Gewalt in Fussballstadien

Berner Zeitung

Ultras verdrängen Hooligans

Eine Nationalfondsstudie kommt zu einem überraschenden Schluss: Während die rechtsextremen Vorfälle insgesamt zunehmen, ist in den Fussballstadien eine gegenläufige Entwicklung festzustellen – auch in Bern.

Projektleiter Thomas Busset warnt trotz der auf den ersten Blick «erfreulichen Erkenntnisse» davor, den Rechtsextremismus im Fussball zu verharmlosen: «Viele gewalttätige Fans teilen weiterhin Wertorientierungen in der Nähe rechtsextremistischer Einstellungen.» Zusammen mit weiteren Mitarbeitern des Centre International d?Etude du Sport der Universität Neuenburg hat er die Fanszenen vom FC Basel, von den Young Boys und von Servette Genf untersucht. Rassistische Gesänge und Symbolik seien gesamthaft zurückgegangen, auch in Bern. Diese Entwicklung sei vor allem auf Veränderungen im Umfeld zurückzuführen und weniger auf eine Abnahme von rechtskonservativen Fans.

Zersplitterte Szene in Bern

Auffällig an Bern ist laut Busset die stark zersplitterte Fanszene: «Zudem ist wie auch in anderen Städten ein Generationenwechsel im Gang.» Zahlreiche, auffällige Exponenten seien inzwischen mit Stadionverboten belegt, und viele gewaltbereite Fans würden sich heute auf das Modell der italienischen Ultras berufen. Diese zeichnen sich durch eine bedingungslose Unterstützung ihrer Mannschaft aus verbunden mit der Bereitschaft, Gewalt auszuüben. Dies im Gegensatz zu den Hooligans, die Fussballspiele mit der festen Absicht besuchen, Prügeleien oder Pöbeleien anzuzetteln. «In Bern gibt es im Vergleich mit Basel noch relativ wenige Ultras», sagt Busset, «dafür aber eine verhältnismässig aktive Hooliganszene, die auch im Eishockey anzutreffen ist.»

Gegenbewegungen

Dass sich rassistisches Gedankengut in den Stadien weniger manifestiert, hat aber noch weitere Gründe: Nebst der Einführung der Antirassismus-Strafnorm ist laut Busset auch beim Publikum eine Gegenbewegung feststellbar: «Die normalen Zuschauer wehren sich immer offensiver dagegen, dass Rechtsextreme ihnen das Sporterlebnis verderben.» Zudem würden sich die Fanszenen zunehmend dagegen wehren, durch Rechtsextreme instrumentalisiert zu werden. Schliesslich würden laut den gestern publizierten Zwischenergebnissen der Nationalfondsstudie den rechtsextremen Jugendlichen immer mehr andere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, ihre rassistische Gesinnung in die Öffentlichkeit zu tragen.

Dass es trotzdem immer wieder zu Gewaltausbrüchen, vor allem ausserhalb der Stadien, kommen kann, zeigte sich diesen Sommer. So randalierten rund 200 Hooligans nach dem ersten Meisterschaftsspiel im neuen Wankdorfstadion. Die Polizei musste Gummischrot und Reizstoffgranaten einsetzen.

Um einen reibungslosen Ablauf der Euro 08 zu garantieren, wollen die Politiker gnadenlos gegen Hooligans vorgehen (siehe Kasten). Bei den Spielen der Schweizer Nationalmannschaft kam es bisher kaum zu Gewalttätigkeiten. Ultras zeigen laut Busset kein Interesse, gemeinsam die Nationalmannschaft zu unterstützen: «Man ist Basler, Berner oder Genfer und will nichts miteinander zu tun haben.» Gregor Poletti

parlament

Gesetz gegen Hooligans

Im Hinblick auf die Fussball-Europameisterschaft 2008 erarbeitet das eidgenössische Parlament derzeit ein Gesetz, das Stadionrandalierer hart an die Kandare nehmen soll. Trotz schwerer Bedenken der Ratslinken hat der Nationalrat in der Dezembersession das Gesetz verabschiedet. Demnach werden Hooligans in einer Datenbank erfasst. Schon gegen Jugendliche ab 12 Jahren können Rayonverbote, Ausreisesperren oder eine Meldepflicht verhängt werden. Hooligans über 15 können 24 Stunden in Haft genommen werden. In der Frühjahrssession wird der Ständerat dieses Geschäft behandeln.