Sonntagsblick. Bei einem Konzert in Rüti kontrollierte die Polizei mehrere Rechtsextreme. Die Mehrheit stammt aus Deutschland, darunter Kader von Blood and Honour. Die Polizei ermittelt wegen Rassismus und Aufruf zu Hass.
Angemeldet war eine Wandergruppe, gekommen sind Neonazis. Am Samstagabend vor einer Woche trafen sich im Pfadiheim in Rüti ZH Dutzende Rechtsextreme zu einem Konzert. Sie hatten die Hütte unter falschen Angaben gemietet und die Polizei übertölpelt.
Plan A der Neonazis lief schief. Eigentlich wollten sie im Schützenhaus in Kaltbrunn SG feiern. Doch nach Hinweisen der deutschen Sicherheitsbehörden verhinderte die St. Galler Polizei das Treffen. Die Neonazis aber hatten vorgesorgt. Sie wichen kurzerhand nach Rüti aus, wo sie das Pfadiheim für eine angebliche Wandergruppe reserviert hatten.
«Sieg Heil»-Rufe in Pfadihütte
Als die Polizei dort eintraf, war das Konzert bereits in vollem Gang. Tonaufnahmen von Nachbarinnen und Nachbarn lassen erahnen, was sich in der Pfadihütte abspielte. Grölende Männer, die «Sieg Heil» schreien, antisemitische Gesänge, «Juden raus»-Rufe.
Informationen des Recherchekollektivs Antifa Bern zeigen, dass zwei Bands aus Deutschland am Anlass waren: Oidoxie aus Dortmund und F.I.E.L. aus Mecklenburg-Vorpommern. Beide sind Teil des militanten Neonazi-Netzwerks Blood and Honour, beide verbreiten rassistische Texte voller Hass und Gewalt.
Auch der Grossteil der Feiernden stammte aus dem Blood-and-Honour-Umfeld. Mit dabei waren ältere Kader des Netzwerks – viele von ihnen aus Deutschland. Bisher unveröffentlichte Zahlen der Kantonspolizei Zürich belegen, dass die Mehrheit der Konzertbesucher aus dem Ausland angereist war. Insgesamt kontrollierte die Polizei in Rüti 53 Personen: 34 deutsche Staatsangehörige, 17 Schweizer sowie je eine Person aus Frankreich und Ungarn.
Dass deutsche Neonazis hierzulande feiern, ist kein Zufall. Die Szene ist international vernetzt und die Schweiz dient ihr als Rückzugsort. In schlechter Erinnerung ist das riesige Neonazi-Konzert in Unterwasser SG. In der dortigen Tennishalle trafen sich im Oktober 2016 knapp 6000 Rechtsextreme aus ganz Europa.
Den Mietvertrag für die Halle hatte ein deutscher Neonazi unterschrieben. Sein damaliger Wohnort: Rüti ZH. 2019 fanden Ermittler in seiner Wohnung ein Sturmgewehr, eine Maschinenpistole und 2000 Patronen. Er wurde des Landes verwiesen.
Lasche Schweizer Gesetze
In Deutschland ist Blood and Honour verboten. Genauso wie der Hitlergruss und Nazi-Symbole. Die Schweizer Gesetze sind lascher. Hierzulande existiert weder ein Verbot von rechtsextremen Gruppierungen noch von einschlägigen Symbolen. Sogar der Hitlergruss ist je nach Situation erlaubt. Verboten ist er nur, wenn der Absender damit offen für den Nationalsozialismus wirbt und andere für die Ideologie gewinnen möchte. Wer mit dem Gruss bloss seine Gesinnung kundtut, bleibt ungestraft. So hat es das Bundesgericht entschieden.
Hat die Polizei die Rechtsextremen deshalb gewähren lassen? Klar ist: Das Konzert hat ein juristisches Nachspiel. Gegenüber SonntagsBlick bestätigt Florian Frei, Sprecher der Kantonspolizei Zürich, dass Ermittlungen laufen. «Auch der Tatbestand der Diskriminierung und des Aufrufs zu Hass wird abgeklärt.»
Tatsächlich dürften einige Konzert- besucher gegen die Rassismus-Strafnorm verstossen haben. Alma Wiecken, Geschäftsführerin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, sagt: «Die Parole ‹Juden raus› verstösst grundsätzlich gegen die Rassismus-Strafnorm, wenn sie öffentlich geäussert wird. Damit wird eine Bevölkerungsgruppe herabgesetzt und diskriminiert.» Weniger klar sei der Fall hingegen bei der Parole «Ausländer raus».