NZZ Online: Das Ringen um das berühmteste Haus in Braunau hat ein Ende. Es soll bald wieder für eine soziale Einrichtung genutzt werden und damit auch ein Zeichen gegen Hitlers Verbrechen setzen.
von 16.12.2016, 13:59 Uhr
Nach epischen Debatten scheint die Zukunft des Geburtshauses von Adolf Hitler in Braunau (Oberösterreich) nun geklärt. An einem Treffen von Innenminister Wolfgang Sobotka mit dem oberösterreichischen Landeshauptmann Josef Pühringer und dem Bürgermeister von Braunau, Johannes Waidbacher, am Donnerstag wurde beschlossen, das Gebäude einer sozialen Einrichtung zur Nutzung anzubieten. Als wahrscheinlich gilt, dass die Lebenshilfe wieder einziehen wird, eine Hilfsorganisation für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung. Pühringer bezeichnete dies gegenüber dem ORF-Radio als eine Art «Antithese zum Nationalsozialismus», da es «unwertes Leben» nicht gebe.
Abriss vom Tisch
Die Lebenshilfe war über viele Jahre in dem berühmten, gelbgetünchten Gebäude an der Salzburger Vorstadt 15 eingemietet, zog vor fünf Jahren jedoch aus, weil die damalige Eigentümerin notwendige Umbauarbeiten verweigerte. Seither steht das Haus leer, das die Republik seit 1972 zu relativ hohem Preis mietet, um die Nutzung zu kontrollieren. Alle Verhandlungen mit der betagten Eigentümerin über einen Verkauf oder eine Renovation scheiterten, so dass die Regierung im Sommer ihre Enteignung beschloss. Ein dafür notwendiges Gesetz wurde am Mittwoch im Parlament verabschiedet.
Vom Tisch ist damit ein Abriss, der im von der Diskussion ermüdeten Österreich einige Anhänger hat und den Sobotka im Herbst vorschnell angekündigt hatte. Er berief sich dabei auf das Gutachten einer im Juni eingesetzten Expertenkommission, die sich aber gerade nicht für eine Schleifung, wohl aber für eine tiefgreifende architektonische Umgestaltung ausgesprochen hatte, um dem Gebäude «den Wiedererkennungswert und damit die Symbolkraft» zu entziehen.
Eine Pilgerstätte für Neonazis
Hitler hatte zwar nur seine ersten drei Lebensjahre in dem Haus verbracht, danach zog die Familie weiter. Doch die darin ab 1912 von der Eigentümerfamilie Pommer betriebene Gaststätte wurde früh zu einem Treffpunkt von Nationalsozialisten in Österreich, und nach deren Machtübernahme kaufte Hitlers Sekretär Martin Bormann das Gebäude im Auftrag der Partei. Davon zeugen noch heute die Initialen «MB» über dem Eingangsportal. Nach dem Krieg kaufte die Familie Pommer das Haus zurück, in deren Eigentum es bis zum Vollzug der Enteignung immer noch ist. Die Entschädigungssumme an Frau Pommer ist noch nicht bekannt. In der Parlamentsdebatte diese Woche wurde der Schritt zwar als unschön bezeichnet, aber als notwendig, um eine Pilgerstätte für Rechtsextreme zu verhindern. Ein Abgeordneter aus Braunau beklagte, dass regelmässig Busse voll mit Neonazis anreisten.
Ob sich die Anziehungskraft auf Ewiggestrige durch die Umgestaltung gänzlich unterbinden lässt, ist fraglich. Die Gemeinde wird wohl immer mit dem Namen des Despoten assoziiert werden. Daran hätte auch eine Sprengung kaum etwas geändert. Die Expertenkommission hielt denn auch fest, die Geschichte des Ortes leugnen zu wollen sei Österreich nicht zu empfehlen. Zu lange hatte das Land einen beschönigenden Opfermythos gepflegt. Die nun in die Wege geleitete Lösung sei ein lebensbejahendes Zeichen, erklärten Sobotka, Pühringer und Waidbacher am Donnerstag. Sie soll auch ein Zeichen des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus sein.