzusperren.» Er habe sich jedoch geweigert. «Ich bin kein Krimineller», habe er auf Englisch gesagt, «wenn Sie mich kontrollieren wollen, nehmen Sie mich mit auf den Posten.» Am Waisenhausplatz sei er dann ? wie oben geschildert ? unsanft aufgefordert worden, sich auszuziehen. «Als ich die Hosen unten hatte, lachten sie», sagt Addai-Brenyah. «Dummer Ghanaer», habe ein Polizist gesagt, «du hast hier keine Rechte.» Nachdem sein Darm nach Drogen durchsucht worden war, durfte er wieder gehen. «Ich lief weinend nach Hause.»
«Sie dürfen mich kontrollieren»
Ihm sei klar, dass die Polizei ? gerade um den Bahnhof ? ein Problem mit schwarzen Drogendealern habe, sagt Addai-Brenyah. «Natürlich dürfen sie auch mich kontrollieren.» Dies dürfe jedoch nicht in der Öffentlichkeit geschehen. Addai-Brenyah will Radiologieassistent werden und beginnt bald mit der Ausbildung. «Wenn Bekannte von mir ? die meisten sind weisse Schweizer ? sehen, wie ich kontrolliert werde, so schädigt das meinen Ruf, es könnte mich sogar den Job kosten.»Als er am letzten Freitag um vier Uhr nachmittags am Hirschengraben schon wieder von zwei Polizisten in die Mitte genommen worden sei, habe er sich wie gelähmt gefühlt. «Die Leute strömten aus den Büros, ich stand mitten drin und sollte meinen Mund aufreissen.» Als dann ein befreundetes Paar hinzugekommen sei und gefragt habe, was los sei, habe er sich nicht mehr halten können. «Ich habe geweint und die Polizisten beschimpft.» Nun habe er eine Anzeige wegen Beamtenbeleidigung am Hals. Seine Frau ? die nicht namentlich genannt werden will ? bestätigt den Vorfall: «Als ich Yaw vom Posten abholte, erklärte mir ein Beamter, dass er genug habe, von Schwarzen beschimpft zu werden.» Das sei «umgekehrter Rassismus», habe der Polizist gesagt und auf ihre Nachfrage erklärt, dass ihr Mann die Anzeige mit einer Busse zu begleichen habe.«Wenn sich hier jemand wehren sollte, dann die Schwarzen», sagt dazu Gérôme Tokpa. Er ist Vizepräsident der vor einem Jahr gegründeten Organisation Cran (Carrefour de Réflexion et d?Action contre le Racisme Anti-Noir). Viele Schwarze, die schon länger in der Schweiz wohnten, getrauten sich zu gewissen Zeiten und an gewissen Orten nicht mehr auf die Strasse, weil sie sich vor polizeilicher Gewalt oder Attacken junger Rechtsextremer fürchteten. Tokpa sammelt Fälle, in denen Schwarze mit polizeilichem Rassismus konfrontiert wurden. «Sprüche wie ,geh doch zurück in den Urwald? oder ,Scheissneger? sind uns von verschiedenen Posten bekannt.» Um ein Zeichen gegen diesen Umgang mit Schwarzen zu setzen, ruft Cran heute von 10 bis 12 Uhr zu einer Demonstration auf dem Berner Waisenhausplatz auf.Das Problem beschränke sich nicht auf Bern, sagt Tokpa und beschreibt mehrere Vorfällen aus Biel. Dort sei etwa ein 35-jähriger Familienvater, der vorher nie mit der Polizei zu tun gehabt habe, um vier Uhr morgens auf dem Weg zur Arbeit von der Polizei kontrolliert worden. In der Bahnhofshalle hätten sie ihn ausgezogen und seinen Darm auf Drogen überprüft. «Dieser Mann fühlte sich so erniedrigt, dass er Selbstmordgedanken mit sich herumtrug.»
Probleme auch in Biel
Schon im letzten September habe Cran deshalb das Gespräch mit der Bieler Stadtpolizei gesucht. «Dabei liessen sich einige Probleme durch das Erklären kulturell geprägter Verhaltensmuster lösen.» So schauten die meisten Schwarzen gegenüber Autoritätspersonen auf den Boden, was die Polizei in der Schweiz als unhöflich betrachte ? «schau mir gefälligst in die Augen», sagten sie. Zudem könnten die meisten Polizisten Schwarze nicht von Schwarzen unterscheiden. «Ein Beamter sagte mir, er kenne einzig Nelson Mandela und Kofi Annan», so Tokpa, «alle anderen Schwarzen werde er auch künftig kontrollieren.»
Nicht alle Schwarze sind Dealer
Auch Denise Graf betrachtet die Polizeikontrollen als «sehr heikel». Sie ist Flüchtlingskoordinatorin bei Amnesty International und bearbeitet das Thema Menschenrechtsverletzungen in der Schweiz. «Alleine in der letzten Woche habe ich vier Telefone von Schwarzen bekommen, die sich über unverhältnismässige Polizeiaktionen beklagten ? zwei davon aus Bern.» Sie habe Kenntnis von einem Fall, in dem Polizisten in Zivil im Tram Nummer 5 einem Schwarzen Geldnoten hingestreckt hätten. Der Betroffene habe mehrfach gesagt, dass er keine Drogen verkaufe. Dennoch sei er beim Aussteigen am Hirschengraben angehalten worden, sagt Graf. «Wir konnten diesen Fall aber noch nicht eingehend überprüfen.» Obwohl der Kokaindeal der Schwarzen ? gerade wegen ihrer Hautfarbe ? augenfällig sei, dürfe daraus nicht geschlossen werden, dass alle Schwarzen Drogenhändler seien. «Es ist eine kleine Minderheit, die den Ruf der anderen stark schädigt.»Graf will nun das Gespräch mit der Polizei suchen. «Bisher hat sich die Berner Stadtpolizei kooperativ gezeigt, in einzelnen Fällen hat sie sich auch für ihr Verhalten entschuldigt.» Graf fordert, dass die Polizei ihre internen Kontrollmechanismen verstärkt. «Es darf nicht mehr zu rassistischen und diskriminierenden Äusserungen kommen.» Zudem gehe es nicht an, dass die Polizei jeden Schwarzen anhalte, der sich im Bahnhofsbereich bewege. «Dies sollte nur aufgrund von objektiven Hinweisen und Beobachtungen geschehen.»
Kokaindeal in schwarzer Hand
Im März hat die Berner Stadtpolizei vier grosse Kontrollen gegen mutmassliche Drogendealer durchgeführt (siehe «Bund» von gestern). Dabei wurden 63 schwarzafrikanische und zwei albanische Asylbewerber sowie fünf Schweizer festgenommen, nachdem sie Kontakt mit Drogenabhängigen hatten. «Der Kokainhandel liegt mehr als zur Hälfte in schwarzer Hand», sagt Franz Märki, Pressesprecher der Stadtpolizei Bern. Die Dealer trügen den Stoff meist in Kleinstmengen in Form kleiner Kügelchen im Mund herum ? «wie kleine in Cellophanpapier eingewickelte Täfeli». In seltenen Fällen seien auch so genannte «Bodypacker» unterwegs: Dealer oder Mittelsleute, die 10 bis 100 Gramm Kokain, im Anus versteckt, transportierten.
Nicht jede Kontrolle im Protokoll
Auf den Fall von Yaw Addai-Brenyah angesprochen, sagt Märki: «So was sollte nicht vorkommen.» Kontrolliert würden nur Verdächtige, die mit Drogenabhängigen in Kontakt gestanden hätten. Die Kontrollen von Addai-Brenyah tauchen nirgends in den Akten auf ? auch eine Anzeige wegen Beamtenbeleidigung lässt sich nicht finden. «Wir protokollieren nur Fälle, in denen jemand Drogen auf sich getragen hat.» Das heisst, dass die Polizei nicht nachsehen kann, ob jemand bereits mehrfach erfolglos überprüft wurde? «Das ist so», bestätigt Märki.Die Problematik, dass Polizisten nach der Festnahme von mutmasslichen Dealern nicht immer korrekt mit diesen umgingen, habe man erkannt. Um «Emotionen» zu vermeiden, setze man deshalb nach Möglichkeit eine andere Person zur Befragung ein. Märki gibt zu bedenken, dass es für die Polizisten keine einfache Sache sei, Dealer festzunehmen. «Häufig wehren sich die Schwarzen vehement, mit Schlagen oder Beissen.» Dazu komme das Publikum in der Innenstadt: «Es gibt nicht nur die, die rufen, wir sollten es diesen Dealern mal zeigen, sondern auch jene, die uns unbesehen als Rassisten beschimpfen.» Frustrierend sei zudem, dass man viele schwarze Asylbewerber, die im Drogenhandel tätig seien, gar nicht ausschaffen könne. «Wir müssen sie springen lassen, nur um sie wenig später wieder reinzunehmen.»
Polizisten kaufen keine Drogen
Dass Polizisten in Zivil versucht hätten, im Tram Drogen zu kaufen, glaubt Märki nicht. «So was tun wir nicht.» Und die Missverständnisse, die sich zwischen den Kulturkreisen ergeben können, stehen für ihn nicht im Vordergrund: «Wenn ich das unseren Leuten von der Sondereinheit Krokus erzähle, so werde ich fast ein wenig belächelt.» Nach ihrer Erfahrung würden die meisten Schwarzen nämlich nicht demütig auf den Boden schauen, sondern davonrennen.