Tagblatt.
Die Verfahren gegen die Teilnehmer der Gegendemonstration «Basel Nazifrei» vom November 2018 beim Basler Messeplatz gehen weiter, am Dienstag musste sich ein 45-jähriger Familienvater aus Laufen vor dem Basler Strafgericht verantworten.
Seit Monaten ist beim Basler Appellationsgericht eine Beschwerde hängig, die dem Basler Strafgericht in dieser Frage generell eine «institutionelle Befangenheit» vorwirft, und auch am Dienstag griff Verteidiger Alain Joset erneut diesen Punkt auf. Seine Liste an formellen Rügen gegen die Strafverfolgungsbehörden war lang, doch vor allem kritisierte er die mangelnde Rechtsgrundlage im Baselstädtischen Polizeigesetz zu den Videoaufnahmen: Die Regelung sei verfassungswidrig, und die Videos der damaligen Demonstration dürften daher nicht als Beweis vor Gericht verwendet werden.
Der 45-Jährige selber gab sich als dreifacher Familienvater zu erkennen und schilderte seine Einkommenssituation, wollte aber zu den Vorwürfen selber keine Stellung nehmen. «Möchten Sie vielleicht erklären, wie es dazu gekommen ist, dass Sie selber Steine geworfen haben?», fragte Gerichtspräsidentin Sarah Cruz nach. Der Mann überlegte einen Moment lang, beschloss dann aber, weiterhin zu schweigen. Er hatte sich damals nach einem öffentlichen Fahndungsaufruf mit Fotos bei einem Polizeiposten selbst gestellt. Die Frage, ob er bei der Demo dabei war, wollte er gestern allerdings dennoch nicht beantworten. «Er hat sich mehr oder weniger freiwillig aufgrund der öffentlichen Fahndung gemeldet. An der Demonstration wollte er ein Zeichen gegen die Nazis setzen», argumentierte Joset.
Keine Körperverletzung, aber qualifizierte Gewalt
Die Staatsanwaltschaft warf dem Mann nebst der Teilnahme am Protest auch vor, mehrere bis zu fünf Zentimeter grosse Steine gegen Polizisten geworfen zu haben. Staatsanwalt Camilo Cabrera sah zusätzlich zu Landfriedensbruch und Gewalt gegen Beamte deshalb auch konkret den Tatbestand der versuchten qualifizierten Körperverletzung als erfüllt.
Er forderte eine bedingte Freiheitsstrafe von elf Monaten für den Mann. Bei diesem letzten Punkt waren die drei Richter anderer Meinung: «Wir sehen da auf den Videos zuwenig», begründete Gerichtspräsidentin Cruz den Freispruch. Man sehe aber deutlich, wie der Mann mehrmals etwas werfe. Deshalb sei er klarerweise wegen qualifizierter Gewalt gegen Beamte zu verurteilen, ebenso wegen Landfriedensbruchs: Die Demo sei keineswegs friedlich gewesen. Auch nach dem Gummischroteinsatz der Polizei sei er auf den Videos noch immer inmitten des Geschehens zu sehen und als dunkel gekleideter und Vermummter auch klar dem «Schwarzen Block» zuzuordnen.
Entlastend wertete das Gericht, dass der Mann sich selbst gestellt hat
Unter dem Strich fanden die Richter eine Strafe von sechs Monaten angemessen, womit noch eine Geldstrafe möglich war: Das Gericht sprach eine bedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 60 Tagen aus. Dazu kommt eine Busse wegen des Vermummungsverbotes von 200 Franken.
Massiv sind aber die Kosten: Zu den Verfahrenskosten der Staatsanwaltschaft von 2700 Franken kommen noch die Gerichtsgebühren von 7000 Franken, beides muss der Verurteilte übernehmen. Den Schuldspruch kann er noch weiterziehen. Verzichtet er auf eine Berufung, wird auch keine schriftliche Begründung erstellt, womit die Gerichtsgebühr auf 3500 Franken halbiert würde. Mehrere ähnliche Urteile zur Anti-Pnos-Demo vom November 2018 sind bereits beim Basler Appellationsgericht hängig, noch ist kein Gerichtstermin bekannt.