Das Bezirksgericht Frauenfeld macht sechs rechtsextremen Schlägern den Prozess
Felben. Eine Gruppe von Rechtsextremen schlug 2003 zwei Besucher eines Ska-Punk-Konzerts in Frauenfeld spitalreif. Vor Gericht geben sich die Täter reuig.
Thomas Wunderlin
Allen Angeklagten tut es jetzt leid. Am Fernsehen haben sie gesehen, was für schwere bleibende Schäden Dominik, eines ihrer Opfer, davongetragen hat. Sie hätten damals nur ein Punk-Konzert stören und sich eventuell auf eine Schlägerei einlassen wollen.
Mit der Befragung der Angeklagten hat der Frauenfelder Vizegerichtspräsident Ruedi Fuchs gestern den Prozess gegen die Gruppe von Rechtsextremen eröffnet, die am 26. April 2003 beim Bahnhof Frauenfeld über zwei Jugendliche hergefallen sind. Der Staatsanwalt fordert für jeden der sechs Angeklagten zwischen fünf und sechs Jahren Zuchthaus. Ein siebter Beteiligter hat sich in der Untersuchungshaft umgebracht.
Ein Leben lang behindert
Der Gerichtssaal im Rathaus Frauenfeld wäre zu klein gewesen. Die Verhandlung findet deshalb unter polizeilicher Überwachung im lichtdurchfluteten Gemeindesaal von Felben-Wellhausen statt. Rund 40 Zuschauer und ein gutes Dutzend Journalisten verfolgten gestern die Verhandlung. Auch der mittlerweile 18-jährige Dominik war anwesend. Laut seiner Anwältin ist er sich seiner Behinderung bewusst, kann sich selber aber nur schwer verständlich machen. Er werde sein Leben lang auf eine IV-Rente angewiesen sein.
Dominik, der sich auch heute noch als Rastafari bezeichne, habe immer das Motto «Peace and love» gelebt. Sein Freund Stefan liess sich von seiner Mutter vertreten. Ihr Sohn erinnere sich nicht an die Tat, fürchte sich aber, Skinheads zu begegnen. «Er hat Angst, hier zu sein.»
Im Zentrum des Interesses stand zunächst ein 22-jähriger Automonteur, der sich aus der Schlägerei herausgehalten haben will. Die andern Angeklagten belasten ihn jedoch. Laut Staatsanwalt Marcel Ogg ist der Automonteur schuldig, auch wenn er sich nicht an der Schlägerei beteiligte. In diesem Falle habe er sich in Bereitschaft gehalten, notfalls tätig zu werden.
Wohlbekannter Skinhead
Die Angeklagten lehnen Demokratie ab und wollen gesellschaftliche Probleme mit Gewalt lösen, wie der Staatsanwalt ausführte. Ihre Beweggründe seien aber «eventuell weniger politisch als es scheint.» Vielleicht gehe es nur um das Ausleben von Gewalt. Kopf der Gruppe war ein heute 25-jähriger Rheinmatrose und Maurer. Laut Staatsanwalt ist er ein wohlbekannter Skinhead mit massloser Verblendung und Gewaltbereitschaft. Der Prozess dauert bis Mittwoch. Das Urteil wird am 15. September öffentlich verkündet.Bild: Reto Martin
Dominik entsprach äusserlich dem Feindbild der rechtsextremen Angreifer.
In V-Kampfformation
Am 26. April 2003 zwischen 21 und 22 Uhr trafen sich sieben Männer in einem Pub in Marthalen. Die teilweise vorbestraften Schweizer im Alter zwischen 18 und 23 Jahren betrachteten sich als Rechtsextreme. Einige gehörten der Skinhead-Gruppierung «Blood and Honour» an. Der Kopf der Gruppe hatte über SMS zum «Kampf gegen die Roten» beim Ska-Punk-Konzert im Eisenwerk Frauenfeld aufgerufen. Um das Konzert zu stören, waren sie jedoch zu wenige.
Etwa gleichzeitig stiegen in Frauenfeld der 15-jährige Dominik und der 17-jährige Stefan aus dem Zug. Dominik trug eine grün-gelb-rote Jamaica-Mütze. Sie wollten auch ans Ska-Punk-Konzert, wurden jedoch nicht eingelassen, da das Konzert bereits ausverkauft war. Gegen 23.30 Uhr gingen sie zurück zum Bahnhof. Beim Eingang zum Lindenpark kamen ihnen laut Anklageschrift die sieben Rechtsextremen «in V-Kampfformation» entgegen. Als erstes erhielt Dominik eine Flasche über den Kopf und sank zu Boden. Mit Fusstritten und Faustschlägen fielen die sieben über die zwei her. «Welcher Angeklagte dabei welche Schläge welchem Opfer austeilte, lässt sich stimmig nicht mehr rekonstruieren», schreibt der Staatsanwalt. Stefan lag bald reglos am Boden. Die Angreifer konzentrierten sich deshalb auf Dominik, der auf allen vieren durch ein Absperrgitter zu kriechen versuchte. Die Täter liessen schliesslich ihre Opfer liegen – vermutlich als in der Nähe eine Polizeistreife vorbeifuhr. Nachher gingen sie ans Bar-Pub-Festival in Bülach.
Stefan erlitt Verletzungen am Kopf und den Handgelenken und eine Hirnerschütterung.
Dominiks rechtes Stirnhirn musste entfernt werden, da ein Teil der Hirnmasse wegen der schweren Verletzungen abgestorben war. Die schwere Hirnschädigung führte zu einer teilweisen Lähmung der linken Körperhälfte. (wu)