Jürg Frischknecht zum Thema «Blocherismus ? ein Rückblick»
Wie hat Christoph Blocher die SVP so schnell so gross gemacht? Und was geschieht nun? Jürg Frischknecht analysierte die grösste Partei der Schweiz.
Petra Mühlhäuser
Christoph Blocher ist als Bundesrat abgewählt ? für die örtliche Linke war das Anlass zu einem Rückblick. Der Journalist, Buchautor und Kenner der rechtsextremen Szene Jürg Frischknecht sprach im CaBi Anti-Rassismus-Treffpunkt über «Blocherismus ? ein Rückblick». Für ihn ist es ein einmaliges Phänomen in der Schweiz seit 1848, dass eine Partei, die derart von einem einzelnen geprägt ist, so gross geworden ist. Weder James Schwarzenbach noch Gottlieb Duttweiler haben das geschafft: Seit 1999 ist die SVP stärkste Partei der Schweiz.
Hauptsache Wählerprozente
Ein Mann, eine Partei, so spitzte Frischknecht das Thema zu, bis hin zum Personenkult. Wenn Blocher zu einem bestimmten Thema nichts sage, wisse auch seine Umgebung nicht, was sagen. Frischknecht zeichnete Blocher als Machtmenschen, dessen Ziel möglichst viele Wählerprozente seien. Politische Inhalte würden untergeordnet, 180-Grad-Kehrtwenden seien keine Seltenheit.
Blocher habe es geschafft, sich das Image vom guten Schweizer zu verschaffen, obwohl er die Gewaltentrennung lächerlich gemacht, die Justiz zu disziplinieren versucht oder im Parlament den Nachbarsknopf mit gedrückt habe. Zum erfolgreichen Repertoire gehörten auch gezielte Provokationen, die man nachträglich mit Ausreden wie einem kaputten Faxgerät zu kaschieren versuchte. Dazu habe sich auch der «Tages-Anzeiger» einspannen lassen: Die Gegner seien hinterher jeweils noch empörter gewesen, die Fans noch begeisterter und der «Tagi» habe beide bedient. Blocher wisse die Medien meisterhaft zu nutzen.
Blocher und die Rechtsextremen
Gezielt hat Blocher Regionen organisiert, in denen die SVP noch nicht Fuss gefasst hatte wie die Romandie oder St. Gallen. Gleichzeitig habe die SVP auf der rechten Seite «alles gefressen». Blocher habe sich denn auch nie richtig von Rechtsextremen abgesetzt. Er sei ein Star der Rassisten gewesen, obwohl er in rechtsextremen Medien auch «Detailkritik» eingesteckt habe. So gab es denn auch Übertritte von ganz rechts in die SVP: Der abgewählte Nationalrat Ulrich Schlüer sei zuvor Sekretär von James Schwarzenbach gewesen. Je mehr Erfolg er rechts aussen hatte, desto mehr bezichtigte Blocher die Linke des Faschismus ? weil sie alles vom Staat erwarte.
Jetzt, seit der Abwahl, erodiere das «System Blocher», meint Frischknecht. Abweichende Meinungen wie jene von Peter Spuhler oder Lukas Reimann seien zuvor nicht möglich gewesen. «Der Nimbus Blocher ist gebrochen, definitiv.» Im Publikum teilten nicht alle diese Einschätzung: Sind die Erfolge im März in St. Gallen bloss Nachwirkungen des Blocher’schen Personenkults oder bleibt die SVP erfolgreich? Der Abend schloss mit einer Diskussion darüber, wie die Linke ohne Blochers mobilisierende Wirkung weiterfahren soll.