Hassmusik-Bands planen grosses Konzert – Polizei ist alarmiert

SonntagsZeitung

Hassmusik-Bands planen grosses Konzert – Polizei ist alarmiert

Fedpol prüft Einreisesperren für Mitglieder deutscher Neonazi-Gruppen

Von Hans Stutz und Matthias Halbeis

BERN · «Helvetien Rockt» – so lautet die Ankündigung für ein Neonazi-Konzert, das nächsten Samstag irgendwo «in der Schweiz» stattfinden soll. Beobachter erwarten eines der grössten Hassmusik-Konzerte in den letzten Jahren. Die Bundespolizei prüft, ob man die Mitglieder der angekündigten Bands mit Einreisesperren belegen kann, wie Fedpol-Sprecher Jürg Pulver bestätigt. Die Bundesbehörden haben zudem die kantonalen Polizeikorps über den Anlass vorgewarnt.

«Weitervermittlung ideologischer Werte»

Angekündigt sind sechs Bands, drei davon sind einschlägig bekannt: die Cottbuser Band Frontalkraft sowie die Berliner Bands Spreegeschwader und Legion of Thor. Sie stehen für Gewalt verherrlichende, rassistische oder nationalsozialistische Texte. Auf dem Programm aufgeführt ist zudem die Gruppe XXX. Hinter dem Kürzel versteckt sich die Band D.S.T. – die Buchstaben stehen für «Deutsch, Stolz, Treue».

In einem ihrer Hass-Songs heisst es: «Denn Adolfs Rassenlehre ist das, was für mich zählt, und weisses, reines Blut, ist das, was Deutschland fehlt.» Sie wollten, so erklärten die Berliner Musiker bereits vor Jahren, «die Weitervermittlung ideologischer Werte aus glorreichen Tagen».

Auch die Texte von Frontalkraft sind eindeutig. In einem Lied, das in der rechtsextremen Szene beliebt ist, steht der Reim: «Schwarz ist die Nacht, in der wir euch kriegen, weiss sind die Männer, die für Deutschland siegen, rot ist das Blut auf dem Asphalt.»

Organisiert wird das Konzert von HRD-Records aus der bernischen Gemeinde Roggwil. Dieser Plattenversand wird von Personen aus dem Umfeld der rechtsextremen Band Indiziert betrieben. HRD-Records ist laut Bundespolizei-Sprecher Jörg Pulver den Behörden «als Vertreiberin und Produzentin von Tonträgern mit rechtsextremer Musik» bekannt.

Indiziert ist vor einem Jahr bereits mit Musikern von Spreegeschwader und Legion of Thor aufgetreten, und zwar im August 2005 auf dem Steinhuserberg bei einem Unterstützungskonzert für einen inhaftierten Nazi Musiker.

Wie eine Woche vor einem Neonazi-Anlass üblich, ist weder Veranstaltungsort noch Treffpunkt bekannt. Für die Polizei eine schwierige Situation: Sie kann nicht schon im Vorfeld gegen den Anlass vorgehen. Und: Solange der Veranstaltungsort geheim bleibt, ist kein Polizeikorps für den Neonazi-Anlass direkt zuständig. Damit steigen die Chancen, dass die Polizei von der Anzahl der angereisten Neonazis überrascht wird.

Verhindern muss die Polizei das Konzert aber auf jeden Fall. «Nimmt man die Rechtsprechung des Bundesgerichts als Massstab, muss jedes Polizeikorps in der Lage sein, ein solches Konzert abzubrechen, sobald es zu einer Straftat kommt», sagt Strafrechtsprofessor Marcel Alexander Niggli.

Weil die Bands einschlägig bekannt sind, sei die Chance gross, dass es zu Straftaten komme, vermutet Niggli. Im Klartext: Die Polizei muss dafür sorgen, dass die Bands gar nicht erst die Bühne betreten.

Bis vor einem Jahr versteckten sich die Polizeikorps üblicherweise hinter der Beteuerung, sie hätten ein Konzert zwar beobachtet, jedoch keine Widerhandlungen gegen die Rassismus-Strafnorm festgestellt.

Erstmaliges Einschreiten gegen Naziskin-Veranstaltung

Doch ein von der «Rundschau» ausgestrahltes, versteckt gefilmtes Video von einem traditionellen «Blood and Honour»-Gedenkkonzert am 17. September 2005 in Brig dokumentierte frappante Vergehen – die Songs verletzten die Rassismus-Strafnorm eindeutig.

Im Juni dieses Jahres ging erstmals ein kantonales Korps gegen eine Naziskin-Veranstaltung vor: Die Aargauer Kantonspolizei musste allerdings erst genügend Leute aufbieten, bevor sie nach vier Stunden eine Geburtstagsparty von 150 Rechtsextremen in Beinwil auflösen konnte. Diese hatten sich «extrem gewaltbereit» gezeigt, so die Polizei.

Konzert von Spreegeschwader (links), Web-Auftritt von Frontalkraft: Der Veranstaltungsort in der Schweiz ist geheim

Berner Justiz macht ernst

Ende August verurteilte ein Berner Einzelrichter einen ehemaligen Pnos-Exponenten wegen Rassendiskriminierung. Dieser hatte im Kanton Aargau die «Schulhof-CD» verteilt. Die CD enthält rechtsextreme Musik und wird von der deutschen NPD gratis verteilt. Ein Verfahren gegen andere Verteiler der CD hatte die Staatsanwaltschaft Aargau im Juli eingestellt. Sie sehe keine Chance, einen Schuldspruch zu erreichen, hiess es. «Im Gegensatz zu einem Gericht, das im Zweifelsfall freisprechen muss, muss eine Staatsanwaltschaft im Zweifel anklagen», sagt dazu Strafrechtsprofessor Marcel Alexander Niggli. Der Experte in Sachen Antirassismus-Strafnorm lobt darum die Berner Justiz: «Ich habe den Eindruck, dass sich der Kanton Bern intensiv und ernsthaft mit der Verfolgung rechtsextremistischer Straftaten befasst.»