Berner Zeitung. Unbemerkt verbreitet T. B. aus der Schweiz heraus rassistische und sexistische Ideen. Sein neues Château will er nun zum Treffpunkt für seine Anhänger machen. Ein Bundesbeamter hilft ihm.
Eine prächtige Allee, fast zwei Hektaren Land mit altem Baumbestand, 17 Zimmer, Wandfresken unter Denkmalschutz, ein Springbrunnen und ein Steinlöwe vor der Eingangstür: Das schmucke Schloss von Cressier im Kanton Freiburg ist laut Bund ein «Kulturgut nationaler Bedeutung». Jetzt ist es in ausländische Hände gekommen. Das Château gehört neuerdings einem prominenten amerikanischen Rechtsradikalen.
Der neue Schlossherr T. B. ist 53 Jahre alt und je nach Quelle Philosoph, Verleger, Autor von Comicbüchern, Entwickler von Videospielen, Blogger oder auch Musiker. Er selbst nennt sich ausschliesslich «Vox Day». Und wird in seiner Heimat, den USA, von Medien und Fachleuten als prominenter Vertreter der rechtsextremen Gruppierung Alt-Right bezeichnet, er selbst will sich keiner Gruppe eindeutig zuordnen.
Homogene Nation, unverfälscht von Einwanderung
Damon Berry von der St. Lawrence University erforscht die Alt-Right. Vox Day, schreibt er, definiere die Ideologie als ausgesprochen nationalistisch, sie richte sich gegen Mainstream-Konservative, gegen Globalisierung und Gleichstellung. Sie setze sich «für das Existenzrecht der Nation» ein, dafür, dass sie «homogen und unverfälscht durch ausländische Invasion und Einwanderung bleibt». Aus europäischer Perspektive sind das Positionen von Rechtsradikalen und Neonazis.
Die Alt-Right glaube, so schreibt Vox Day selbst, «die Existenz der weissen Menschen und eine Zukunft für weisse Kinder sichern zu müssen». Einwanderung zerstöre die bestehende Kultur, findet der Mann, der im US-Bundesstaat Minnesota aufwuchs und dann in die Schweiz umzog.
Eine gewisse Bewunderung empfindet Day für Adolf Hitler. «Der Nationalsozialismus ist nicht nur menschliche Logik, er ist auch wesentlich logischer und wahrhaftiger als der Kommunismus, der Feminismus oder der säkulare Zionismus», schrieb er auf seinem Blog. Damit teilt er die Sympathien für das autoritäre deutsche Regime der 1930er-Jahre mit einem früheren Schlossbesitzer. In der Zeit des Zweiten Weltkriegs und bis ins Jahr 1970 lebte dort der Schweizer Schriftsteller und Rechtskonservative Gonzague de Reynold, der die Ideen von Mussolini und Hitler teilweise befürwortete, später zu einer führenden Figur der Schweizer «geistigen Verteidigung» wurde.
Die Liste von rassistischen und diskriminierenden Äusserungen des Amerikaners in sozialen Medien, Videos, Podcasts oder auf dem eigenen Blog ist lang.
So sagte er 2015 in einem Interview, afroamerikanische Männer hätten genetisch eine 500-mal grössere Wahrscheinlichkeit als weisse Amerikaner, zu Gewalt und Aggressionen zu neigen. Als ein Islamist 2017 in Manchester ein Selbstmordattentat verübte, postete Day ein Bild von Anders Behring Breivik – jenem Rechtsextremen, der auf der norwegischen Insel Utøya 69 Jugendliche getötet hatte. Unter dem Foto stand: «Saint Breivik, pray for us», heiliger Breivik, bete für uns.
Frauen sollten nicht wählen
Auch seine Geringschätzung gegenüber Frauen zeigt Day unverblümt. Frauen sollten nicht wählen, weil sie deutlich dazu neigten, für Kandidaten zu stimmen, mit denen sie lieber ins Bett gehen würden, so Day in einem Interview. Im englischen Original: «They would rather f***.» In einem Blogbeitrag von letzter Woche nennt er Feministinnen auch Feminazis.
«Wenn eine Gesellschaft Frauen nicht dazu überreden kann, zu heiraten, Kinder zu gebären und aufzuziehen, bleibt ihr nichts anderes übrig, als sie entweder dazu zu zwingen oder zu sterben», twitterte er zudem laut der amerikanischen Anti-Defamation League. Der Tweet ist nicht mehr abrufbar, denn Vox Day ist inzwischen auf Twitter gesperrt, auch Amazon hat ihn für eine gewisse Zeit verbannt und aus dem Club der Science Fiction and Fantasy Writers of America wurde er ausgeschlossen.
«Es kann keine Einheit mit den Bösen, ihren Dienern oder Sklaven geben.»
Auch für Leute, die sich gegen Covid impfen liessen, hat Day nur Verachtung übrig: «Keiner von euch verwerflich dummen Idioten, der geimpft wurde, verdient ein einziges Jota von Sympathie, wenn du eine Komplikation erleidest, weil du dich einer experimentellen Gentherapie unterworfen hast», schimpfte er in seinem praktisch täglich erscheinenden Blog.
In letzter Zeit ging es da meist um den Ukraine-Krieg. Zur Einigkeit des Westens schrieb Day letzte Woche: «Es kann keine Einheit mit den Bösen, ihren Dienern oder Sklaven geben.» Ende Februar betitelte er seinen Blog mit: «Grandiose Dummheit in der Schweiz». Und kritisierte, dass Präsident Ignazio Cassis zuerst an der Neutralität festhielt, die Schweiz dann doch die EU-Sanktionen übernahm.
Hassreden aus der Schweiz heraus?
Die Frage ist, wo Day solche Tiraden verfasst. Berichte im Internet vermitteln zwar den Eindruck, er lebe in Italien. Doch Recherchen zeigen, dass der Rechtspopulist mit seiner fünfköpfigen Familie schon seit über zehn Jahren im Kanton Waadt ein abgelegenes Zuhause hat, in einer Villa mit Umschwung, weit ausserhalb eines Dorfes. Seine Botschaften richten sich zwar an ein US-Publikum. Doch er verbreitet sie ganz offensichtlich aus der Schweiz heraus.
Es fragt sich deshalb, ob sie teils sogar die hiesige Rassismusstrafnorm verletzten. Bei Verdacht müssten Behörden von Amtes wegen untersuchen. Bislang ist kein Verfahren bekannt.
Die Behörden seines Wohnkantons geben keine Auskunft über den Aufenthaltsstatus des Amerikaners. Besitzt er einen Schweizer Pass? Oder eine Aufenthaltsbewilligung?
Als Alternative zu Twitter und Co. hat der Amerikaner mittlerweile gar eigene Plattformen aufgebaut. So entwickelte er die Onlinebibliothek «Infogalactic» – ein «Wikipedia für Alt-Right», wie die «Washington Post» schrieb.
Ein eigenes soziales Netzwerk
Zudem gründete Day Anfang 2019 unter dem Namen «Social Galactic» ein soziales Netzwerk für Gleichgesinnte. Im Gegensatz zu Twitter werde man hier nicht von «sozialen Gerechtigkeitskriegern» zensuriert, teilte er seinen Fans mit. Eine erste Version des sozialen Netzwerks war nach drei Tagen bereits offline. Mittlerweile ist «Social Galactic» aber wieder aktiv. Es ist derzeit in der Schweiz angesiedelt und gehört einer Firma in Zug, wie auf der Website ersichtlich ist.
Es gibt in der Schweiz mehrere Firmen, die mit Day in Verbindung stehen. In dreien sitzt ein einziger Verwaltungsrat – und zwar nicht etwa der Amerikaner selbst. Sondern ein Mann mittleren Alters aus dem Oberwallis, ein IT-Spezialist, der in Bern bei einem Bundesamt als Projektleiter arbeitet. Gerne hätte man ihn gefragt, warum er das macht. Und wie er zur Gesinnung von Day steht. Doch mehrfache Anfragen blieben unbeantwortet.
Sicher ist, dass der Bundesbeamte auch im Verwaltungsrat jener Firma sitzt, die nun das Schloss in Cressier für Vox Day gekauft hat. «Es ist ein sehr ruhiger, sehr schöner Ort», erzählt der Amerikaner in einem an seine Fans gerichteten Video und zeigt Zimmer für Zimmer. Man wolle in Zukunft Schokolade herstellen, auf der das Schloss zu sehen sei. Auf Gäste warte eine grosse Sammlung von Kriegsspielen. Vor allem aber solle es eine günstige Unterkunft für Gleichgesinnte werden. Day will das historische Château für rund 6000 Franken pro Woche vermieten, wie er im Video sagt. Leute aus der eigenen «Community» würden jedoch 50 Prozent weniger bezahlen.
Gemeindepräsident beobachtet die Lage
Tatsächlich findet sich der Bau von nationaler Bedeutung nun bereits zur Miete auf einer Onlineplattform für Unterkünfte. Rund 407 Franken kostet die Nacht im «Historic Chateau in the Swiss Countryside».In Cressier erfährt die Gemeinde erst aufgrund der Recherche, dass das Schloss als Ferienwohnung angeboten wird. Offenbar ging man davon aus, dass die Familie von Day irgendwann vom Kanton Waadt ins freiburgische Cressier umziehen würde.
Laut Gemeindepräsident David Humair ist die Angelegenheit «potenziell eine Herausforderung», wie er es nennt. «Doch wir haben mit den neuen Besitzern bislang überhaupt keine Probleme. Und solange das so bleibt, sehe ich keinen Handlungsbedarf.» Er sei nicht verantwortlich für die politische Haltung seiner Bürger, das sei deren Privatsache. «Aber wir haben die Situation seit Ankunft dieser Person in Cressier unter sorgfältiger Beobachtung und sind bereit, wenn nötig, Massnahmen zu ergreifen», sagt Humair. Was er damit meint, ist aber unklar.
Vox Day äussert sich auf Anfrage nicht im Detail. Er erachtet die Vorwürfe aber offenbar als ehrverletzend, denn er droht mit einer diesbezüglichen Klage.
Seine extremen Meinungen publiziert der Amerikaner auch in Büchern, die unter anderem beim Schweizer Buchhändler Orell Füssli zu kaufen sind. Auf dessen Website wird zum Beispiel «Cuckservative» beschrieben. Der US-Autor zeige darin auf, «wie 50 Jahre der Einwanderung den durchschnittlichen IQ der USA gesenkt haben».
Orell Füssli sagt, man schliesse keine Bücher aufgrund ihres Inhalts, ihres Titel oder persönlicher Meinungen der Autoren aus. Ausser, sie seien gerichtlich verboten. Mit dem breiten Sortiment leiste man einen Beitrag zur Meinungsvielfalt. Das Buch von Vox Day finde man nur, wenn man aktiv danach suche. Seit 2016 seien vom Autor nur zwei Bücher verkauft worden.