Blick. Eigentlich soll es in SRF-Sendung «Arena/Reporter» um die Kinderschutzbehörde Kesb gehen. Doch der Kronzeuge ist ein bekennender Nazi
Das neue SRF-Format «Arena/Reporter», moderiert von Jonas Projer (36) und Christa Rigozzi (34), startet mit einem Knall. Thema am 11. Juni wird die umstrittene Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) sein.
Als Fallbeispiel dient Christian Kast (48), der seine Kinder 2015 aus der Obhut der Kesb entführte und zusammen mit seiner Ehefrau Margie (31) auf die Philippinen schickte (BLICK berichtete). Kast ist Protagonist der «Reporter»-Sendung, über die im Anschluss diskutiert werden soll. Und: Kast sitzt im Publikum, wird aktiv am Gespräch teilnehmen.
Für die Premiere schickte das SRF eigens einen Reporter in den Inselstaat. Kast selber publizierte bereits Anfang Januar ein Foto seiner Ehefrau Margie, die mit 600 US-Dollar posiert. «Aufwandentschädigung des SRF», schrieb er dazu. Und weiter: «Endlich wieder eine anständige Pizza. Das Beste ist: Es geht alles auf Spesen vom SRF, haha.» SRF bestätigte die Zahlung.
Ob sich die Investition für das Schweizer Fernsehen lohnt, ist fraglich. Vor allem den Kesb-Kritikern könnte man mit dieser Gastwahl einen Bärendienst erweisen. Zwar präsentierte sich Kast den Medien schon früh als Behördenopfer. Er gab Interviews am Küchentisch in Sisseln AG, kaum war der Flieger mit Ehefrau und Kindern in Asien gelandet. Auch mit BLICK führte der Heizungs- und Klimatechniker ein Gespräch, noch während er auf der Fahndungsliste der Polizei stand. Kast wurde über Nacht zum Helden der Kesb-Kritiker, erhielt gar Spendengelder aus der Bevölkerung.
Die Heldenfassade bröckelte aber rasch. Schon im Herbst 2015 setzte Ehefrau Margie einen Hilfeschrei ab: «Christian schickt mir nicht genug Geld, kann BLICK etwas schicken?» Es folgte ein öffentlich ausgetragener Ehestreit auf Facebook. «Meine Frau hat nicht alle Tassen im Schrank», schrieb Kast. Immer wieder liess Kast seine rechtsradikale Gesinnung durchblicken, BLICK stellte die Berichterstattung über seinen Fall ein.
Inzwischen driftet Kast immer tiefer in rechte Sphären ab – und lässt auch hier die Öffentlichkeit ungefiltert daran teilhaben. «Go home to Afrika», schrieb er vor einigen Monaten. Und droht offen damit, Schwarze zu erschiessen: «Kugel, keine Kugel, Kugel…» Er müsse sich einer Gruppe anschliessen, so Kast. «Als Einzelgänger hast du geschissen, wenn all diese Neger sauer werden.» Alle «Volksverräter» lässt der Wutbürger drohend wissen: «Meldet euch, ein Nazi wartet.»
Nach dem Anschlag in Manchester schreibt er: «Mohammed steht auf Kinder.» Immer wieder veröffentlicht Kast Kriegsfantasien: «Nicht mehr lange, dann fliesst Blut.» Er träumt von einem «christlichen Reich von Byzanz bis Kamtchatka». Am Ende des Bürgerkrieges sieht Kast eine spezielle Rolle für sich selber: «Scharfrichter für Sommaruga». Und: «Hanfseile gibt es genug.»
Beim SRF reagiert man auf Nachfragen ausweichend. Warum lädt man einen selbsternannten «Nazi», der wiederholt die Todesstrafe für Politiker fordert, ins Studio ein? «Er wird sich der Debatte stellen», so ein Sprecher. Das SRF habe «selbstverständlich» Kenntnis von den Internet-Aussetzern seines Stargastes und werde diese auch thematisieren: «Aus Persönlichkeitsschutz-Gründen und aus Pietät verzichten wir im ‹Reporter› aber auf die krassesten Aussagen.»
Kast selber bestreitet gegenüber BLICK, ein Nazi zu sein. Beim betreffenden Post – der notabene gestern noch immer online war – handle es sich um eine Fälschung, behauptet er. Und sagt dann doch: «Ich giesse gerne Öl ins Feuer.»
Auch Feministin und Kesb-Kritikerin Julia Onken ist als Talkgast zur Premiere eingeladen – und kann ob der Gästewahl des SRF nur den Kopf schütteln: «In Anbetracht dieser Äusserungen frage ich mich, ob Herr Kast ein gutes Beispiel ist.» Auch den Südostasien-Ausflug des SRF findet sie Unsinn: «Die Reise wäre nicht nötig gewesen, es gibt genügend Fälle vor der Haustür.»
Die umstrittenste Behörde der Schweiz
Die Kinder- und Erwachensenenschutz-Behörde Kesb existiert erst seit Januar 2013, ist also noch jung. Der Aufgabenbereich ist heikel: Die Behörde klärt Gefährdungsmeldungen für Kinder und Erwachsene, ordnet Schutzmassnahmen an. Und bei dieser Arbeit wurde die Kesb von Beginn an kritisiert. So erstickte Natalie K. am 1. Januar 2015 ihre eigenen Kinder Alessia († 2) und Nicolas († 5) im Wohnhaus in Flaach ZH. Sie wollte verhindern, dass die Kesb die Kinder endgültig im Heim platziert. Später beging K. im Gefängnis Suizid. Dieser Fall positionierte die Kesb im Fokus der Öffentlichkeit. Ihr Problem dabei: Sie darf zu den Vorwürfen aus Datenschutzgründen stets nur allgemein Stellung beziehen.
Auch in den nächsten Monaten dürfte es um die Behörde nicht ruhiger werden. SVP-Nationalrat Pirmin Schwander hat eine Volksinitiative gegen die Kesb lanciert, bald soll mit dem Sammeln der Unterschriften begonnen werden. Übrigens: Auch Schwander ist morgen Gast bei «Arena/Reporter».
Kesb-Fall Kast Flucht auf die Philippinen
Im Sommer 2015 bat die Polizei die Öffentlichkeit um Mithilfe bei der Suche nach Familie Kast. Die beiden Eltern hatten die Töchter Alina (damals 2) und Queen (damals 6) nach einem Ausflug nicht mehr in die Wohngruppe in Trimbach SO zurückgebracht. Der Verdacht: Kindesentführung. Zu diesem Zeitpunkt sassen Mutter und Kinder bereits im Flieger Richtung Südostasien.
Zuvor hatte eine Nachbarin des Paares eine Gefährdungsmeldung abgesetzt, weil die beiden Mädchen oft alleine draussen gesehen wurden. Dazu kommt: Mutter Margie hat Probleme mit dem Leben in der Schweiz, wirft manchmal mit Gegenständen um sich. Auch am 17. September 2014 tat sie das. Und an diesem Tag klingelten zwei Mitarbeiterinnen der Kesb in Sisseln AG an der Haustür der Familie. Christian Kast war bei der Arbeit, seine Frau mit den Kindern allein.
Die Kesb-Mitarbeiterinnen fanden «zertrümmerte und herumliegende Haushaltsgegenstände sowie Spielsachen vor», heisst es in den Akten. Das Familiengericht ordnete darauf mittels superprovisorischer Verfügung einen Obhutsentzug an. Auch häusliche Gewalt wird im Bericht erwähnt.
Als er wusste, dass seine Familie in Asien gelandet war, stellte sich Christian Kast der Polizei.