Reinach Rolf Urech, Chef Dienst Staatsschutz beim Polizeikommando Aargau, referierte bei der Volkshochschule Wynental zum Extremismus.
Peter Weingartner
Wo es brennt in der Region, wurde in der Diskussion nach dem Vortrag über Extremismus deutlich. Die These: Rechtsextremisten «ernten» Jugendliche, die schlechte Erfahrungen mit gleichaltrigen Ausländern gemacht haben. Anzeigen statt resignieren, sagt Rolf Urech vom Polizeikommando Aargau.
«In der Gruppe kann ich in die Disco, ohne von Ausländern begrapscht zu werden.» Das habe ihm ein Mädchen erklärt auf die Frage, warum es in einer rechtsextremen Gruppe mitmache, sagte Urech. Keine Rechtfertigung, aber eine Erklärung. Etliche der rund 30 Besucher des Vortrags im Breiteschulhaus Reinach, Mütter, Väter, aber auch ein Jugendlicher, berichteten von solchen Erfahrungen. Wer eine Anzeige mache, riskiere, bedroht zu werden, wobei man Verstärkung organisiere. Drohung sei strafbar, sagte Urech. Aus Angst keine Anzeige zu machen, komme einer Kapitulation gleich. Ein Votum, das Reaktionen herausforderte: «Müssen wir unser Kind dreimal abschlagen lassen?» Was in den Schulen passiere, sei der Nährboden für Ohnmacht, und irgendwo müsse die Wut heraus, sagte eine Mutter, und ein Vater sieht darin eine Ursache des Rechtsextremismus.
«Steter Tropfen höhlt den Stein»
«Eine nachvollziehbare Ohnmacht», meinte Rolf Urech, dennoch gebe es nichts anderes, als immer wieder Anzeigen zu machen: «Steter Tropfen höhlt den Stein.» Wenn der Polizist abwiegle, müsse man den Chef verlangen, dranbleiben, eventuell an die Medien gehen. Irgendwann sei der Kübel voll. Wenn die gleichen Namen immer wieder auftauchten ? er dachte an ein konkretes Beispiel eines Rechtsextremen ?, könne man Leute auch festnehmen und vor Gericht bringen, und dies sei oft heilsam. In Sachen Massnahmen gegen Ausländer, die sich nicht an die geltenden Regeln halten, sei die Politik gefordert.
Rolf Urech wies in seinem Vortrag auf extremistische Ereignisse der letzten Jahre in der näheren und weiteren Umgebung hin: Brandsatz auf Asylantenheim, Schlägereien zwischen Rechts- und Linksextremen, rechtsextreme Konzerte. Die Aufgabe des Staatsschutzes sei die Beurteilung der inneren Lage der Schweiz.
Glatze ist nicht Glatze
Urech begann seinen Vortrag mit der rechtsextremen Szene. Er machte den Unterschied deutlich zwischen dem programmatischen Rechtsextremismus (Ideologen, die den Holocaust leugnen; Pnos) und dem symptomatischen Rechtsextremismus (Mitläufer, Schläger). Interessant waren die Embleme und die Zahlensymbolik der Neonazis. Er brachte auch einige einschlägige Songs zu Gehör, zeigte extreme Tätowierungen. Die Mischung von Musik, Alkoholkonsum und Gewaltbereitschaft erleichtere einen Einstieg in die Szene. «In der Gruppe sind sie jemand», sagte Urech und sprach den mangelnden Selbstwert vieler Mitläufer der rechten Szene an.
Linksextremisten, so Urech, täten sich mehr durch Sachbeschädigungen (1. Mai, WEF-Demonstrationen) als durch Gewalt gegen Personen hervor ( Rechtsextreme : Ausländer, Juden, Homosexuelle). 1200 Rechtsextremen ständen in der Schweiz etwa 2000 gewaltbereite Linksextreme gegenüber, wobei die Vorfälle «Linker» 2006 stark zugenommen hätten. Ihr Ursprung liege in neomarxistischen und anarchistischen Theorien. Die Uniform: schwarze Kleider. Glatzen gebe es auch bei den Linksextremen. Im Aargau gebe es mehr Rechtsextreme , in Städten wie Zürich und Basel seien die Linksextremen in der Überzahl.