Bern Sie heulen wieder: Die rechtsextremen Grauen Wölfe. Gestern Abend wollten sich Anhänger der türkischen Bewegung in einem Saal im Industriegebiet von Reinach BL treffen – und Werbung für den Machtausbau von Staatschef Recep Tayyip Erdogan machen. Doch die Polizei hat den Anlass verboten. Sie befürchtete Zusammenstösse mit Gegnern.
Von der Öffentlichkeit fast unbemerkt, haben die Grauen Wölfe längst ein Netz über die ganze Schweiz gespannt. In ihren Moscheen trimmen sie schon kleine Kinder auf die islamisch-faschistische Ideologie. An Grossveranstaltungen hetzen sie gegen ihre Feinde. Kurden, Juden, Linke.
Die türkischen Rechtsextremen formieren sich rund um die Partei MHP. Im Parlament in Ankara ist sie die drittstärkste Kraft. Die Ultranationalisten sind in ganz Europa aktiv und immer wieder in Anschläge und Krawalle verwickelt. Ihr Zeichen ist der Wolfsgruss: der rechte Arm ausgestreckt, die Hand zu einem Wolfsgesicht geformt.
In Basel ist die Mevlana-Moschee das Hauptquartier
Das verhinderte Polit-Treffen in Reinach war als Kulturevent getarnt. Ein Vorgehen mit System. Sämtliche Zusammenschlüsse von Grauen Wölfen in der Schweiz treten gegen aussen als Kulturvereine auf, etwa in Bern, Aarau, Zug und St. Gallen. Als Dachverband agiert die Schweizerisch-Türkische Föderation mit Sitz in Zürich, ein loser Verbund von knapp einem Dutzend Gruppen mit insgesamt knapp tausend Sympathisanten.
Am schlagkräftigsten sind sie in Basel und im solothurnischen Wangen bei Olten. In Basel dient den Extremisten die Mevlana-Moschee als Hauptquartier. An den Wänden der Gebetsräume hängt eine rote Flagge mit drei weissen Halbmonden – das Logo der MHP, das der Kriegsflagge des Osmanischen Reiches nachempfunden ist.
Über die Jahre haben die rechtsextremen Türken in der Schweiz weit verzweigte Strukturen aufgebaut. Jugendabteilungen, Frauenorganisationen, Fussballmannschaften. Schon den Kleinsten werden Koranverse und der Traum vom grosstürkischen Reich eingeimpft. In Hinterzimmern der Basler Mevlana-Moschee finden an Wochenenden muslimische Religionskurse statt, für Fotos müssen die Kinder den Arm zum Wolfsgruss erheben.
Ultranationalisten profitieren von der Krise in der Türkei
In der Vergangenheit trafen sich die Grauen Wölfe wiederholt zu Grossveranstaltungen. Exakt vor einem Jahr, am 19. März 2016, versammelten sich mehrere Hundert Anhänger in der Mehrzweckhalle Zofingen AG. Sie sangen Propagandalieder und hielten fremdenfeindliche Reden. Im April 2015 mieteten sie die Stadthalle Dietikon ZH für einen Auftritt der internationalen MHP-Führungsriege.
Von Gewalt distanzieren sich die Verantwortlichen, darunter Schweiz-Chef Irfan Okutan, 53, ein bulliger Türke mit schwarzem Schnauz. Der deutsche Verfassungsschutz beobachtet die Bewegung aber mit Sorge. Im neusten Jahresbericht schreibt er: «Bei Veranstaltungen der Grauen Wölfe wird rassistisches Gedankengut verbreitet.» Die Staatsschützer warnen vor einer wachsenden Gewaltbereitschaft und davor, dass die aktuelle Krise in der Türkei Jugendliche in Europa in die Arme der Ultranationalisten treibt.
Der Schweizer Nachrichtendienst hingegen scheint die Entwicklung verpasst zu haben. In seinem Lagebericht erwähnt er die Bewegung mit keinem Wort.