An seinem dreissigsten Geburtstag wurde Daniel V. von seiner Vergangenheit eingeholt. Sein Geburtstagsfest wollte er am Samstagabend vor einer Woche in einem Gewölbekeller seiner Heimatgemeinde Sins AG durchführen. Unerwartet geriet die Party ins Visier des Nachrichtendienstes. Am Nachmittag rückten Kantonspolizisten ein, beschlagnahmten den Kellerschlüssel und verboten das Fest.
Mit dem Einsatz wollte die Aargauer Kantonspolizei verhindern, dass Daniel V. in Sins einen Anlass der rechtsextremen Partei Pnos durchführt. Sie hatte für denselben Abend ein Konzert an einem geheimen Ort angekündigt. Die Polizei glaubte ihm nicht, dass er tatsächlich nur seinen Geburtstag feiern wollte, weil er als 19-Jähriger negativ aufgefallen war. In einer Scheune in Beinwil AG hatte er ein Fest mit 150 Rechtsextremen organisiert. Derartige Anlässe werden oft als Geburtstagsfeste getarnt. Es könne deshalb kein Zufall sein, wenn er nun an diesem Tag einen Keller miete, dachten die Ermittler. Polizeisprecher Bernhard Graser sagt: «Es ist wie immer bei der Polizeiarbeit: Im Nachhinein weiss man es besser.» Er bestätigt, dass kein Zusammenhang zum Pnos-Konzert bestanden habe.
Ein Dorf wehrt sich
Nur die Gemeinde hielt zum jungen Mann. Am Morgen wurde sie vom Staatsschutz kontaktiert, dem kantonalen Ableger des Nachrichtendienstes. Er drängte die Gemeinde, den Mietvertrag aufzulösen. Doch Sins weigerte sich. Die Organisatoren hätten «absolut glaubhaft erklären können, dass der Generalverdacht der Polizei unhaltbar sei», sagt Gemeindeverwalter Marcel Villiger. «Wir kennen die Leute teilweise persönlich.» Er kritisiert die Medienmitteilung der Kantonspolizei, die suggeriert habe, in Sins existiere eine rechtsextreme Szene: «Diese Kommunikation war ungeschickt.»
Der Staatsschutz stützte sich bei der Lageeinschätzung auf Hinweise aus der antifaschistischen Szene. In vielen Kantonen recherchieren linke Aktivisten über Neonazi-Aktivitäten und verbreiten entsprechende Warnungen auf Online-Kanälen. Manchmal sind sie besser informiert als die Polizei. Von einem Antifa-Mitglied stammte der korrekte Hinweis, dass die Pnos in Rothrist AG zur Besammlung aufgerufen hatte. Der Mann diente aber auch als Quelle für den Fehlalarm in Sins.
Die Ironie der Geschichte: Die Aargauer Polizei verhinderte ein vermeintliches Pnos-Konzert, während die Kollegen im Kanton Luzern das tatsächliche Pnos-Konzert auf ihrem Gebiet tolerierten.
Der Antifa-Alarm
Gleich mehrmals führte die Antifa-Szene Behörden und Me dien am Wochenende auf eine falsche Fährte. Im Kanton Baselland meldete eine Antifa-Gruppierung, der Pnos-Anlass könnte hier stattfinden. Journalisten erkundigten sich. Die Polizei kommunizierte ihnen, präventive Massnahmen ergriffen zu haben. So entstanden Schlagzeilen, wonach Hinweise für einen Pnos-Anlass in Baselland vorlägen. Das stimmte nicht. Die Polizei forderte die Gemeinden lediglich auf, abzuklären, ob das Konzert in einer ihrer Lokalitäten durchgeführt werden könnte. Der Aufruf erfolgte schweizweit.
In Zürich warnte eine «antifaschistische Aktion» gleichzeitig vor einem Neonazi-Konzert an einem Metal-Festival im Jugendkulturhaus Dynamo. Das Sozialdepartement kontaktierte sofort die Veranstalter, welche die Liedtexte durch eine Kulturwissenschafterin prüfen liessen. Die Band musste sich vor dem Konzert schriftlich von rassistischem Gedankengut distanzieren. Nach dem Konzert zeigte sich: Es handelte sich um einen Fehlalarm.
Die nächste Aufregung steht bevor. In der Antifa-Szene werden Flyer für einen Kampfkurs der Pnos verbreitet. Der Anlass wurde vor einem Jahr erstmals durchgeführt. Damals konnte die Polizei den Veranstaltungsort nicht einmal im Nachhinein ermitteln. Nur vage war vom «Raum Winterthur» die Rede. Bei der Winterthurer Stadtpolizei heisst es, sie nehme Hinweise dankbar entgegen.