Ein brutaler Ritualmord an einem rund 40-jährigen Mann beschäftigt seit Wochen die Gendarmerie von Lyon. Jetzt wollen die Franzosen auch in der Schweizer Neonazi-Szene nach den Tätern fahnden.
Bei einem Treffen mit der Waadtländer Kantonspolizei wollen sich heute die französischen Ermittler über eine mögliche Verwicklung von Schweizer Neonazi in die Ermordung eines 35- bis 40-jährigen Mannes Klarheit verschaffen. Die Leiche des Opfers wurde am 16. August knapp 40 Kilometer von der Schweizer Grenze entfernt, in Serriès en Chautagne, aus der Rhone geborgen. Die Täter hatten ihm Kopf, Arme und Beine abgehackt. Die Autopsie ergab, dass er zuvor auch schwer gefoltert worden war. Die Täter hatten ihrem Opfer auch ein umgekehrtes Kreuz in die Brust geritzt. Zudem fehlten einzelne Organe.
Leiche nicht identifiziert
Bisher ist es der Gendarmerie von Lyon nicht gelungen, den Toten zu identifizieren. Der einzige Anhaltspunkt der französischen Polizei ist das Datum. Laut Angaben des zuständigen Gendarmerie-Offiziers Jean Barbe muss der unbekannte Mann zwischen dem 12. und 13. August ermordet worden sein. Die Polizei ging bisher davon aus, dass es sich um einen brutalen Ritualmord einer Satans-Sekte handeln könnte.
Ermittlungen ausgeweitet
Nachdem man mit dieser These aber nicht weiterkam, will man nun den Kreis potentieller Täter ausweiten. Ins Fadenkreuz der Ermittlungen ist dabei auch die Schweizer Neonazi-Szene geraten. «Wir haben von den Waadtländer Behörden erfahren, dass Mitte August in Saint-Cergue ein Neonazi-Treffen stattgefunden hat», erklärt der Gendarmerie-Offizier Jean Barbe. «Deshalb verfolgen wir jetzt unter anderen auch diese Spur.» Wer den Franzosen tatsächlich diesen Hinweis steckte, ist aber unklar. Bei der Waadtländer Kantonspolizei können sich heute die zuständigen Beamten an keine Naziversammlung in Saint-Cergue erinnern, und die französischen Kollegen will demzufolge auch niemand informiert haben. Auch im Dorf selber ist letzten Sommer keine grössere Ansammlung von «Glatzen» beobachtet worden.
Für Szene «untypisch»
Auch die Bundespolizei (Bupo) kann die Situation nicht klären. Dem Bupo-Sachbearbeiter für Rechtsextremismus sind zwar Treffen von Neonazis für die fragliche Zeit bekannt, «diese fanden aber nicht in der Westschweiz statt». Solche Versammlungen sind um diese Jahreszeit zudem nicht aussergewöhnlich. Mitte August feiern überall auf der Welt Neonazi-Gruppen den Todestag von Rudolf Hess (17. August). Für den Bupo-Sachbearbeiter wäre ein solcher Ritualmord für die Szene ohnehin sehr untypisch. «Die verstümmelte Leiche weist eher auf eine Satans-Sekte hin», erklärt er. Solche seien in der Westschweiz aktiv und sie würden teils für ihre Zeremonien Nazi-Symbole verwenden. Ein anderer intensiver Szenen-Beobachter wie der Innerschweizer Journalist und Publizist Hans Stutz hält einen Zusammenhang zwischen dem unbekannten Toten und den Schweizer Neonazis ebenfalls für eher unwahrscheinlich. Unter dem deutschen Neonazi-Führer Michael Kühnen sei es zwar in Deutschland zu vereinzelten Femenmorden gekommen. «Gewisse Merkmale wie das eingeritzte umgekehrte Kreuz lassen mich aber an der These zweifeln, dass der Mann tatsächlich das Opfer von Neonazis wurde», sagt Stutz.
Versand beschlagnahmt
Die Schweizer Rechtsextremen fielen bisher hauptsächlich mit klandestinen und rassistischen Rockkonzerten, mit dem Handel und dem Vertrieb nazistischer Propaganda auf. Erst im März dieses Jahres wurde in Neuenburg ein schwungvoller Versandhandel mit verbotenen CDs, Skin-Magazinen und anderer rassistischer Propaganda von der Polizei aufgedeckt. Einen derart brutalen Ritualmord trauen Insider der Szene aber dennoch nicht zu. humo